SI Style: «Dauernd Jetzt» ist eine Ihrer schönen Wortschöpfungen. An welcher Ihrer Kreationen haben Sie am meisten Freude?
Herbert Grönemeyer: Es macht mir generell Spass, wenn Worte plötzlich in anderem Zusammenhang stehen. Die Zeile «Lieb mich wenig, dafür lieb mich lang» klingt am Anfang komisch, aber dann denkt man darüber nach. Da meine Lieder melodiös sind, muss der Text einen Kontrast setzen, für Irritation sorgen. Das ist wie die Würze beim Kochen. «Feinmatrose» gefällt mir gut, ich wusste gar nicht, dass es dieses Wort nicht gibt. Für mich war sofort klar, was es meint. «Schiffsverkehr» verstanden viele Leute nicht. Für mich ist es logisch: Viele Schiffe fahren, das Leben ist bunt und schön, es ist viel los. Das Blöde ist, dass ich gerne die Worte im zweiten Refrain leicht austausche. Das gibt dann das Problem, dass ich bei Live-Auftritten nicht mehr genau weiss, wie der Text geht.
Haben Sie das Wort gefunden, auf das sich die meisten Reime ergeben?
Oh Gott, gibt's das? Mir fällt auf, dass ich am Ende der Zeilen doch oft die gleichen Wörter brauche. Im Deutschen muss man den Satz streng beenden. Entweder bleibt das Wort offen wie bei «Meer» oder «sehr», oder geschlossen, wie «Zeit» oder «Land».
Mit dem neuen Album ist bereits ein kometenhafter Start geglückt. Wussten Sie, dass es sowieso ein Erfolg wird oder spürten Sie noch Druck?
Den Druck hat man. Ich glaube schon, dass es ein schönes Album ist, sehr dicht und melodiös. Nicht kreischend und grossspurig, sondern sanfter. Wie es aber ankommt beim Publikum, das ist immer wieder spannend, und ich bin nach wie vor nervös.
Als ich zum ersten Mal «Der Weg» hörte, musste ich weinen. Wie ist das für Sie, dass Sie mit Ihrer Musik bei anderen so starke Emotionen auslösen?
Das überrascht einen. Ich denke beim Schreiben ja nicht darüber nach, wie das wirken wird. Es wäre furchtbar, wenn man in der Lage wäre, Songs zu beschreiben, die bei den Menschen genau das auslösen, was man beabsichtigt. Ich möchte in Worte kriegen, was ich selber im Moment fühle. Ich freue mich, wenn es andere Menschen berührt.
Gabs einen Moment, in dem Sie realisierten, jetzt bin ich berühmt?
Ja, das war ein Rausch. Ich wollte nie erfolgreich werden, ich wollte nie Sänger werden. Dann kündigte mir die eine Plattenfirma, nachdem ich den erfolgreichen Film «Das Boot» gedreht hatte. Danach kam «Bochum» im Jahr 1984, das war wie eine Raketenbeschleunigung. Auf einmal kamen die Plattenverkäufe, viel Geld, alle Leute erkannten mich. Ich wollte im österreichischen Vorarlberg Skifahren lernen, wobei ich hauptsächlich auf der Nase lag, und wurde unentwegt von Fans verfolgt. So richtig begriffen, was berühmt sein heisst, mit allen Vor- und Nachteilen, das kam mit der Platte «Sprünge» und danach «Ö». Da dachte ich plötzlich, jetzt bin ich wer und verlor etwas die Bodenhaftung. Dann wurden die Kinder geboren, das reine Glück. Und 1990 kam die Krebserkrankung meiner Frau, da wurde schnell alles relativiert.
Gibt es in Ihrem Leben im Rückblick entscheidende Momente, die eine Wende markierten?
Zentral war, dass ich mit siebzehn beim Theater gelandet bin. Peter Zadek, ein berühmter Theaterintendant, hat mich dann nach Hamburg mitgenommen, weil er mir etwas zutraute. Dann das Kennenlernen von meiner Frau, ich kam aus gutbürgerlichem Zuhause, Bildungsbürgertum, sie war punkiger und rockiger als ich. Wir haben uns lustig zusammengerauft, das war wunderbar. Weiter, dass mir eine Plattenfirma noch eine Chance gab, nachdem die ersten vier Alben erfolglos waren. Dann die Katastrophe mit dem Tod meiner Frau. Und dass ich nach England gegangen bin. Die Engländer sind leichtfüssiger, weniger verbissen als die Deutschen. Auch etwas chaotischer und improvisierter, aber auch heiterer. Der letzte Wendepunkt ist jetzt, da ich wieder in einer stabilen Beziehung bin.
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