Es gibt ja diese Schubladen, in die wir Menschen gerne verräumen. Meine schauspielenden Man-Crushes sind da ebenfalls alle gut einsortiert. In der Schublade «Vom schmachtenden Herzensbrecher zum umweltbewussten Charakterdarsteller» zum Beispiel liegt Leonardo DiCaprio. Gleich unten darunter, im Fach «Sensibler Traumjunge mit purzelnden Locken und Faible für Hundeblick-Rollen», ist Timothée Chalamet zu finden. Wo zum Teufel ich Joaquin Phoenix einräumen soll, war mir allerdings lange ein Rätsel. 2005, nach «Walk the Line», hätte ich ihn gerne in etwa zu Leo in die Etage gequetscht und ihm eigenhändig zwölf Oscars verliehen – die Academy hats ja nicht auf die Reihe gekriegt.
2010 hätte ich ihn am Kragen wieder rausgezerrt und mit spitzen Fingern vor die Tür, oder zumindest die Kommode gesetzt. Ja, «I’m Still Here» hat mich verwirrt. Der Mann schien den Faden verloren und der Körperhygiene abgeschworen zu haben. War natürlich alles nur Konzept und ich schnell wieder beschwichtigt. Drei Jahre später … «Her». OMG. Joaquin war so einsam und so traurig, mein Herz am Schluchzen und Pulsieren. Rutsch rüber, Timothée.
Danach passierte auf der Leinwand einiges, was mir ehrlich gesagt ein bisschen egal war. «Inherent Vice» konnte mit dem Buch nicht ganz mithalten, ein paar Filme sparte ich mir gleich ganz. Während ich also noch grübelte, den emotionalen Entrümpelungsdienst schon so gut wie bestellt, erstand ich ein Ticket für «Joker».
Das Möbel in meinem Herzen ist seither komplett auf den Kopf gestellt. Joaquin Phoenix gehört nämlich in jedes Fach, in jede Etage, in jede Schublade. Er ist «crazy talentiert», gleichzeitig «unerschrocken, uneitel und unglaublich überzeugend», irgendwie aber auch «weird und leicht beängstigend – in a good Way» und vor allem ein wahrhaftiger «Joker». Also so einer, über den man sich beim Kartenspielen freut. Das weiss ich spätestens seit den Golden Globes. Da bedankte sich der 45-Jährige nicht nur ganz brav für seinen Preis als bester Hauptdarsteller in einem Drama, sondern auch für die Entscheidung, ausschliesslich veganes Essen zu servieren. Eine wichtige und mutige Message, fand er.
Dass man die ihm selbst und seiner Verlobten Rooney Mara zu verdanken hatte, erwähnte er nicht. Das verriet erst Musiker-Kumpel Moby später in einem Interview.
«Ich weiss gar nicht, ob ich das sagen darf, aber die beiden haben das quasi organisiert. Ich weiss nicht, ob sie es ganz alleine waren, aber er hat mir vor einer ganzen Weile erzählt, dass sie daran arbeiten.»
Einen anderen interessanten Fun Fact plauderte Designerin Stella McCartney nach der Award Show aus.
Zählt ein klatschender Mensch schon als Standing Ovation? Ich stehe jedenfalls hier und applaudiere. Bitte mach weiterhin alles anders als die anderen, lieber Joaquin. Mit ein bisschen Glück machen es dir bald alle nach.