Wir sitzen auf einem karierten Sofa von Jean-Paul Gaultier, vor uns knistert der Kamin und an den Wänden tanzen Vögel über die bunte Tapete. Auf den tiefen Spiegelwürfeln vor uns lockt eine üppig beladene Etagere neben dem noch leeren Tee-Service. Unten liegen Sandwiches, in der Mitte tummeln sich Scones mit Double Cream und Konfitüre, oben Biscuits und Kuchen. Diese Reihenfolge ist nicht zufällig, sie gehört zur Tradition des englischen Afternoon Teas. Zwischen dem Mittag- und dem Abendessen gibt sich der Brite dem exzessiven Teegenuss hin. Wir aber hocken nicht etwa in London, sondern im exklusiv-kuriosen Salon des Hotels Le Grand Bellevue in Gstaad. Und dann kommt Ondrej Herda, ein beschwingter tschechischer Herr im Frack und serviert uns weissen und grünen Tee, floralen Earl Grey und Schwarztee mit einer gar mystischen Rauch-Note.
Tee aus England, China und Japan kommt angeflogen. Wir degustieren ihn als ginge es um feinsten Alkohol. Ein Glas Wein oder einen Cocktail gönnen wir uns derzeit oft, um runterzukommen und die viele freie Zeit zu zelebrieren. Um unser Essen perfekt zu ergänzen. Das Heissgetränk Tee bekommt diese Art von Aufmerksamkeit nur selten. Aber warum eigentlich? Dabei entschleunigen die getrockneten Blätter doch wie kaum ein anderer Drink.
Wir haben bei Tee-Sommelier Ondrej Herda nachgefragt. Weil der es schliesslich wissen muss.
Style: Ondrej, sag mal, wie kommt man dazu, einen so ungewöhnlichen Beruf zu ergreifen?
Ondrej Herda: Alles beginnt mit einer wahren Leidenschaft und Liebe für Tee. Damals, als ich noch Barkeeper in Tschechien war, setzte ich mir in den Kopf, alles über Tee und Teemixologie zu lernen, weshalb ich meine Heimat verliess und in die Teehauptstadt der Welt zog – London. Im Jahr 2014 hatte ich das Glück, die Tschechische Republik in Sri Lanka als Tee-Mixologe beim «Tea Masters Cup International» zu vertreten. Ich bekam die Chance, einen Monat mit einem Teeproduzenten aus dem zentralen Hochland Sri Lankas zu verbringen und von diesem Moment an wusste ich, dass ich Tee-Sommelier werden wollte. Zurück in London, schloss ich mein Diplom ab.
Was genau macht ein Tee-Sommelier?
Tee-Sommelier zu sein bedeutet, ein umfassendes Wissen über alle Arten von Tees zu haben. Ich kenne die verschiedenen Kategorien von Tees, wie sie hergestellt werden, aus welchen Regionen sie kommen und die Geschichte dahinter. Während einer Nachmittagstee-Sitzung kann ich, wenn der Kunde daran interessiert ist, einige Hintergrundinformationen zu den Tees geben, die wir auf der von mir zusammengestellten Teekarte haben.
Welches Essen passt zu welcher Teesorte?
Natürlich ist das dem persönlichen Geschmack eines jeden überlassen, aber im Allgemeinen passt schwarzer Tee sehr gut zu süssen Speisen. Das Aroma des schwarzen Tees kann den Geschmack des süssen Kuchens oder eines anderen Desserts, das Sie essen, entweder verstärken oder abschwächen. Denkt man beispielsweise an die Bitterkeit von dunkler Schokolade – die Paarung mit einem tieferen schwarzen Tee gibt der Schokolade einen ganzheitlicheren Geschmack und bringt sie wirklich auf eine andere Ebene.
Was nicht viele Menschen wissen, ist, dass perfekt aufgebrühter Grüntee nicht nur hervorragend zu Sushi passt, sondern zu jedem asiatischen Hauptgericht. Man kann die grünen Tees tatsächlich wie einen Weisswein sehen, den man mit seinem Fisch paart – ein Lachs-Teriyaki mit dem richtigen grünen Tee zu trinken, kann verschiedene Dimensionen vom Geschmack des Gerichts hervorbringen.
Welchen Tee empfehlen Sie zum Afternoon Tea zu Hause?
Es ist schwierig zu sagen, welche Teesorte die beste ist, denn jeder einzelne Tee hat einen eigenen Charakter. Aber wenn ich nur einen auswählen müsste, wäre es der Earl Grey Schwarztee – er hat ein erstaunliches Bergamotte-Aroma und ist sehr reich im Geschmack.