Bunt soll es sein, das Leben! «Farben sind für mich Energie, Kraft und mein wichtigstes Ausdrucksmittel. Sie helfen mir, mich ganz zu fühlen. Die Welt ist oft allzu grau.» Ein exotischer Vogel sei sie schon immer gewesen, sagt Silja Coutsicos, «das hier ist mein Nistplatz». Die 61-jährige Pädagogin und Künstlerin sitzt am Stubentisch in ihrem «Bunteshaus» (www.dasbunteshaus.ch), wie sie ihr Daheim nennt. Ein Farbtupfer in einem Einfamilienhaus-Quartier des oft nebligen Schönenwerd SO. Immer wieder bleiben Fussgänger stehen und bestaunen das einzigartige Bijou mit seinen farbigen Fassaden und den glitzernden Mosaiken. «Den meisten zaubert es ein Lächeln ins Gesicht.»
Eine Lotterbude war das Haus, als es Silja Coutsicos und ihr damaliger Ehemann vor 27 Jahren kauften: Gemeinsam wird angepackt, in Eigenregie umgebaut. Der Vater und später die vier Söhne kümmern sich um das Handwerkliche, die Mutter um das Künstlerische. Die erste Zimmerdecke streicht Silja in der Farbe des blauen Himmels über der griechischen Inselgruppe der Kykladen – der Heimat ihres Partners. «Jetzt ziehe ich das durch», sagt sich die Hausbesitzerin – und bemalt jedes Zimmer des dreistöckigen Hauses mit einer anderen Farbe.
«Auch die Fensterrahmen hätte ich nie alle weiss malen können.» Im Badezimmer legt sie ihr erstes Mosaik, mit weissen Keramiksplittern und runden Formen. Nach den Renovationsarbeiten im Innern macht sich die gebürtige Ausserrhoderin nach zehn Jahren an die Fassadengestaltung: Die südseitige Wand des Hauses malt sie in Rot – Symbol für den Sommer und das Element Feuer. Mit der Zeit folgen die anderen Fassaden, jede bekommt eine andere Le-Corbusier-Farbe. Die Aussenwand im Osten ist gelb: Frühling/Luft. Die im Westen blaugrün: Herbst/Wasser. Die im Norden violett: Winter/Erde.
«Ich bin wie ein Schwamm. Die Eindrücke verarbeite ich dann in und an meinem Haus»
«Die Themen Werden, Sein und Vergehen haben mich schon immer beschäftigt. So entstanden die vier Elemente und Jahreszeiten an den Hauswänden.» Die Fassaden hat Coutsicos mit reliefartigen Mosaiken verziert. Ein jedes dieser Kunstwerke besteht aus Hunderten Teilchen – Splittern von Spiegeln und Autoscheiben, Muscheln und Steinen. Einmal bestellt sie zehn Quadratmeter Spiegelglas, zerteilt es mit einem Glasschneider. Die einzelnen Teile setzt sie nach ihren gezeichneten Plänen und mit Zementkleber zu einem Mosaik zusammen, dann streicht sie die Fugen sauber aus. Für den Lebensbaum neben dem Eingang töpfert sie einen Winter lang Blätter, Blüten und Früchte.
Zehntausende Stunden hat die Hausherrin in und an ihrem Haus gearbeitet, auch die Söhne und Bekannte helfen. «Es ist so vielschichtig wie ich», sagt die Primarlehrerin, die mit Klassen schon Schulhäuser künstlerisch gestaltet und dafür einen Kunstpreis des Kantons Aargau erhalten hat. Sie bewohnt das Parterre, allein – von ihrem Mann ist sie seit ein paar Jahren geschieden. Im ersten Stock lebt Sohn Janis, im Dachstock befinden sich Atelier und Gästebetten. «Hier fühle ich mich wohl und geborgen.»
Bei einem Mosaik bilden blaue Steinchen den lateinischen Spruch «Solve et coagula» – «Trenne und verbinde». Die Blumen auf den Fensterläden hat Coutsicos auf einer Reise in Vietnam dortigen Tempelschnitzern in Auftrag gegeben. Zu Beginn schauen ältere Anwohner kopfschüttelnd über den Gartenzaun, reklamieren. «Sie konnten sich meinen Lebensstil nicht vorstellen. Doch als sie sahen, wie wir arbeiteten und etwas Schönes entstand, bekamen wir auch ihre Anerkennung», sagt sie. «Mit meinen Nachbarn habe ich ein gutes Einvernehmen.» Im Ort wird sie schon mal die Frau Hundertwasser von Schönenwerd genannt. «Auch als bunteste Frau der Schweiz wurde ich bezeichnet», erzählt die Künstlerin, die ihre Kleider meist selber näht. Ihr Lebenswerk hat sie noch nicht beendet. «Ich habe Freude an der Arbeit. Und noch viele Ideen. Manchmal frage ich mich, warum ich mir dies alles antue.»
Fast täglich bekommt Coutsicos Post, vor allem seit der kürzlich ausgestrahlten SRF-Wohnsendung «Ding Dong» sind sie und ihr «Bunteshaus» national bekannt. Viele Leute haben Fragen an die bunte Frau. Coutsicos schmunzelt. «Jede weitere farbige Hauswand täte unserer Welt gut.»
«Natur, Kultur, und Mythologie inspirieren mich. Nichts ist Zufall, ich arbeite nach Plänen»