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Wer hier meckert, hats immer noch nicht verstanden

Warum der neue Gillette-Spot so gut und wichtig ist

Ein US-Konzern springt marketingtechnisch auf den #metoo-Zug auf. Und durchs Internet rauscht ein Tsunami der Wut. Doch ist es denn so schlimm, ein guter Typ zu sein?

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Still aus dem neuen Gillette-Spot

«Müssen» Jungs sich prügeln? Eine Szene aus dem neuen Gillette-Spot.

Gillette

Stellt euch vor, ein gigantischer US-amerikanischer Konzern veröffentlicht einen Werbespot, in dem er seine eigene, verstaubte Strategie nach 30 Jahren endlich heutigen Tatsachen anpasst und seine Kernzielgruppe dazu ermutigt, zur besten Version ihrer Selbst zu werden, statt sich an überholten Stereotypen festzukrallen. Und stellt euch vor, diesen Spot bewerten über eine Million Menschen – 785.000 davon schlecht (Stand 17.1.19). Das ist mehr als die Hälfte!

The Best Men Can Be

Bei besagtem Werbefilm handelt es sich um die neue Kampagne von Gillette. Ja genau, dem Rasierer- und Personal-Care-Product-Riesen, von dem wahrscheinlich auch in eurer Dusche ein Shaver liegt. In knapp zwei Minuten wird hier die Brücke geschlagen zwischen ihrem alten, unzeitgemässen «The Best A Man Can Get»-Image, laut dem Boys nun mal Boys sind, sich prügeln, mobben, Frauen belästigen und irgendwo dazwischen ihren maskulinen Bartwuchs bändigen und einer neuen «The Best Men Can Be»-Vision, die Männer zum Umdenken, Einschreiten und (noch) Besserwerden ermutigt.

Diese Kampagne macht Gillette nicht zum Heiligen. An erster Stelle ist sie nämlich vor allem eins: medienwirksam. Auf den #metoo-/#timesup-Zug aufzuspringen, ist cleveres Marketing. Trotzdem sind auch im Hause Gillette Herrenrasierer immer noch günstiger als Lady Shaver. Schlicht, weil sie blau oder silber und nicht rosa- oder mintfarben sind.
Das macht die Message aber nicht weniger wichtig und richtig. Und die unzähligen negativen Reaktionen zeigen mal wieder, dass viel zu viele immer noch nicht verstanden haben, worum es bei der ganzen Debatte eigentlich geht. 

Keine Ahnung, aber Hauptsache laut

Man(n) möchte nun Gillette-, gar alle Procter&Gamble-Produkte (der grosse, böse Mutterkonzern) wegschmeissen und niemals wieder auch nur ein einziges davon erwerben, oder sich, noch besser, mit der Gillette-Rasierklinge direkt die Testikel abschneiden, lesen wir bei Twitter. Wieder andere fordern ein faires Äquivalent für Frauen. Es könne ja wohl nicht sein, dass nur Männer in der Werbung so dermassen schlecht dargestellt werden – ja, wo bleibe denn da die Gleichberechtigung, nach der alle ständig so laut schreien?

Lieber Männer, liebe Frauen, liebes Internet: Macht doch bitte nicht aus allem immer so ein Riesentheater. Niemand behauptet, dass ALLE Männer Monster sind, und nein, Frauen wollen auch nicht per se die Weltherrschaft an sich reissen. Das behauptet nicht der Gillette-Spot und das ist auch nicht das Ziel von Bewegungen wie #metoo und #timesup. Es geht um Fairness und Gleichberechtigung (glaubt uns, liebe Pöbler, es gibt mehr als genug Werbespots, in denen Frauen nicht respektvoll und/oder zeitgemäss dargestellt werden …) und das Bewusstsein, das beides leider noch immer nicht selbstverständlich ist. 

Das Feedback zeigt: Ja, es braucht Werbung wie diese

Sei die beste Version deiner Selbst, Luft nach oben ist eigentlich immer. Im Grunde ist das die Message hinter der Kampagne. Der inszenierte Film lässt den Mann an sich letztendlich positiv wegkommen. Die waschechten Twitter-Kommentare … leider nicht. Und so schliesst sich der Kreis. Wie heisst es im Spot so schön? «Sag die richtigen Dinge, vollbring die richtigen Taten. Manche machen es schon (…), aber das ist noch nicht genug». Exempel statuiert.

Von Laura Scholz am 18. Januar 2019 - 09:45 Uhr, aktualisiert 3. Februar 2019 - 13:08 Uhr