Zu lange ist es her, seit ich mich zum letzten Mal von ausländischen Freunden bekochen liess. Das letzte Mal durfte ich Albanerin Aza beim kunstvollen Rollen ihrer «Pite» über die Schulter schauen, diesmal habe ich mit Antonietta und Joseph zwei Freunde der Familie besucht.
Die beiden verbindet eine wunderschöne Liebesgeschichte. 1978 tickten die Uhren noch etwas anders. Frankreich holte sich von seinen Kolonien (unter anderem La Réunion) Arbeitskräfte ins Land. Joseph war Anfang 20, hatte einen riesigen Afro auf dem Kopf und wurde irgendwann auch mit dem Car in die Schweiz gefahren, um seine Arbeit in der Bata-Fabrik in Möhlin, Aargau, zu verrichten. Dort lernten er und Antonietta sich kennen und waren schnell unzertrennlich. Eine Liaison zwischen einem Schwarzen und einer Weissen war damals aber alles andere als üblich und die unterschiedlichen Hautfarben galten als fast unüberwindbares Hindernis. Später mehr dazu.
Kommen wir zum Essen: Joseph ist der Koch in der Familie. Wenn die beiden Gäste erwarten, wird immer nach seinen kreolischen Spezialitäten verlangt. Mich hat er mit landestypischen Gerichten wie Samoussas, Linseneintopf, zarten Pouletschenkel und -Flügel verwöhnt. Dazu gab es Reis und eine scharfe Paste aus Erdnüssen, in die ich mich hätte hineinlegen können.
Die Küche La Réunions ist geprägt von verschiedensten Einflüssen, was natürlich viel mit der geographischen Lage und der Geschichte der Insel zu tun hat. Franzosen, Afrikaner, Inder und Chinesen haben alle ihren Teil zur enormen kulinarischen Vielfalt beigetragen. Die Samoussas entstammen der indischen Küche genau wie das traditionelle und in unzähligen Varianten existierende «Carri» (leitet sich von «Curry» ab), das mit Fleisch, vegetarisch oder mit Fisch zubereitet wird. Das Gericht beinhaltet Zwiebeln, Knoblauch, Thymian, Tomaten und natürlich das Gewürz Kurkuma, das oft in reunionesischem Essen vertreten ist.
Auf dem Speiseplan der Bewohner La Réunions stehen regelmässig auch Linsen- und Bohnengerichte und wie in allen Gebieten, die am Meer liegen: Fische und Meeresfrüchte in allen Varianten. Von Josephs Kreationen haben mir definitiv das Poulet-Carri und die Erdnusssauce am besten geschmeckt! Die Hähnchenstücke hat er während zwei Stunden auf ganz kleiner Stufe gegart - einfach wunderbar und in Kombination mit dieser ganz speziellen Sauce ein Gedicht!
Joseph und seine Frau sind heute seit fast 40 Jahren verheiratet und Eltern von drei Kindern. Die italienischstämmige Antonietta musste für ihre Liebe jedoch hart kämpfen. Es galt als Skandal im Dorf, dass sie mit dem dunkelhäutigen Joseph auf offener Strasse plauderte. Die Powerfrau hat sich aber gegenüber Gesellschaft und Familie durchgesetzt und es ging nicht lange, da trug sie einen Ring am Finger. Eine gute Entscheidung: Der Mann an ihrer Seite ist nicht nur ihre grosse Liebe - er kann auch traumhaft kochen!