Geschichten über Menschen, die ein aussergewöhnliches Essverhalten an den Tag legen, finde ich extrem faszinierend: Es gibt welche, die nur noch Fleisch essen, andere ernähren sich ausschliesslich von Rohkost, Frutarier nehmen nichts zu sich, was die Natur nicht von selber freigegeben hat - wie zum Beispiel vom Baum gefallene Äpfel. Wirklich wahr. Das Schrägste, was ich aber bisher gehört habe, ist die Geschichte mit der Lichtnahrung.
Es gab schon früher Menschen, die behaupteten, während gewisser Zeitspannen ohne Nahrung auskommen zu können. Ende des 19. Jahrhunderts war die «Hungerkunst» populär. Menschen liessen sich dabei beobachten, wie sie möglichst lange nichts assen. 1880 stellte der Arzt Henry Tanner in New York den Rekord von 40 Fastentagen auf. Dabei wurde er Tag und Nacht überwacht und tausende Leute zahlten jeweils 25 Cent Eintritt, um den in einer Hängematte darbenden Arzt zu beobachten. Henry wollte aufzeigen wozu der menschliche Geist fähig ist, und war von den medizinischen Vorteilen des Fastens überzeugt. Sein Rekord wurde 1920 vom Hungerkünstler Jolly in Deutschland gebrochen: 44 Tage lang hielt er ohne Nahrung durch, verdiente 130 000 Mark (!) und ganze 350’000 Besucher schauten sich sein Experiment an. Diese «Künstler» wurden oft in rund um die Uhr überwachte Glaskästen gesperrt, die mit Bett, Leselampe und genug Wasser ausgestattet waren und galten damals als richtige Superstars.
44 Tage und 20 Jahre sind aber ein grosser Unterschied. Die heute 57-jährige Australierin Ellen Greve behauptet tatsächlich, seit über zwei Jahrzenten keine nennenswerte Nahrung mehr zu sich zu nehmen. Sie ist Erfinderin und Gallionsfigur des 21-tägigen, sogenannten «Lichtnahrungsprozesses», mit dessen Hilfe der Körper angeblich auf die Ernährung durch feinstoffliche Energie umgestellt werden kann. Jasmuheen, wie sich Greve selber nennt, behauptet tatsächlich, wir Menschen würden, sofern wir den Körper richtig programmieren, ohne jegliches Essen auskommen. Greve und ihre Bewegung haben Anhänger auf der ganzen Welt - und mindestens genau so viele Gegner.
Beim Versuch, ihren Körper auf Lichtnahrung umzuprogrammieren, starben in der Vergangenheit mehrere Menschen - unter anderem eine Schweizerin. Greve selber wurde Ende der 90er Jahre von der neuseeländischen Vereinigung der Rationalisten und Humanisten eingeladen, sich einem Experiment zu unterziehen: Wenn sie unter Aufsicht während eines Monats keine Nahrung zu sich nehme und anschliessend noch einen Kilometer laufe, erhalte sie einen Betrag von 50'000 Dollar. Sie hat abgelehnt. Ich fand den Dokumentarfilm «Am Anfang war das Licht», bei dem ich zum ersten Mal von dieser abenteuerlichen Idee hörte, absolut fesselnd.
Warum sollte man, sofern genug Nahrung vorhanden ist, überhaupt ohne Essen auskommen wollen? Und falls die Geschichte nur erstunken und erlogen ist - warum behaupten so viele Menschen auf der Welt, sie hätten am eigenen Leib erfahren, dass das Ganze funktioniere? Gibt es doch eine winzige Möglichkeit, die für uns seit Jahrhunderten als unabdingbar geltenden Abläufe des Körpers umzuprogrammieren? Als Mensch, der von sich behauptet, mit allen Tassen im Schrank ausgestattet zu sein, traut man sich ja gar nicht an die Wahrscheinlichkeit solcher Behauptungen zu glauben. Im Film kommen viele Menschen zu Wort (darunter auch Mediziner), die die Möglichkeit dieser Umstellung durchaus für wahrscheinlich halten oder sie gar als bewiesen erachten. Genau das macht den Film so interessant. Leider ist die Doku mittlerweile von Youtube entfernt worden, im Netz findet man aber sehr viele Videos und Diskussionen zu diesem Thema:
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