Jährlich verbringe ich etwa 50 Nächte in einem Schweizer Hotel. Fast immer in einem Bergtal. Fast immer, weil ich am nächsten Tag auf einen Gipfel will. Ohne es zu beabsichtigen, bin ich über die Jahre ein Hotel-Profi geworden. Oder besser gesagt: ein Profi-Problem-Gast. Es ist schlimm.
Das Problem? In den meisten Hotels gibt es Frühstück ab 7.30 Uhr. Viel zu spät für Berggänger wie mich. Denn wenn ich auf eine grössere Kletter- oder Skitour will, muss ich früher raus. Meistens schon um 5 Uhr. Das ist hart, und das Aufstehen kostet mich jeweils mehr Energie als die Tour selber. Trotzdem bleibt mir nichts anderes übrig. Gefahren wie Lawinen oder Eisschlag erhöhen sich im Gebirge mit zunehmender Tagesstunde. Es geht also um meine Sicherheit. Aber erklären Sie das mal einem Hotelier in den Schweizer Bergen!
Zur Präzisierung: Ich erwarte kein Zmorge-Buffet um 5 Uhr. Mit einem simplen Käse-Sandwich und ein wenig Kaffee in einer Thermoskanne bin ich mehr als glücklich. Beides kann man am Vorabend zubereiten. Ist dennoch nicht überall möglich. Auch nicht in den berühmten Destinationen.
Neulich versuchte ich, in einem hochpreisigen Engadiner Hotspot ein Zimmer für drei Nächte zu buchen. Frühstück vor 7.30 Uhr? Ausgeschlossen. Am Ende landete ich in einem Dreisternehotel weit ausserhalb des Dorfs. Sandwich vorbereiten ging dort, Kaffee aber nicht. Der Wirt stellte mir immerhin einen Wasserkocher ins Zimmer. Den Kaffee musste ich selber mitbringen.
Ebenfalls diesen Winter – im Berner Oberland: Ich hatte via booking.com gebucht. Als ich ankam, hiess es, es gebe am nächsten Morgen überhaupt kein Zmorge. Ruhetag. Der Wirt bot an, ein Lunchpaket bereitzustellen, und zeigte mir die Kaffeemaschine im Flur. Dafür bezahlte ich gerne 15 Franken extra. Als ich um 5 Uhr aufstand, war nichts da. Weder Lunchpaket noch Kapseln für die Kaffeemaschine. Ich ging mit leerem Magen auf Klettertour.
Oder in einem Walliser Kurort: Zmorge vor 7.30 Uhr? Indiskutabel. Grund: Das Brot werde erst um 7.20 Uhr mit dem Postauto geliefert. Ich könnte ein ganzes Buch füllen mit solchen Beispielen. Selbstverständlich gibt es Hotels, die sich auf Alpinisten spezialisiert haben. Sie sind super organisiert, aber in den Bergtälern spärlich vorhanden.
Soeben publizierte der Schweizer Alpen-Club die Statistik der Bergnotfälle 2018. Wie üblich sind es nicht die Kletterer oder Skitourengeher, die am meisten Rettungen und Todesfälle verzeichnen. Sondern die Wanderer. Etliche Unfälle liessen sich vermeiden. Etwa indem die Leute zeitiger aufbrechen würden, sagte der SAC-Sicherheitsbeauftragte der NZZ. «Viele schlafen erst einmal aus. Wenn sie dann losmarschieren, brennt ihnen bald die Mittagssonne auf die Dächlikappe. Am Nachmittag steigt die Gefahr von Gewittern oder Steinschlägen. Die Zeit wird knapp. Eine Bergwanderung sollte bei Sonnenaufgang beginnen.»
Doch wie soll ein Wanderer bei Sonnenaufgang raus, wenn es im Hotel frühestens um 7.30 Uhr Zmorge gibt? Hungrig und durstig? Selber Proviant und Gaskocher mitbringen? Überlegen Sie mal, liebe Berg-Hoteliers.
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