Laura Koch, welchen Einfluss hat die Ernährung auf unsere Gene?
Zu einem gewissen Teil können wir sie durch die Nahrung aktivieren oder stilllegen. Dies geschieht über die Epigenetik, die der Genetik übergeordnet ist. Wären die Gene die Hardware des menschlichen Körpers, könnte man die Epigenetik als Software betrachten, welche der Hardware Anweisungen gibt – und die können wir über unsere Ernährung steuern.
Geschieht diese Steuerung ausschliesslich über die Ernährung?
Nein, wir beeinflussen die Gen-Aktivität mit unserem gesamten Lebensstil. Die Ernährung ist aber ein zentraler Faktor. Epigenetische Effekte werden durch Umwelteinflüsse ausgelöst – und der Darm ist die grösste Kontaktfläche des menschlichen Körpers mit der Aussenwelt. Während die Haut nur zwei Quadratmeter des Körpers ausmacht, ist der Darm aufgefaltet bis zu 300 Quadratmeter gross.
Welche Effekte lassen sich mit der richtigen epigenetischen Ernährung erzielen?
Grundsätzlich ein längeres und gesünderes Leben. Sie hat einen positiven Effekt auf die Zellteilung und kann verhindern, dass Zellen Schaden nehmen und früh absterben oder wuchern. Sie wirkt also auch krebspräventiv und schützt vor diversen weiteren Krankheiten. Auch sorgt eine typgerechte epigenetische Ernährung für einen klareren Geist und eine positive Grundeinstellung. Dadurch altert man weniger schnell.
«Epigenetische Effekte werden durch Umwelteinflüsse ausgelöst – und der Darm ist die grösste Kontaktfläche des menschlichen Körpers mit der Aussenwelt.»
Genetik und Epigenetik
Gene bestimmen unter anderem, wie wir aussehen, auf welche Krankheiten wir anfällig sind und regeln die Stoffwechselvorgänge in unserem Körper. Sie werden uns von unseren Vorfahren vererbt und sind nicht veränderbar. Ob diese Gene aber auch aktiv sind, wird über die Epigenetik gesteuert. Sie bestimmt mit, ob einzelne Genabschnitte ablesbar und somit in stoffwechselregulierende Proteine übersetzt werden. Dieses An- und Ausschalten wird durch Umwelteinflüsse hervorgerufen, denen der Mensch ausgesetzt ist. Die Ernährung ist dabei einer der bedeutendsten Faktoren, welcher täglich aktiv beeinflusst werden kann.
Ist eine epigenetische Ernährung kompliziert?
Überhaupt nicht – aber man muss den vielen Fertigprodukten widerstehen können.
Und stattdessen worauf setzen?
Auf eine pflanzenbasierte Ernährung mit vielen sekundären Pflanzenstoffen und guten Fettsäuren. Diese haben eine entzündungshemmende Wirkung und dadurch einen positiven Effekt auf die Epigenetik. Wie der Name sagt, sind sekundäre Pflanzenstoffe nur in Pflanzen enthalten. Einen hohen Gehalt dieser Stoffe erkennt man an intensiven Farben und Aromen. Auch die Qualität und Regionalität spielt eine zentrale Rolle. Voll ausgereifte Lebensmittel enthalten mehr dieser Schutzstoffe und gleichzeitig weniger verdauungshemmende Stoffe. Zudem weisen Studien darauf hin, dass Lebensmittel mit Bio-und Demeter-Qualität deutlich mehr der sekundären Pflanzenstoffe und eine bessere Fettqualität aufweisen als Lebensmittel aus konventioneller Landwirtschaft.
Können Sie einige Lebensmittel nennen, die uns besonders gut tun?
Wildkräuter und wilde Beeren, aber auch Kreuzblütler wie Brokkoli, Romanesco, Kohlrabi und Lauch-Gewächse enthalten viele sekundäre Pflanzenstoffe. Hochwertige Fettsäuren findet man vor allem in Baumnüssen sowie Lein- und Hanföl. Grundsätzlich sollte man immer zu dem Produkt mit der kräftigeren Farbe greifen: Also lieber Rucola- als Eisbergsalat oder rote anstatt heller Zwiebeln. Zudem multipliziert man die positive Wirkung von Nüssen, Getreiden und Hülsenfrüchten, indem man sie keimen lässt oder fermentiert. Das reduziert Stoffe, die beim Verdauen stören und setzt Mineralien und Proteine frei. Den grössten epigenetischen Effekt hat aber nicht das Essen, sondern das Fasten.
Inwiefern?
Fastenpausen beeinflussen die Darmflora und Zellbiologie auf vielfältige Weise positiv – unter anderem mit genmodulierenden und schützenden Effekten. Ideal wäre es, zwischen den Mahlzeiten drei bis fünf Stunden nicht zu snacken und nur Wasser und ungesüssten Tee zu trinken. Über Nacht sollte man 12 bis 16 Stunden fasten.
«Grundsätzlich sollte man immer zu dem Produkt mit der kräftigeren Farbe greifen.»
Auf welche Lebensmittel sollte man verzichten?
Fertigprodukte, Süssgetränke und Produkte mit vielen künstlichen Farbstoffen sind No-Gos. Genauso Lebensmittel mit schlechter Fettqualität und hohem Zuckeranteil wie beispielsweise Fertigbackwaren und Frittiertes.
Birgt der Trend der epigenetischen Ernährung auch Risiken?
Ich betrachte die epigenetische Ernährung nicht als Trend, sondern als Lebensphilosophie oder nachhaltigen Lifestyle. Im Grunde geht es darum, sich auf das Naheliegende zu besinnen. Davon sind wir in den letzten Jahrzehnten leider abgekommen. Lieber päppeln wir uns mit Superfood aus aller Welt auf, anstatt regionales Gemüse oder Wildkräuter zu essen. Wer denkt, 100 Goji-Beeren aus China seien die Garanten für ein langes und gesundes Leben, liegt falsch. Die nützen trotz ihrer gesunden Inhaltsstoffe wenig, wenn man völlig gestresst und ohne geordneten Ess- und Schlafrhythmus durchs Leben geht.
Ist ein Gentest nötig, um sich epigenetisch zu ernähren?
Im Grunde nicht. Einen positiven Effekt auf die Epigenetik haben – nebst der Ernährung und dem Fasten – ein Lebensstil mit moderater Bewegung, das Praktizieren von Selbstfürsorge und Achtsamkeit auch im Umgang mit der Umwelt sowie eine positive Grundeinstellung. Alles andere ist Fine-Tuning.
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Werden die epigenetischen Prägungen genauso wie die Gene vererbt?
Ja, die werden von beiden Elternteilen weitergegeben. Für die epigenetische Prägung sind vor allem die ersten 1000 Tage ab der Befruchtung relevant. Der Lebensstil und die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft und Stillzeit hat deshalb einen besonders starken Einfluss.
Im Grunde könnte man aber im Laufe seines Lebens selbst wieder Einfluss nehmen und vererbte negative Veränderungen zum Guten wenden, richtig?
Ja, es wird zwar ein Muster vererbt, dieses ist aber nicht in Stein gemeisselt. Mit einem gesunden Lebenswandel kann es jederzeit umprogrammiert werden. Das ist die gute Nachricht: Wir sind nicht die Sklaven unserer Gene. Nicht sie steuern uns, sondern wir sie.
«Indem wir uns epigenetisch ernähren, praktizieren wir jeden Tag Selbstliebe.»
Welche weiteren Chancen bieten Erkenntnisse aus der Epigenetik?
Indem wir uns epigenetisch ernähren, praktizieren wir jeden Tag Selbstliebe und fördern selbstwirksam unsere Gesundheit. Stehen wir in der Küche, machen wir im Grunde Medizin. Vor allem, indem wir Gewürze und Kräuter nutzen. Bereiten wir einen mediterranen Salat aus Petersilie zu und verwenden das Kraut nicht bloss als Dekoration fürs Schnitzel, tun wir unserem Körper Gutes und können die positiv programmierte Software auch an die nächste Generation weitergeben.
So gelingt die epigenetische Ernährung
Eine epigenetische Ernährung basiert auf frischen, regionalen und qualitativ hochstehenden Lebensmitteln. Industriell verarbeitete Produkte sollten vermieden werden. Besonders positive Effekte auf die Epigenetik haben pflanzliche Lebensmittel wie Wildkräuter, wilde Beeren, Knoblauch, Soja, Kürbiskerne, Lein-und Hanföl sowie Gemüse und Obst mit kräftiger Farbe. Genauso wichtig wie die Zutaten, die wir zu uns nehmen, sind aber auch Fasten-Pausen. Idealerweise trinkt man zwischen zwei Mahlzeiten drei bis fünf Stunden nur Wasser sowie ungesüssten Tee und nimmt über Nacht während 12 bis 16 Stunden keine feste Nahrung zu sich. Für die nächtliche Zellregeneration sollte man auf ein frühes (bis 19 Uhr) und leichtverdauliches Abendessen achten.