«Wandermädchen sind die neuen Pferdemädchen», kommentierte ein Bekannter kürzlich das Geschehen auf seiner Flirt-App. Was er damit meinte: Neuerdings wollen Frauen beim digitalen Balztanz als sportliche Berghasen auffallen. Davor dominierten offenbar ehemalige Wendy-Leserinnen den Dating-Pool.
«Autsch!», denkt man da. Denn: Erstens werden wir in Schubladen gesteckt. Und zweitens sind wir wohl nicht so einzigartig, wie wir dachten. Nun, liebe Männer: Ihr auch nicht! Hier kommen zehn Typen, die sich tonnenweise auf Tinder tummeln.
Setzt als Lockmittel auf Babys und Kleinkinder, deren Eltern wahrscheinlich nichts von der Dating-App-Präsenz ihres Nachwuchses wissen. Damit die potenzielle Sexpartnerin nicht vor Schreck das Weite sucht, schreibt er klar, dass das Kind nicht seines ist. Mal spielt er den Onkel, mal soll es der Spross von Freunden sein, manchmal bleibt die Herkunft des Kindes auch im Dunkeln. Wir tippen auf einen unbeobachteten Moment in einem von übermüdeten Müttern oft frequentierten Café.
Das will er uns sagen: Ich bin mega kinderlieb und erwachsen. Eine feste Beziehung will ich trotzdem nicht. Lass mich dein Götti sein! Meistens bin ich weg, aber wenn ich da bin, dann kaufe ich dir ein Glace.
Darum swipen wir links: Weil man keine unschuldigen Kinder benutzt, um an One Night Stands zu kommen!
Eng verwandt mit dem Babyflüsterer, denn auch er will mit dem Jöö-Effekt unsere Hormone in Wallung versetzen. Immerhin verletzt er dabei keine Persönlichkeitsrechte.
Das will er uns sagen: Ich bin tierlieb und kann Verantwortung übernehmen. Vielleicht will ich dich aber auch nur mit meinem pelzigen Freund um den Finger wickeln. Herausfinden musst du das bei einem Date mit mir. Denn wenn du mich im Chat danach fragst, wirst du nie eine Antwort erhalten. Wäre etwas zu einfach.
Darum swipen wir links: Ok, wir geben es zu. Auch unsere Herzen kann man erweichen. Bei süssen Hunden sind wir einfach wehrlos. Wer allerdings mit sedierten Tigern posiert – ja, das gibts! – kommt uns nicht ins Haus.
Er versteckt sein Gesicht hinter der Sonnenbrille. Wahlweise ist er auf seinen Fotos auch nur als kleiner, verschwommener Punkt zu sehen, sodass ihr beim ersten Date ganz Oldschool auf eine rote Rose als Erkennungszeichen setzen müsstet. Die Wahrscheinlichkeit einer positiven Überraschung ist ähnlich hoch wie die eines nicht aus Versehen versendeten Superlikes – also gleich Null.
Das will er uns sagen: Meine inneren Werte sollten dir viel wichtiger sein als mein Aussehen. Dass ich zu meiner Person weiter nicht viel schreibe, sollte dich nicht davon abhalten, die Katze im Sack zu kaufen. Jetzt sei nicht so oberflächlich und gib dir einen Ruck!
Darum swipen wir links: Weil die Augen der Spiegel unserer Seele sind. Ernsthaft: Ihr seid auf einer Dating-App, auf der die Optik im Fokus steht. Entweder ihr spielt das Spiel mit oder ihr lasst es einfach sein. Wir sind ja auch alle keine Supermodels – also, relax!
Eine andere Form des Versteckspiels: In seinem Profil tummeln sich so viele Gruppenfotos, dass wir gar nicht wissen, für welchen Typen wir uns hier eigentlich interessieren sollen. Besonders beliebte Sujets sind Junggesellenabschiede oder gemeinsame Wanderausflüge mit den Jungs.
Das will er uns sagen: Ich bin ein superliebenswerter Kerl und habe deshalb auch ein superaktives Sozialleben. Meine Freunde sind mir superwichtig. Mit anderen Worten: Bilde dir bloss nicht ein, dass ich superviel Zeit für dich habe.
Darum swipen wir links: Weil wir jemand Selbstbewussten suchen, der keine Wingmen braucht, um auf einer Datingplattform Kontakt herzustellen.
Auch er ist ein sehr soziales Wesen. Statt mit seinen Buddys zeigt er sich aber lieber mit anderen Frauen. Meistens sind die superhübsch und megasympathisch. «Das könntest du sein», schreibt er zu den Bildern dazu. Manchmal muss auch Mama höchstpersönlich für den Beutefang herhalten. Es ist ganz eindeutig: Zu unseren Geschlechtsgenossinnen hat dieser Mann einen richtig guten Draht.
Das will er uns sagen: Bei mir findest du immer ein offenes Ohr und ich habe Verständnis für deine Anliegen. So ganz nebenbei wollte ich dir zeigen, wie toll die Frauen in meinem Umfeld sind. Aber fühl dich deswegen bloss nicht unter Druck gesetzt!
Darum swipen wir links: Weil wir keine Lust auf eifersüchtige Ex-Freundinnen, Arbeitskolleginnen und Schwiegermütter in spe haben. Ausserdem ticken auch wir Frauen nicht alle gleich, im Fall.
Könnt ihr euch noch an «Swissdate» erinnern? In der wahrscheinlich tollsten Sendung, die jemals fürs Schweizer Privatfernsehen produziert wurde, stellten die liebeshungrigen Singles ihre Sportlichkeit beim Inlineskaten unter Beweis. Das war in den frühen 2000ern. Die Hobby-Athleten von heute zeigen sich am liebsten beim Wakeboarden oder Surfen. Dass er sich nicht nur zum Spass bewegt, beweist unser Sportler-Typ mit dem Teilnehmerfoto von seinem letzten Halbmarathon. Eine Unterart des Hochleistungssportlers ist der Fitness-Freak, der die «Ladies» in erster Linie mit Spiegel-Selfies aus der Muckibude gewinnen möchte. Der Outdoor-Freak hingegen brüstet sich mit Gipfelbildern.
Das will er uns sagen: Du suchst eine breite Schulter zum Anlehnen? Ich hab sie! Ist Teil meines Adonis-Körpers, den ich neben Bewegung an der frischen Luft auch gesunder Ernährung und einem selbstauferlegten Alkoholverbot zu verdanken habe. Mit mir kann man so richtig viel Spass haben!
Darum swipen wir links: Weil neben all dem Wassersport, dem Kraxeln und Pumpen wahrscheinlich nicht mehr so viel Zeit für Zweisamkeit bleibt.
Frauen stehen doch auf Männer mit Gitarren, oder? Glücklicherweise hat jemand ein Foto von seinem Auftritt vor sechs Jahren auf der Nebenbühne des Openair Hinterpfupfigen gemacht. Oder er hat einfach einen Screenshot aus seinem letzten YouTube-Video auf Tinder zweitverwertet.
Das will er uns sagen: Ich bin eine Künstlerseele: kreativ, leidenschaftlich, nachdenklich und vor allem sensibel. Wenn ich mal down bin, dann kann ich auch nichts dafür, bin halt zart besaitet. Bitte hab Verständnis. Wenn du ganz lieb zu mir bist, dann schreibe ich auch einen Song für dich!
Darum swipen wir links: Weil wir wirklich nicht so einfach gestrickt sind. Und weil wir alle schon mal einen Band-Typen hatten. Der Song war übrigens schrecklich.
Es ist der Moment, in dem wir uns schwören, nie wieder im Tram zu swipen: Auf unserem Handybildschirm poppt nackte Haut auf. Viel nackte Haut. Der Tinder-Algorithmus hat uns offenbar einen Möchtegern-Sexgott in den Stapel gelegt. Vielen Dank auch! Das Badezimmer-Selfie zeigt mehr, als uns lieb ist. Wobei ausgerechnet sein Gesicht auf dem Foto ausgespart ist. Weil: so viel Sixpack, so wenig Platz! Gelegentlich baut der Nacktmull auch andere sexuell konnotierte Sujets in seine Slideshow ein und informiert uns so über seine Vorlieben.
Das will er uns sagen: Mein Lieblingsautor ist Albert Camus. Ich liebe es, wie profund und gleichzeitig nonchalant er in den «Leiden des Sisyphos» den (Un-) Sinn der menschlichen Existenz auf den Punkt bringt. NATÜRLICH NICHT! Ihr wisst schon, was er will.
Wieso wir links swipen: Weil auch am Anfang von ganz unverbindlichen Geschichten ein Minimum von Anstand stehen sollte.
Sein Pool, sein Auto, sein Boot. Gerne posiert dieses Exemplar in Markenkleidern vor Statussymbolen. Ausserdem raucht es Zigarre. In weissen Klamotten. Auf Ibiza. Weil das sexy ist. In seiner Job-Beschreibung steht ziemlich sicher so etwas wie Unternehmer, CEO oder Investment Banker. Die Billig-Version des Posers ist der Loser. Er versucht mit denselben Mitteln anzugeben, bei ihm wird jedoch sehr schnell klar, dass das Leben auf grossem Fuss reines Wunschdenken ist und der Porsche auf einem fremden Parkplatz steht.
Das will er uns sagen: Ich bin erfolgreich – und zwar so richtig. Wobei Erfolg natürlich in Geld bemessen wird. Ich kauf dir alles, was du willst, Baby. Kannst aufhören zu arbeiten und dich voll und ganz aufs Schönsein konzentrieren.
Darum swipen wir links: Weil es NICHT sexy ist.
Er hat schon 57 Länder bereist, spricht 11 Sprachen fliessend und sollte eigentlich «Lonely Planet»-Autor sein, denn er entdeckt heute schon die In-Destinationen von morgen. Auf dem Velo hat er die Wüste Gobi durchquert, übernachtete dann bei Einheimischen im Dschungel von Papua-Neuguinea und ass in Peru gegrilltes Meerschweinchen. Was für ein Tausendsassa! Glücklicherweise hat er all seine krassen Abenteuer auf unbekannten Pfaden fotografisch festgehalten. In einer Kurzbio reiht er Emojis auf: Spaghetti, Wal, Sonne, Flaggen. Gaaaaanz viele Flaggen. Mol, super, danke. Jetzt wissen wir schon viel mehr über dich.
Das will er uns sagen: Ich bin weit gereist und weltoffen. Reisen bildet. Deshalb werde ich dir bei unserem ersten Treffen wahrscheinlich auch die Welt mansplainen. Und meinen ökologischen Fussabdruck damit rechtfertigen, dass ich etwas für die Völkerverständigung tue.
Darum swipen wir links: Weil wir keine Machu-Picchu-Bilder mehr sehen können. Ende. Aus. Micky Maus.