Gold Digger – so werden umgangssprachlich Frauen genannt, die mit einem Mann nur wegen seines Vermögens zusammen sind und sich finanziell von ihm aushalten lassen. Ein Artikel in der amerikanischen Harpers Bazaar dreht den Spiess um und bezichtigt Männer des Gold Diggings. Allerdings sollen die Guten nicht nach Geld oder Status, sondern nach Gefühlen und einem offenen Ohr dürsten.
Die Quintessenz des mit verschiedenen Fallbeispielen untermauerten Artikels: Toxische Männlichkeit, also das klassische Bild des starken Geschlechts, verhindert intime Beziehungen zwischen heterosexuellen Männern. Die Rechnung dafür zahlen die Partnerinnen, welche den ganzen emotionalen Ballast abbekommen.
Aber ist es wirklich so simpel? Wir haben beim Berner Paartherapeuten Dr. Klaus Heer nachgefragt.
Dr. Klaus Heer: Ja. Viele Männer haben keine Erfahrung mit der elementaren Bedeutung von Freundschaft, also von nicht-sexueller Intimität. Sie verwechseln Intimität mit sexueller Nähe. Womöglich schrecken sie vor einer zwischenmenschlichen Intensität zurück, weil sie eingeschränkt sind von hintergründigen homophoben Klischees. Sie wissen nicht, dass ein Mann ohne eine dicke Freundschaft mit einem anderen Mann zur grossen Belastung werden kann. Für seine Frau und seine Beziehung.
Innig braucht eine tragfähige Männerfreundschaft nicht zu sein. Etwas Offenheit, Mut und Humor genügen. Der Zugang von Mann zu Mann ist ebenerdiger als von Mann zu Frau. Männer reden nicht generell zu wenig. Aber sie sprechen zu wenig über das Thema: Ich brauche dich. Jetzt.
Was so gut wie nie funktioniert: gutgemeinte Ideen und Forderungen, manipulative Szenen und Ultimaten. Männer lassen sich nicht umprogrammieren auf wünschbarere emotionale Algorithmen. Frauen übrigens auch nicht. Wer sich vom Lebenspartner gefühlsmässig überfordert fühlt, muss sich Erleichterung und Empathie anderswo suchen. Will heissen, die Frau könnte sich aus der emotionalen Abhängigkeit von ihrem Mann lösen und ihr soziales Netz heranziehen, um ihrer Einsamkeit zu entgehen.
Das sollte man fürwahr. Doch die Mitteilung dieser Überforderung ist für viele Frauen bereits überfordernd; sie bringen den notwendigen Mut nicht auf. Überfordert sind auch die meisten Männer mit einer solchen Feststellung. Weil sie sie als Angriff missverstehen.
Es gibt für beide Geschlechter Themen, die zu anspruchsvoll sind, um in der Enge des eigenen Haushalts Platz zu finden. Frauen sind begabter, diese Anliegen wirklich dort zu thematisieren, wo sie offene Ohren und Solidarität finden. Es ist überflüssig, das zu bedauern.
Nein. Männer haben genauso viel «Arbeit» mit ihren Gefühlen wie Frauen. Frauen haben eine auffällig niedrigere Schwelle, wenn es darum geht, ihre Emotionen zu äussern. Besonders die «negativen» Gefühle kommen viel leichter aus ihnen heraus als bei ihren Partnern. Sie drücken Unbehagen, Ärger, Enttäuschung und Traurigkeit ungehinderter aus. Nicht immer direkt, sondern oft als Nörgeln, allgemeiner Unzufriedenheit, Löchern mit Fragen, sexueller Sperre.