Wir schreiben das Jahr 2008, als die Britin wie ein Komet einschlägt: (stimm)gewaltig, hübsch, aber ja, rund. Dem Magazin People erzählt Adele damals: «Wenn ich einen Vertrag unterzeichnen sollte, wussten die Leute in der Industrie, dass nichts zustande kommen würde, wenn sie es wagen würden, zu sagen 'Nimm ab'.» Dann kam die Welle des Erfolgs und mit ihr sicherlich Versuche, aus ihr ein starres Produkt des Pop-Biz zu machen – ein blondes, trainiertes, schlankes – eins wie alle andern. Adele kümmert es nicht, ist starkes Vorbild, macht Mut. 2012 kommt dann Karl Lagerfeld um die Ecke und nennt sie «ein bisschen zu fett». Gott habe ihn selig, aber gewisse Dinge hat Karl nie verstanden. Auch er würde nun vermutlich applaudieren, wenn er die neuesten Bilder von Rapper Drakes 33. Geburtstag sehen könnte: Adele ist schlanker als je zuvor. Hurra!
Das Gewicht als Waffe
Hurra? Das Netz steht Kopf. Und dabei ist dem World Wide Web offensichtlich schwindelig geworden. Es scheint fast, als würden alle aufatmen: endlich dünn(er)! Das schwarze Samtkleid, die Wimpern, das Strahlen – die 31-Jährige sieht zweifellos umwerfend aus. Die Medien aber schiessen Vorher-Nacher-Bilder wie Kanonenkugeln durch die Boulevardpresse und geben uns damit zu verstehen: vorher war schlechter. Sich besser zu ernähren, offensichtlich Sport zu treiben, war eine ganz tolle Entscheidung. Was aufbrandet, ist selbstverständlich Applaus. Sorge? Nein. Ging das mit dem Abnehmen nicht ein bisschen schnell? Egal.
Es prasseln Respekt-Bekundungen aufs Hause Adele nieder, vor allem auch für diesen heissen «Revenge Body» (bedeutet: aus Rache schöner werden), den sie sich da nach der Trennung von Ehemann Simon Konecki im April erarbeitet hat. Eine Scheidung ist traumatisch, die tut weh. Das ist Stress fürs Herz und meistens auch Stress für den Magen. Dürfen wir Trauer idealisieren? Und im Anschluss Fitness und Ernährung als Waffen gegen emotionale Altlasten einsetzen? Das Gewicht instrumentalisieren? Wie auch immer: Dünner ist offensichtlich immer noch schöner. In den Köpfen hat sich wenig getan.
Nun wissen wir, dass Adele bereits seit 2011 nach einer Stimmbandentzündung auf gezuckerten Tee, Alkohol, Zigaretten, Koffein und scharfes Essen verzichtet. 2016 verrät sie dem Magazin Rolling Stone, für die Tour des Albums «25» an ihrer Ausdauer zu arbeiten. Sie trainiert also nicht erst seit heute. Gut, gut. Unter ihren Post, den sie von Drakes Party aus ins Instagram-Universum schickt, schreibt sie: «Früher habe ich geweint, jetzt schwitze ich.» Sport scheint ihr gut zu tun, sie scheint so zu verarbeiten. Seit sechs Monaten macht Adele nun Reformer Pilates mit Freundin Ayda Field, ihres Zeichens Ehefrau von Robbie Williams. Verantwortlich dafür ist Personal-Trainer und Ernährungscoach Pete Geracimo, der ihr zusätzlich Cardio-Workouts und Zirkeltraining aufbrummt.
In Zeiten von Selbstoptimierung und Self Care ist das alles keinesfalls verwerflich. Nur der Winkel, aus der Adeles Veränderung gesehen wird, ist traurig. Natürlich können wir lediglich von aussen betrachten. Wie es ihr tatsächlich geht, weiss keiner so genau. Wir glauben jetzt Instagram ausnahmsweise mal. Fest steht: Adele war schön und ist schön. Dass sie durch ein vielleicht und hoffentlich bewussteres Leben an Kleidergrösse verloren hat, ist dabei vermutlich ein Bonus. Die Kirsche auf dem (von uns aus) fettreduzierten Sahnehäubchen. Denn die Sängerin ist mehr als sensationslüsterne Vorher-Nachher-Bilder.