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  4. Longevity-Expertin Nina Ruge: Wirkstoffe für gesundes Altern
Longevity-Expertin erklärt

Fünf Wirkstoffe für ein längeres und gesundes Leben

Im Alter gerät der Körper aus dem Takt. Zellen reparieren sich schlechter, der Stoffwechsel wird träger. Wer länger gesund und geistig fit bleiben will, kann gezielt gegensteuern, sagt Longevity-Expertin Nina Ruge. Das Stichwort lautet: Geroprotektoren.

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<p>Lässt sich das Altern verlangsamen? Einige körpereigene Wirkstoffe geben laut der Expertin Anlass zur Hoffnung.</p>

Lässt sich das Altern verlangsamen? Einige körpereigene Wirkstoffe geben laut der Expertin Anlass zur Hoffnung.

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Eigentlich hat unser Körper seinen Dienst getan, nachdem wir uns fortgepflanzt haben – also rein biologisch betrachtet. «Im Idealfall ziehen wir die Kinder noch gross, aber danach braucht uns die Evolution nicht mehr», sagt Nina Ruge (68), Biologin und Longevity-Expertin. Das heisst, unser Körper verliert mit dem Alter nach und nach seine Fähigkeit, sich selbst zu reparieren. Prozesse wie Zellbiologie und Stoffwechsel geraten zunehmend aus dem Gleichgewicht.

«Wer heute ein langes und vor allem gesundes Leben führen möchte, muss wissen, welche Wirkstoffe und Stoffwechselprozesse für die Gesundheit zentral sind», sagt die Expertin. Die Rede ist von Geroprotektoren, denen Ruge in ihrem neuen Buch «Ab morgen jünger! Wie wir länger jung und gesund bleiben» mehrere Kapitel widmet. Der Begriff setzt sich aus den Worten «Geron» (altgriechisch für Greis) und «Protektor» (lateinisch für Beschützer) zusammen. Geroprotektoren sollen also vor der Vergreisung schützen.

«Geroprotektoren sind kein Ersatz für ausreichend Bewegung, erholsamen Schlaf, wirksames Stressmanagement und eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung», so Ruge. Sie könnten im Alter aber eine wertvolle Ergänzung sein. Doch welche Wirkstoffe sind wirklich sinnvoll? Als Hoffnungsträger bezeichnet die Expertin folgende fünf körpereigenen Stoffe, die wichtige Funktionen haben und im Alter schleichend verloren gehen:

1. Taurin

«Die aminosäureähnliche Substanz unterstützt das Herz, das Gehirn, die Muskeln und das Immunsystem», sagt Ruge. Taurin ist dafür verantwortlich, dass Zellen besser arbeiten, Entzündungen in Schach gehalten werden und der Körper insgesamt im Gleichgewicht bleibt. Eine neue, gross angelegte Studie der Columbia University zeigt diese Effekte an Mäusen und Affen. Die Forschenden fanden heraus, dass Taurin in menschlichen Zellkulturen die Funktion von Stammzellen und Mitochondrien verbesserte sowie DNA-Schäden reduzierte. Die Expertin sagt: «Obwohl belastbare Langzeitstudien am Menschen noch fehlen, deutet vieles darauf hin, dass Menschen mit hohen Taurinspiegeln gesünder altern.»

Nina Ruge

Nina Ruge (68) ist studierte Biologin, Gründerin der Firma staYoung und Wissenschaftsjournalistin mit Schwerpunkt gesunde Langlebigkeit. Zuvor moderierte sie Formate wie das «heute journal» und «Leute heute» im ZDF. Sie betreibt den Podcast «staYoung» und hat mehrere SPIEGEL-Bestseller zur Zellbiologie des Alterns veröffentlicht. Ihr neuestes Fachbuch heisst «Ab morgen jünger! Wie wir länger jung und gesund bleiben». Für ihr soziales Engagement wurde Ruge mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

imago/Future Image

2. Kreatin

Kreatin kommt vor allem in Fleisch, Fisch und Milchprodukten vor und ist dafür bekannt, dass es die Muskeln unterstützt und die Ausdauer verbessert. Deshalb ist es als Nahrungsergänzung vor allem bei Sportlern beliebt. Doch auch im Hinblick auf gesundes Altern spielt es eine wichtige Rolle: «Kreatin hat die wichtige Aufgabe im Zellstoffwechsel, die in den Zellkraftwerken – also den Mitochondrien – produzierte Energie als Transporter aufzunehmen und dann an die Orte zu bringen, wo sie gebraucht wird», sagt Ruge. Mitochondrien sorgen dafür, dass der Körper ausreichend Energie hat für sämtliche lebenswichtige Funktionen. Kreatin hilft gemäss der Expertin deshalb besonders, die kognitiven Funktionen, also die geistige Fitness im Alterungsprozess zu bewahren, aber auch dem Muskelabbau vorzubeugen und den Herzmuskel zu stärken.

3. Coenzym Q10

Coenzym Q10 spielt eine zentrale Rolle bei der Energiegewinnung in den Zellen und wirkt gleichzeitig als Antioxidans, das die Zellen vor schädlichen freien Radikalen schützt. «Ich halte viel von Coenzym Q10», sagt Ruge, «aber man muss wissen, dass es nur eine sehr geringe Bioverfügbarkeit von etwa fünf Prozent hat.» Das bedeutet: Wird der Wirkstoff in herkömmlicher Tabletten- oder Kapselform eingenommen, scheidet der Körper den Grossteil wieder aus, ohne ihn zu verwerten. Coenzym Q10 wird in zwei Formen als Nahrungsergänzung angeboten: als Ubichinon und Ubichinol. Noch sei nicht eindeutig nachgewiesen, welche Form besser aufgenommen werden könne, so Ruge. Es seien heute micellierte, lysosomierte oder mit Cyclodextrin ummantelte Q10-Produkte im Handel, die deutlich besser «bioverfügbar» sind und somit wirksamer in den Blutkreislauf gelangen.

4. NAD+

Ein weiterer Wirkstoff, der mit dem Alter abnimmt, ist Nikotinamidadenindinukleotid, kurz NAD+. Man kann sich ihn als eine Art «Helfer-Molekül» vorstellen, das Nährstoffe in Energie umwandelt und Reparaturprozesse unterstützt. NAD+ allein kann man jedoch nicht über Tabletten oder Kapseln aufnehmen, da er zerfällt. Auch NAD+-Infusionen, wie sie aktuell von vielen Wellness-Bloggern beworben werden, seien umstritten, sagt Ruge. «Wir wissen bisher nicht, wie der Körper auf solche hohe Mengen NAD+ im Blut reagiert.» Etwa, ob sie schlafende Krebszellen aktivieren oder die Nieren belasten. Deshalb rät die Expertin allen, die sie fragen, eine Vorstufe von NAD+ einzunehmen. Die zwei bekanntesten heissen Nicotinamid-Ribosid (NR) und Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) und werden im Körper in NAD+ umgewandelt. NMN ist allerdings in Europa noch nicht zugelassen.

5. Spermidin

Spermidin fördert die sogenannte Autophagie – die Selbstreinigung der Zellen. Dabei werden überflüssige oder beschädigte Zellbestandteile abgebaut und recycelt. Besonders wichtig ist dieser Prozess in Zellen, die sich im Lauf des Lebens kaum erneuern, wie etwa Herzmuskel-, Immun-, Nieren- oder Nervenzellen. Ruge sagt: «Zwar ist Spermidin noch kein gängiges Nahrungsergänzungsmittel, doch Studien zeigen positive Effekte unter anderem auf die Gedächtnisleistung.»

Von Jana Giger am 7. Juni 2025 - 16:00 Uhr