Wie alles began
Schwindel, Übelkeit, Kraftlosigkeit – Vor gut eineinhalb Jahren überrollten mich diese Erschöpfungs-Symptome wie ein Tsunami. Aus dem Nichts war mein 26-jähriger und eigentlich fitter Körper, völlig ausser Gefecht gesetzt. Als hätte man kurzerhand einen Stecker gezogen. Bis mir bewusst wurde, dass ich dringend ärztliche Hilfe brauche, habe ich innerhalb kürzester Zeit rund 8 Kilogramm verloren und war bereits beim Treppensteigen in den ersten Stock (zum Glück war meine Wohnung nicht höher gelegen) so ausser Puste, dass mein Herz raste, sich meine Lunge zusammen schnürte. Nach jeder noch so kleinsten Speise überkam mich die Übelkeit, obwohl ich es eigentlich liebe, zu essen. Kein Wunder, dass sich mein Umfeld aufgrund meines neuen Essverhaltens durchaus skeptisch verhielt. Wohl auch, weil man mir optisch nicht viel von meinem Leiden ansah. In diesem Sommer färbte sich meine sonst sehr helle Haut (ich bin von Natur aus rothaarig) plötzlich ziemlich braun. Ein paradoxer Zufall, wie ich fand.
Mit den körperlichen Auswirkungen stieg auch die psychische Belastung. Wenn man selbst nicht einschätzen kann was man hat, wird es zunehmend schwieriger sich anderen anzuvertrauen. Der Punkt, an dem ich nicht mehr arbeiten konnte, kam schnell. Umso erleichterter war ich, als auch mein Hausarzt nach einem Bluttest erkannte: es stimmt etwas nicht. Er verwies mich umgehend an die Endokrinologie. Bis zum Termin musste ich mich eine weitere Woche durch den ziemlich eingeschränkten Alltag quälen. Gefreut habe ich mich dennoch. Immerhin würde ich endlich erfahren, was los sei. So war es auch.
Diagnose Morbus Addison: Das steckt dahinter
Nach diversen Bluttests dann der Schock: Mobus Addison a.k.a. Bronzekrankheit. Die junge Ärtzin erklärte mir, ich würde unter einer Autoimmunkrankheit leiden, die mir Energie raubt und für Hyperpigmentierung sorgt (also doch kein Zufall). Das Gute sei aber, dass es mir schon bald besser gehen würde. Was genau das alles zu bedeuten hatte, war mir in diesem Momentan nicht bewusst. Meine Aufmerksamkeit schwand, ich hörte mein Herz in den Ohren dröhnen. Zuhause angekommen, füllten sich meine Augen mit Tränen. Hatte ich Angst? War ich einfach glücklich, weil man etwas gefunden hatte? Wohl beides. In den Folgewochen erfuhr ich nach und nach, was die Diagnose «Morbus Addison» genau zu bedeuten hat. Kurz zusammengefasst: Meine Nebenniere leidet unter einer Unterfunktion. Darum bildet sie weniger vom lebenswichtigen Stresshormon Cortisol. Bleibt die Krankheit unbehandelt, kann man daran sterben. Logisch, dass eine solche Information ziemlich aufwühlt. Aber hey, immerhin lässt sich das mit der heutigen Medizin ändern. Also verschrieb mir die Ärztin eine geballte Ladung Hydrocortison. Das sollte nicht nur meinen leeren Speicher auffüllen, ich musste es seither jeden Tag zu mir nehmen. Zweimal täglich. Für immer. Würde ich mich übergeben, müsse ich ins Krankenhaus, um mir die Dosis spritzen zu lassen. Fortan schmückt dazu ein Notfallausweis mein Portemonnaie, der mir immer wieder ins Gedächtnis ruft: Die Lage ist ernst.
Das Leben danach
Nach ein paar Wochen Auf und Ab waren meine Medikamente richtig eingestellt. Neben meinem Lebensgeist kam auch der Appetit zurück. Keine Frage, ich fühle mich heute viel gesünder und bin unendlich dankbar, dass man die Ursache meiner plötzlichen Symptome gefunden hat. Ob ich wieder die Gleiche wie vorher bin? Nein. Neben der immer wieder aufkommenden Frage «Warum ich?» brauche ich heute deutlich mehr Ruhe. Nach Phasen von (emotionalem) Stress, fühle ich mich körperlich schwach. Meinem alten Leben entspricht das wenig. Früher kannte ich keine Pausen. Ich mochte es, ständig auf Achse zu sein und etwas zu erleben. Heute muss ich viel mehr Zeit mit mir selbst verbringen, um neue Energie zu schöpfen. Streitsituationen werden für mich zur Qual. Meine Emotionen sind stärker, der Tränenkanal voller. Auch was meine Ausdauer betrifft, bin ich nicht ganz da, wo ich einmal war. Treppensteigen, Fahrradfahren, Pilates und Yoga – all das ist kein Problem. Doch geht es länger bergauf, bleibt meine Luft auch heute noch weg. Ich schäme mich. Vor mir selbst, vor anderen. Statt etwas zu sagen, beisse ich mich in solchen Momentan oft einfach durch, obwohl ich weiss, dass es mir nicht guttut. Wieso es mir so schwer fällt, mich zu öffnen? Ich will nicht als die «Kranke» gelten. Das ständige Gefühl, niemand auf der Welt versteht mich, machts nicht besser. Nicht falsch verstehen, mein soziales Umfeld ist mehr als verständnisvoll. Aber ob jemand wirklich nachvollziehen kann, wie ich mich fühle? Unwahrscheinlich.
Was ich mir für die Zukunft wünsche
Bei Morbus Addison handelt es sich um eine sehr seltene Hormonstörung. Dennoch möchte ich mehr Bewusstsein dafür schaffen. Betroffene werden nach der Diagnose von der Schulmedizin schnell allein gelassen. Klar, einem wird in Form von Tabletten und Nachkontrollen geholfen. Aber woher die Immunschwäche stammt? Das konnte mir in der Endokrinologie bisher niemand erläutern. Ebenso wenig wie, welche Schicksale andere Patien*innen mit Morbus Addison erleben. Mit diesem Artikel möchte ich Betroffenen, wie mir, helfen. Dabei, sich verstanden zu fühlen und sich endlich zu öffnen. Auch wenn uns die heutige Gesellschaft oft etwas anderes vermitteln möchte, für Schwäche muss sich niemand verstecken.
Je länger ich persönlich mit Morbus Addison lebe, desto mehr verstehe ich, was mein Körper wirklich braucht. Es hat mich zum Umdenken inspiriert. Ich lebe seither viel bewusster, geniesse die schönen Momente und weiss, dass auch die schlechten vorübergehen. In dem Glaube, früher oder später einen Ausgleich zu den täglichen Tabletten zu finden, werde ich in Zukunft vermehrt auf ganzheitliche Therapien setzen. Wer weiss, vielleicht öffnet mir das einmal mehr Türen, von denen mir nicht bewusst war, dass es sie überhaupt gibt.
Ihr leidet ebenfalls unter einer Autoimmunkrankheit und vielleicht sogar an Morbus Addison? Teilt euer Schicksal und meldet euch bei Redaktorin Denise in den Kommentaren.