Vor einiger Zeit war ich mal wieder beim Arzt. Der übliche Check-up war fällig. Im Ärztezentrum angekommen hörte mich der Doktor ab, entnahm Blut und so weiter – aber ihr wisst ja, wie das läuft. Wie immer, ging ich nach der Routineuntersuchung zufrieden nach Hause, um auf das Ergebnis zu warten. Und dann das: Diagnose Vitamin-B12-Mangel. So banal, wie sich das zuerst anhörte, war es letztendlich leider nicht.
Was folgte waren vier Vitamin-B12-Spritzen, über vier Wochen verteilt. Zum Glück habe ich keine Angst vor den spitzigen Injektionen und falle nie in Ohnmacht – dachte ich. Als ich die erste Spritzen-Session hinter mir hatte und der Ärztin schon «Ade, bis zum nächsten Mal» zurufen wollte, kippte ich um und die Praxisassistentin sprang wie ein Känguru über den Schalter, um mich aufzufangen und sanft auf den Boden zu legen (an dieser Stelle nochmal danke für den sportlichen Einsatz). Lange Rede kurzer Sinn: Die lebenswichtige Vitamin-Zufuhr ist nicht zu unterschätzen.
Vitamin B12 wird vom Körper nicht selbst hergestellt
Ja, so eine Ladung voller B12 kann ganz schön viel mit unserem Körper anstellen. Aber wo hat die Ärztin mir eigentlich genau in den Arm geschossen? «Man spritzt das Vitamin in der Regel in einen Muskel, damit der Körper es nicht auf einmal sonder nach und nach aufnehmen kann. So wird es unter anderem in der Leber gespeichert und der Körper kann sich über mehrere Monate hinweg damit versorgen», erklärt Dr. med. Johannes Gutwald, Präventionsmediziner, Hautarzt und Allergologe im Arzthaus Zürich.
Klingt gut. Bin ich jetzt geheilt? «Geheilt kann man nicht sagen, denn die Speicher sind irgendwann aufgebraucht. Die Frage ist, wo die Ursachen für den Mangel liegen und ob diese aufgeklärt und behoben werden können», erklärt Dr. med. Gutwald und rattert eine ganze Liste von Ursachen eines Mangels herunter. Beispiele gefällig? Magenfunktionsstörungen, Medikamente, erhöhter Bedarf (z.B. während einer Schwangerschaft) oder eine Störung der Vitamin-Aufnahme im Dünndarm. Die häufigste Ursache? Eine unzureichende Zufuhr.
Alles eine Frage der Ernährung
Das Ganze ist aber gar nicht so leicht: «Vitamin B12 kann von unserem Körper nicht selbst hergestellt werden. Wir sind deshalb auf die Zufuhr über die Nahrung angewiesen», meint der Doktor. Das Problem fällt also, wie so oft, auf unsere Ernährungsweise zurück. Besonders gefährdet seien Vegetarier und Veganer, weil das Vitamin vor allem in Fleisch, Fisch, Milch und Käse vorhanden ist.
Na gut, aus dieser Risikogruppe kann ich mich ausschliessen. Da aber nicht nur Vegetarier und Veganer betroffen sind, betont Dr. med. Gutwald, der sich übrigens selbst vegetarisch ernährt: «Es ist wichtig sich ausgeglichen zu ernähren.» Für uns bedeutet das: Weniger Stärke (Tschüss Pasta, Pizza, Brot, Kartoffeln und Reis), mehr Ballaststoffe (Hallo Obst, Gemüse, Nüsse, Salat und Hülsenfrüchte). Der Grund? Ballaststoffe erhalten die Darmgesundheit und die Fähigkeit, mit der Ernährung zugeführte Vitamine tatsächlich aufzunehmen.
Wenn ich nun aber (gefühlt) alles richtig mache, wie merke ich dann, dass ich einen Mangel habe? «Die Symptome eines Mangels entstehen langsam und man bemerkt sie erst nach langer Zeit.» Die Folge: Müdigkeit, Gleichgewichtsprobleme, Blutarmut, Gedächtnisverlust, erschwertes Urteilsvermögen, Taubheit in Händen, Beinen und Füssen sowie Konzentrationsschwierigkeiten – und das alles nur wegen eines Vitamins?
Vitamin B12 ist lebenswichtig. Ich wiederhole: Lebenswichtig.
Dr. med. Gutwald klärt mich auf, dass es sich hier nicht um irgendein, sondern um ein lebenswichtiges Vitamin handelt. «B12 wird für die roten Blutkörperchen gebraucht, ist wichtig für die Nerven und das Erbgut, damit die Zellteilung und Aminosäure-Verarbeitung funktioniert.» Heisst übersetzt: Vitamin B12 ist wichtiger Bestandteil der Blutbildung, unterstützt das Nervensystem und hilft beim Aufbau unserer DNA.
Fakt ist also: Vitamin B12 ist für unseren Körper lebenswichtig. Mit einer ausgewogenen Ernährung habt ihr aber, wenn im Darm alles in Ordnung ist, kein Grund zur Sorge. Vegetarier und Veganer sollten dennoch regelmässig ihren Blutspiegel testen lassen. So kann der Hausarzt sehen, ob eine zusätzliche Vitamineinnahme nötig ist. Aber keine Panik: Spritzen sind nicht mehr zwingend notwendig, denn es gibt mittlerweile gute Vitamin B12-Tabletten (die nimmt übrigens auch Dr. med. Gutwald).
Tja, hätte ich das alles mal vorher gewusst. Aber zugegeben: Ich habe dieses Vitamin ziemlich unterschätzt. Ihr auch? Na dann wollen wir uns mal ran an die Ernährung machen, bevor uns plötzlich der Gedächtnisverlust droht. Und wenn gar nichts mehr hilft, gibt es zum Glück noch die Vitamin-Tabletten. Oder eben Spritzen.