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Fehldiagnosen und falsche Behandlungen

Wichtige Experten-Tipps zum Thema Eisenmangel

Eine Studie von PD Dr. Patricia Blank, Lehrbeauftragte an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich, offenbart, wie stark Eisenmangel in der Schweiz immer noch bagatellisiert wird.

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Eisenmangel

Unerklärliche Müdigkeit und Erschöpfung können auf einen Eisenmangel hinweisen.

iStock Photo

Obwohl Eisenmangel weitverbreitet ist, wird er häufig nicht erkannt: Es ist eine der am meisten verkannten Diagnosen überhaupt. Dr Med. Samuel Stutz hat bei PD Dr. Patricia Blank nachgefragt, wie das sein kann – und was die Folgen sind.

Dr. Med. Samuel Stutz: Wie weit verbreitet ist Eisenmangel unter Frauen?
PD Dr. Patricia Blank: Symptomatischer Eisenmangel ist eine Erkrankung, die ungefähr 10 bis 20 Prozent der menstruierenden Frauen betrifft. In der Schweiz gibt es leider keine genauen Zahlen zur Häufigkeit der Erkrankung. In unserer Studie haben fast 10 Prozent der Frauen zwischen 18 und 50 Jahren angegeben, dass bei ihnen in den vergangenen zwei Jahren mit einem Bluttest ein Eisenmangel diagnostiziert wurde.

Ist Eisenmangel bloss eine Modediagnose oder eine Krankheit?
Eisenmangel ist eine ernsthafte Erkrankung, die nicht nur negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der betroffenen Frauen hat, sondern auch auf die Volkswirtschaft. In unserer Studie waren 29 Prozent der Frauen für durchschnittlich 11,8 Tage arbeitsunfähig wegen Erschöpfung oder Konzentrationsschwierigkeiten.

Ihre Studie offenbarte, dass rund ein Drittel der betroffenen Frauen zuerst nicht die richtige Diagnose erhielt. Woran liegt das? Es braucht ja lediglich eine Blutentnahme, um die korrekte Diagnose zu stellen!
Das ist richtig, aber es muss auch der richtige Bluttest durchgeführt werden. Ein Verdacht auf Eisenmangel liegt vor, wenn die Patientin unter für Eisenmangel typischen Symptomen leidet und gleichzeitig der Ferritinwert bei normalem Hämoglobinwert tief ist.

Was sind die typischen Fehldiagnosen bei Eisenmangelsymptomen?
Häufig werden bei den betroffenen Frauen andere Erkrankungen diagnostiziert wie Depressionen, Burnout, Angststörungen oder auch chronische Müdigkeit.

Welche ökonomischen Folgen haben diese Fehldiagnosen?
Je nach Fehldiagnose verursacht die Therapie direkte medizinische Kosten von 1000 Franken für chronische Müdigkeit und bis 5000 für Depressionen. Berechnet man diese Zahlen für die gesamte Schweizer Bevölkerung, liegen die Kosten bei 2,4 Millionen Franken für chronische Müdigkeit und bis 66 Millionen für Depressionen. Das sind wohlgemerkt nur die direkten Kosten.

Die Behandlung, speziell jene mit Infusionen, steht unter Beschuss. Wie ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieser Therapie?
Frauen mit Eisenmangel sollten in erster Linie mit Eisenpräparaten zum Schlucken behandelt werden. Leider ist es so, dass diese Therapie nicht bei allen hilft oder teilweise zu Nebenwirkungen führt, vor allem zu Verstopfung. Die Eiseninfusionen sollten erst als Zweitlinien Therapie angewendet werden. In einem Bericht von 2015 wurde gezeigt, dass die intravenöse Therapie einen schnelleren und stärkeren Effekt auf den Eisenstoffwechsel – Hämoglobinkonzentration, Ferritin, Transferrin – hat, besonders bei einem symptomatischen schweren Eisenmangel. Deshalb sollten Eiseninfusionen zielgerichtet bei Frauen mit schwerem Eisenmangel eingesetzt werden. Dort zeigen sie eine gute Wirkung. So sind auch die höheren Kosten im Vergleich zu einer oralen Therapie gerechtfertigt.

Was soll eine Frau machen, die aus unerklärlichen Gründen immer müde ist?
Am besten zum Hausarzt gehen, ihre Symptome beschreiben und sagen, welches ihre Ernährungsgewohnheiten sind, ob sie starke Menstruationsblutungen hat etc. Zusammen mit der Labordiagnostik lässt sich so eine klare Diagnose stellen.

Leidet ihr unter Eisenmangel? Erzählt uns, ob bei euch gleich die richtige Diagnose fiel.

Von Dr. Samuel Stutz am 21. September 2020 - 16:07 Uhr