Während die einen Eis und Schnee nicht vom Laufen abhält, nutzen andere den Winter als Ausrede, um das Joggen in der Natur ausfallen zu lassen. Dabei kann regelmässiges Rennen jetzt «durchaus gesund» sein, weiss Prof. Dr. med. Sven Ostermeier, leitender Orthopäde und Sportmediziner der Gelenk-Klinik Gundelfingen. Der Experte erklärt, inwiefern wir damit unserem Immunsystem auf die Sprünge helfen und was wir beim Joggen im Winter beachten sollten.
Ist Joggen im Winter gesund oder eher schädlich für unseren Körper?
Prof. Dr. med. Sven Ostermeier: Regelmässiges Rennen im Winter ist durchaus gesund. Die Bewegung an der frischen Luft stärkt das Immunsystem und senkt das Erkältungsrisiko – unabhängig von der Jahreszeit. Zudem ist ausreichende Bewegung geradezu ein Lebenselixier für unsere Gelenke und der beste Schutz vor Arthrose. Verzichten sollte man darauf, wenn die Temperaturen unter minus zehn Grad sinken. Denn bei extremen Minusgraden werden Bänder, Sehnen und Muskeln nicht ausreichend durchblutet. Diese sind somit weniger elastisch und anfälliger für Verletzungen.
Worauf sollten Joggende im Winter besonders achten?
Besonders wichtig ist gerade im Winter ein intensives Aufwärmtraining mit Koordinationsübungen, Schulterkreisen etc. Dies verhindert Zerrungen oder Schäden an den Gelenken. Denn bei Kälte verkrampfen unsere Muskeln und sind daher besonders anfällig für Verletzungen. Ausserdem benötigt der Körper nun längere Zeit, um auf die richtige Betriebstemperatur zu kommen. Dabei sollten Dehnübungen nach dem Laufen generell stets drinnen ablaufen. Das schützt Bänder und Muskeln. Zudem sinkt das Risiko einer Erkältung durch Auskühlen.
Wie können Jogger*innen Verletzungen vermeiden?
Anfänger*innen sollten vor allem auf den richtigen Laufstil achten. Häufige Fehler sind zu grosse Schritte, die einen selbst ausbremsen, oder etwa ein stark nach vorne gebeugter Oberkörper. Nicht unerheblich ist auch der richtige Untergrund: Bei Asphalt zum Beispiel fehlt der Federeffekt, was die Kniegelenke stark belastet. Wer trotzdem in der Stadt läuft, der sollte momentan natürlich ganz besonders auf den erforderlichen Abstand zu den Massen anderer Laufbegeisterter achten.
Geht es zum Rennen in den Wald, so können hier Wurzeln leicht zum Umknicken führen. Perfekt wäre ein Feldweg, der Federung bietet, aber nicht zu viele Hindernisse bereithält. Dabei sollte man nicht einfach los spurten bis zum Schnaufen und bei Fieber oder Infektionen lieber ganz aufs Laufen verzichten. Ist es hingegen nur ein harmloser Schnupfen, so spricht nichts gegen etwas Bewegung an der frischen Luft.
Wer im mittleren Lebensalter oder noch später ein Lauftraining beginnt, sollte besonders achtsam sein. Ratsam ist insbesondere anfangs der kontinuierliche Trainingswechsel vom Laufen ins Gehen. Zuvor bitte nicht das Aufwärmen vergessen – und auch danach stets die Muskeln sanft dehnen: erst Waden, dann Unter- und Oberschenkel.
Und noch ganz wichtig vor dem Start: der Kauf passender Laufschuhe, die den Fuss gut führen und Verletzungen der Bänder und Gelenke durch Umknicken vorbeugen. Hier besser nicht auf den Preis, sondern auf die Qualität achten.
Welche Kleidung ist zum Joggen im Winter noch geeignet?
Um gegen Erkältungen gewappnet zu sein, mummeln sich viele Läufer*innen regelrecht ein – und tun sich damit nichts Gutes. Denn ziehe ich mich zu warm an, so kommt es gegebenenfalls zu einer Überhitzung. Ideal ist deshalb das Zwiebelprinzip, also mehrere dünne atmungsaktive Kleidungsstücke, die übereinander getragen werden. Steigen die Temperaturen, so lässt sich das Outfit flexibel und schnell anpassen.
Wichtig ist grundsätzlich wettergerechte Funktionskleidung, also wasserabweisende Jacken, wasserfeste Mützen und Laufschuhe. Diese sollten ein gutes Profil haben, um ein Ausrutschen auf dem nassen Laub zu verhindern. Damit die Hände bei niedrigen Temperaturen nicht auskühlen, empfiehlt sich bei Kälte das Tragen atmungsaktiver Handschuhe. Und nach dem Laufen sollte umgehend die verschwitzte Kleidung gewechselt werden, um ein Auskühlen zu vermeiden. Ein nützliches Accessoire beim Laufen im Dämmerlicht ist eine Stirnleuchte. Diese verbessert die Sicht erheblich. Ausserdem sorgen Reflektoren dafür, dass Läufer besser erkennbar sind.
Wie oft sollten wir im Winter joggen gehen?
Vor allem für Anfänger*innen ist tägliches Joggen grundsätzlich zu viel des Guten. Nicht nur der Kreislauf sollte sich langsam an das Training gewöhnen. Auch Gelenke, Bänder und Sehnen benötigen einige Zeit, um sich den neuen Belastungen anzupassen. Anfänger sollten deshalb nicht mehr als dreimal die Woche joggen und die Dauer langsam steigern. Studien haben gezeigt, dass bereits 10 oder 15 Minuten joggen mehrmals die Woche den Kreislauf auf Trab bringen, vor Herzerkrankungen schützen und somit die Lebenszeit wesentlich verlängern können.
Selbst für trainierte Freizeitsportler*innen stellt tägliches Joggen eine Herausforderung für Bänder, Sehnen und Gelenke dar. Betroffen sind insbesondere die Knie, die sehr häufig in Folge eines zu intensiven Trainings schmerzen. Mein Rat: Joggen Sie höchstens dreimal die Woche und steigern Sie das Tempo ganz behutsam. Wer es langsamer angehen lässt, der fördert sein gesundheitliches Wohlergehen auf schonende Weise.
Durch die Anstrengung beim Laufen atmen wir mehr und intensiver ein. Ist die kalte Luft schädlich für die Lunge?
Nein, auch bei Minusgraden sind keine Vereisungen der Lunge zu befürchten. Mein Tipp: Beim winterlichen Joggen immer durch die Nase atmen und nicht durch den Mund. Anderenfalls können die Schleimhäute austrocknen, was Viruserkrankungen fördert.