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Breast Care Nurse erzählt

«Herzlichkeit ist mir wichtig»

Seit sieben Jahren begleitet Pflegefachfrau Sabina Fischer Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind. Eine Arbeit mit Hochs und Tiefs, die ihr stets aufzeigt, was wirklich im Leben zählt.

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Pink Ribbon, Besuch Breast Care Nurse, Sabina Fischer im Brustzentrum in Cham, 17. August 2023 mit Patientin Barbara

Sie schenkt den Patientinnen Zuversicht, auch in Situationen, die nur schwer auszuhalten sind: Sabina Fischer im Brust-Zentrum der Hirslanden Andreas klinik. Das Herzkissen symbolisiert Solidarität.

Fabienne Bühler
Aline
Aline Spescha

Sabina Fischer ist ein Morgenmensch. Um 05:45 Uhr steigt sie auf ihr E-Bike, um ins Brust-Zentrum an der Hirslanden Andreasklinik Cham Zug zu fahren. Die 59-Jährige geniesst die frische Luft, die ihr ins Gesicht weht.

Ein Tag voller Termine

Um sieben Uhr steht der erste Termin an: die Tumorbesprechung, auch Tumorboard genannt. Anwesend sind Onkolog*innen, Gynäkolog*innen, Radiolog*innen, Patholog*innen, Radioonkolog*innen sowie eine Datenmanagerin. «Jeder Fall ist anders, da gibt es kein Schema X. Deshalb ist die Tumorbesprechung wichtig», erklärt Fischer. Nachdem die Besonderheiten des Falls und die Therapieempfehlungen besprochen sind, gehts für sie ins Büro.

Die dreifache Mutter arbeitet seit 25 Jahren in der Pflege, ist ausgebildete Pflegefachfrau HF mit Nachdiplomstudium in Intensivpflege. Mit 50 liess sie sich zur Breast Care Nurse weiterbilden. «Jetzt berate ich Brustkrebs-Patientinnen.» Durch das Fenster in ihrem Büro hat Sabina Fischer Blick auf die Innerschweizer Bergwelt mit dem Pilatus. Blumen aus ihrem Garten verzieren den Raum, in dem auch die Gespräche mit den Patientinnen stattfinden. «Es soll eine angenehme Atmosphäre sein», denn: «Hier sind schon viele Tränen geflossen.» 

Neuaufnahme einer Patientin

Um kurz nach neun Uhr steht die Neuaufnahme einer Patientin in der Klinik an. Anwesend ist der behandelnde Onkologe, Meinrad Mannhart. Gemeinsam mit der Patientin wird zu dritt festgelegt, was individuell für sie wichtig ist und welche Bedürfnisse sie hat. Nach der Anamnese werden die Therapieoptionen besprochen, und anschliessend bekommt die Patientin das Aufklärungsprotokoll. Etwa die Hälfte aller Krebserkrankten kommt alleine. «Da wird die Anwesenheit der Breast Care Nurse geschätzt», so Sabina.

Pink Ribbon, Besuch Breast Care Nurse, Sabina Fischer im Brustzentrum in Cham, 17. August 2023 mit Patientin Barbara

Beim Erstgespräch mit dem Arzt dabei: Breast Care Nurse Sabina Fischer hört zu und berät die Patientin bei Unklarheiten.

Fabienne Bühler
Jährlich 6500 neue Fälle von Brustkrebs

Nach dem Erstgespräch erläutert Fischer der Patientin die Unterstützungsangebote, welche die Breast Care Nurse anbieten kann. Dazu gehören emotionale Angebote durch Netzwerkpartner wie Zweithaarberatung, Ernährungsberatung, Physiotherapie, Narbentherapie und auch Komplementärmedizin.

Zwischendurch bleibt Zeit für einen kurzen Austausch mit Pflegefachfrau Christina Bischofberger. Mit ihr bespricht Sabina Fischer nicht nur die Patientenfälle, sondern auch, wie sie als Pflegende damit umgehen. Jedes Jahr gibt es in der Schweiz 6500 neue Fälle von Brustkrebs bei Frauen und etwa 50 bei Männern. Brustkrebs ist bei Frauen die häufigste Form von Krebs.

Pink Ribbon, Besuch Breast Care Nurse, Sabina Fischer im Brustzentrum in Cham, 17. August 2023 mit Patientin Barbara

Oft im Austausch: Pflegefachfrauen Christina Bischofberger (r.) und Sabina Fischer.

Fabienne Bühler
Chemotherapie, OP und Bestrahlung

Sabina Fischer muss weiter. Sie trifft die 76-jährige ambulante Patientin Sonia Lienhard. Im Juni 2022 bekam sie die Diagnose. Dann ging es schnell: Chemotherapie, damit der Tumor schrumpft, die OP im Oktober und danach die Bestrahlung. Ein wichtiger Akt nach der OP: die Übergabe eines Herzkissens. Es vermittelt symbolisch ein Zeichen der Solidarität und wird im Anschluss an die Operation unter dem Arm getragen. Die Form erleichtert die Lagerung des Arms, bietet Linderung bei Narbenschmerzen, Lymphschwellungen und Druckstellen. Sonia Lienhard konnte wie vier von fünf Frauen brusterhaltend operiert werden. Trotzdem: Die Chemotherapie war happig. Umso dankbarer ist sie für die Unterstützung durch Sabina Fischer. «Jetzt gehts wieder aufwärts», so Lienhard.

Pink Ribbon, Besuch Breast Care Nurse, Sabina Fischer im Brustzentrum in Cham, 17. August 2023 mit Patientin Barbara

Breast Care Nurse Sabina mit Patientin Sonia Lienhard.

Fabienne Bühler
«Ich bin nicht krank, ich habe nur Krebs»

Mit ihrer optimistischen Einstellung hat sie schon manche Herausforderung gemeistert. «Ich bin nicht krank, ich habe nur Krebs», bekräftigt Patientin Lienhard. Nach der Diagnose habe Fischer genau gewusst, was zu tun sei, erinnert sie sich. Der Beistand der Pflegefachfrau ging über praktische Ratschläge hinaus. «Sie stand mir auch psychisch bei. Ich konnte meinen Ballast bei ihr abladen.» Oft griff Sonia Lienhard zum Telefon, um Rat zu holen oder einfach mal ihr Herz auszuschütten. «Es ist wichtig, dass man in dieser Zeit eine Ansprechperson für emotionale, aber auch fachliche Fragen hat», ergänzt Fischer. Nach rund einer Stunde ist der Termin zu Ende. Die beiden verabschieden sich mit einer sanften Berührung an der Schulter.

Krebsrisiko steigt ab 50 stark an

Sabina Fischer geht zurück ins Büro. «Aktuell behandeln wir etwa 30 Brustkrebspatientinnen, 20 von ihnen sind unter 50 Jahre alt.» Die stationären Patientinnen bleiben jeweils nur zwei Tage für die OP im Spital. Das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, steigt ab 50 Jahren deutlich an, ein Viertel der Betroffenen ist zum Zeitpunkt der Diagnose aber jünger als 50. Je früher Brustkrebs erkannt wird, desto besser stehen die Chancen auf Heilung. Entsprechend wichtig ist die individuelle Prävention: Je nach familiärer Vorbelastung können eine genetische Untersuchung und/oder regelmässige Mammografien Aufschluss geben. 

Trotz erschütternden Schicksalen zuversichtlich

Am Mittag geniesst die Breast Care Nurse gerne einen Moment der Ruhe und die Stille in ihrem Büro, bevor sie die Nachmittagstermine und -aufgaben wahrnimmt. Woher nimmt sie ihre Zuversicht? «Ich bin dankbar für das Leben, für die Gesundheit, und für die Familie. Zu sehen, dass kranke Menschen es schaffen, einen Lebenssinn und Lebensqualität beizubehalten, motiviert mich und zeigt, dass das Leben auch mit Einschränkung lebenswert ist.» 

Und doch ist auch Sabina Fischer schon an ihre Grenzen gekommen. «Wenn junge Frauen mit Kleinkindern oder mit Kinderwunsch betroffen sind, dann belastet mich das sehr.» Zu Hause spreche sie nicht über die Schicksale in der Klinik. Sie untersteht der Schweigepflicht. Über Belastungen aus dem Arbeitsalltag tauscht sie sich mit Kolleginnen auf der Station aus. «Ich habe auch die Pflicht, acht Stunden Supervision pro Jahr in Anspruch zu nehmen.» Ein letztes Mal an diesem Tag klingelt ihr Telefon wegen einer anstehenden Behandlung. Dann gehts für Sabina Fischer wieder auf ihr E-Bike Richtung nach Hause. An der frischen Luft kann sie abschalten.

Von Aline Spescha am 20. September 2023 - 09:00 Uhr