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Beliebtestes Genre der Schweiz

Heilt Hip-Hop Depressionen?

Der Jahresbericht des Streaming-Giganten Spotify ist da. Wieder mal das mit Abstand beliebteste Musik-Genre der Schweiz? Hip-Hop. Um genauer zu sein: Deutsch-Rap. Warum das vielleicht gar nicht so besorgniserregend ist, wie es sich anhört?

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capital bra

Rapper Capital Bra, bürgerlich Vladislav Balovatsky, ist 2019 laut Spotify der meist gehörte Musiker der Schweiz.

instagram/capital_bra

Die Grosseltern schwangen ihre Hüften zum revolutionierenden Rock’n’Roll, unsere Eltern rebellierten mit Punk und Rock. Und wir? Tja, wir hören am liebsten Capital Bra. Einen Deutsch-Rapper, der sich mit Lines wie

«Sie hab'n gesagt, ich wär ein Junkie, der sein Cash verballert
Dieser Junkie, der die Vorstadtvilla Cash bezahlt hat
Sie hab'n gesagt, sie woll'n mich ficken, wenn ich nicht bezahle»

ganz oben in den nationalen Charts festbeisst. Wie beliebt der Rapper wirklich ist, bestätigt jetzt der Streaming-Dienst Spotify mit seinem alljährlichen Bericht. Ganz offiziell ist der geborene Russe, dichtgefolgt von Rapper RAF Camora, nämlich der meistgehörte Artist des Landes. Ja, gut. Das klingt jetzt ganz schön ernüchternd. Während früher zu geistreichen Hits übers Parkett gefegt wurde, dröhnen wir uns heute überall via Air Pods die Worte «Nutte» und «Ficken» in die Ohrmuschel.

Hip-Hop als Therapiemittel

Doch irgendwo, tief im Inneren, muss Rap uns doch mehr geben als nur neuen Stoff für unser Schimpfwort-Vokabular. Oder sind wir heute tatsächlich so einfach gestrickt? Bratan (beliebter Ausdruck im Deutsch-Rap, z.Dt.: Bruder) sei Dank, wir sind es nicht.

Denn wenn es nach Becky Inkster, Neurologin und Professorin der Cambridge University geht, fördert das Genre unsere mentale Gesundheit. Mit «Hip Hop Psych» hat sie gemeinsam mit der Universität eine Organisation ins Leben gerufen, die Musik als Therapiegegenstand nutzt. Wie es der Name schon vermuten lässt, behandelt sie ihre Patienten insbesondere mit Rap-Zitaten. So erklärte sie dem Guardian:

«Hip-Hop hat so viel mehr zu bieten, als es die Gesellschaft realisieren mag.»

Weiter führt sie aus, dass die Musik vor allem depressiven Menschen helfe, die aus schwierigen Verhältnissen stammen. Grund dafür seien laut Inkster die gesellschaftskritischen Texte: «Hip-Hop und insbesondere Rap, beinhaltet oft versteckte Aussagen, die viel komplexer sind, als allgemein angenommen wird.» Genau das mache Rap-Musik für sie zum idealen Medium, um Menschen zu helfen, ihre eigenen psychischen Probleme zu verstehen und Wege zu finden, mit ihnen umzugehen.

Rap ist der neue Blues 

Und siehe da, auch in den Lyrics des vermeintlichen Gangsters Captial Bra verstecken sich mit «Ich will zeigen, was ich fühle, doch ich kann's nicht» oder «Baby, lass mich nicht allein, lass mich nicht allein» jede Menge Unsicherheiten.  

Ist Spotifys Jahresbericht am Ende dann nur ein Hinweis darauf, dass wir eigentlich alle total kaputt sind? Nein. Denn neben belanglosen Gute-Laune-Hits, hört der Mensch nun mal schon immer gern unbewusst Trübes, um eigene, negative Gefühle verarbeiten zu können. Und was einst durch Rock-Balladen und Blues passierte, findet bei der Mehrheit der Schweizer halt heute durch Bra, Camora oder Loredana statt.   

Von Denise Kühn am 5. Dezember 2019 - 19:09 Uhr