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Sex, sexy, Sexismus bei Olympia

Das deutsche Team gegen zu viel nackte Haut

Das deutsche Kunststurnerinnen-Team um Trainerin Ulla Koch trat bei Olympia in Ganzkörperanzügen an – und damit gegen Sexualisierung in ihrer Berufung. Auch Schweizer Athletinnen haben sich schon dafür ausgesprochen. Es ist ja auch lange an der Zeit.

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TOKYO, JAPAN - JULY 25: (L-R) Sarah Voss, Pauline Schaefer-Betz, Elisabeth Seitz and Kim Bui of Team Germany look on during Women's Qualification on day two of the Tokyo 2020 Olympic Games at Ariake Gymnastics Centre on July 25, 2021 in Tokyo, Japan. (Photo by Jamie Squire/Getty Images)

Das deutsche Quartett mit Sarah Voss, Pauline Schaefer-Betz, Elisabeth Seitz und Kim Bui verpasste am Sonntag (25. Juli 2021) das Finale der besten Acht. Seitz qualifizierte sich für ein Einzel und – wie Bui – für das Mehrkampf-Finale.

Getty Images

Am Dienstagabend japanischer Zeit werden die deutschen Turnerinnen nicht dabei sein. In der Qualifikation für den Teamwettbewerb verpassten Elisabeth Seitz, Kim Bui, Sarah Voss und Pauline Schäfer den Einzug ins Finale. Einen bleibenden Eindruck hinterliessen sie dennoch. Die vier betraten den Saal in Ganzkörperanzügen. Weisse Ärmel. Rote Hosenbeine. Nicht wie normalerweise turnten sie in badeanzugartigen Kleidern. 

Die Botschaft: Den Mut zu haben, eigene Entscheidungen zu treffen. Und sie richtete sich gegen die Sexualisierung von Frauen im Sport. Im März an der Leichathletik-EM taten sie das auch schon. Denn die üblichen Anzüge seien schon länger unangenehm, zitiert ZDF online Sarah Voss. «Wir möchten auch dem Nachwuchs damit eine Möglichkeit aufzeigen, wie sie sich auch in einer anderen Bekleidungsform ästhetisch präsentieren können, ohne sich bei bestimmten Elementen unwohl zu fühlen.»

epaselect epa09149015 Germany's Sarah Voss performs on the balance beam during the women's qualification round of the 2021 European Artistic Gymnastics Championships in the St. Jakobshalle in Basel, Switzerland, 21 April 2021. Some of the German gymnasts wear long trousers to make a statement against sexual violence in sports.  EPA/GEORGIOS KEFALAS

Sarah Voss in Basel während der Leichtathletik-Em im vergangenen März.

keystone-sda.ch

Auch die ehemalige Schweizer Turnerin Ariella Kaeslin sagte mal in einem Interview mit der SonntagsZeitung: «Ich hätte mir oft gewünscht, mehr anziehen zu können. Turnerinnern sind extrem entblösst: Am Balken stehen die Kampfrichter nahe, und für manche Figuren spreizt du die Beine Vollgas gegen die Richter. Das ist unangenehm. Mich hat das immer gestört.»

Das Problem, wenn man Frauen vorschreibt, was sie tragen müssen

Manche Vorschriften sind mittlerweile nun mal schlicht überholt. Unwoke sind sie. Vollzogen werden sie dennoch teilweise rigide. Auch in anderen Sportarten. Wir erinnern uns an die norwegischen Beachhandballerinnen. Die wollten Anfang Juli bei der Europameisterschaft in Bulgarien nicht die üblichen Bikini-Höschen tragen. Sie seien zu freizügig und schlicht zu unbequem, vor allem, wenn man gerade seine Periode habe, sagten sie zur Begründung. Sie trugen Shorts.

Der europäische Verband reagierte mit einem Bussgeld von 1500 Euro. Der Shitstorm war vorprogrammiert. Mittlerweile haben sich diverse Parteien dazu bereit erklärt, die unsinnige Busse zu übernehmen. Unter anderem Sängerin Pink. Der Zuspruch war gross. 

Feuchte Otter-Fantasien

Wer sich nun immer noch fragt, warum sich Frau denn bloss so hat und jetzt doch einfach anziehen soll, was ihr vorgeschrieben wird, den erinnern wir an die Worte von Boris Johnson. Heute UK-Premier und damals als Londoner Bürgermeister notierte er 2012 in einer Kolumne im The Telegraph: «Während ich das hier schreibe, spielen halbnackte Frauen [Beachvolleyball] mitten auf der Horse Guards Parade (...). Sie glitzern wie nasse Otter (...). Das Ganze ist einfach nur wunderbar und verrückt.»

Ja, verrückt. Noch etwas crazier ist, dass nackte Haut sofort sexualisiert wird, dass sie so sehr für Sex steht und bei manchen besondere Tierfantasien auslöst, auch wenn der Kontext ein komplett anderer ist – ein ausgesprochen schlechtes Zeichen für unser Frauenbild. Kein Wunder, fühlen sich die Frauen des gesamten Kunstturnerinnen-Kaders oder die des norwegischen Beachvolleballerinnenteams unwohl, leicht bekleidet vor den Augen aller Welt herumzuturnen. Kann man mal drüber nachdenken. Ist jetzt schliesslich olympisch.

Von Rahel Zingg am 26. Juli 2021 - 16:00 Uhr