Es ist immer das selbe Spiel: Der Anstand bedingt es, montags zu fragen, wie das Wochenende war. Vorm inneren Auge spult es sich meist schon ab – da war ein pastellfarbener Brunch, der märchenhafte Waldspaziergang, der Nachmittag im Bett mit dieser neuen, supercozy Loungewear. Da war die wilde Party und trotzdem der Glow am Morgen. Es ist nicht das eigene Wochenende, es ist das des Gegenübers, nach dessen Plänen man sich eben erkundigt hat. Man war nicht dabei, weiss aber eigentlich alles. Die Frage, wie es war, ist oft rhetorisch.
«Ach ja stimmt, das hab ich gesehen!» ist Standard. Traurigerweise ballert der Grossteil von uns lieber Hochglanz-Lebensschnipsel ins Instagram-Universum als seine Freunde aufrichtig teilhaben zu lassen – mit Blickkontakt statt Filter, mit der Option auf Tiefgang, auf die Gefahr hin, auch mal Unschönes rauszuhören.
An Weihnachten einmal alles real, bitte
Bald ist Weihnachten. Driving Home for Christmas und so. Die Feiertage liegen günstig. Oft lebt die Familie weit entfernt, man sieht die Freunde und Arbeitskollegen vielleicht mal eine Weile nicht. Die emotionale Zeit, die mit der mehr oder weniger besinnlichen Rückkehr in die Heimat verbunden ist, könnte ein Denkanstoss sein: Wenn sich alle streiten, muss ich dann ernsthaft virtuell gute Miene zum bösen Spiel machen und stattdessen meine Abs posten? Wenn alles ganz harmonisch lief, ist es dann nicht viel schöner, beim gemeinsamen Kaffee mit einem Lächeln im Gesicht davon zu erzählen? Weil sich Freude überträgt und man andererseits auch gerne mal zugeben darf, wenn etwas richtig scheisse war.
Wir müssen schliesslich immer bedenken: Wenn jemand ein Bild liket, heisst das nicht unbedingt, dass er einen mag. Mögen tun einen in der Regel die Leute, die im echten Leben fragen, wie es geht. Nicht die, die in die DMs sliden und fragen, woher die Vintage-Fendi-Bag ist. Gebt den Weihnachtsferien Raum für Stories – und zwar echte. Solche, die straight aus den Stimmbändern kommen, gerne auch mit Bildern, aber vielleicht nicht in Echtzeit. Mit Umarmung statt Flammen- oder Herz-Emoji.
Um die Weihnachtszeit sieht man die Welt ja gern mit Kinderaugen. Und was wäre ein erhitztes kindliches Gemüt ohne die reine Euphorie der Erlebten? Genau das sollten wir uns zum Vorbild nehmen. In diesem Sinne: Look up, not down. Wir erwarten auf «Wie wars?» eine komplett frische, nicht schon dreimal durchgenudelte Antwort.