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  4. Mit Jogginghose ins Home Office: Macht gemütliche Kleidung unproduktiver?
Auch nackt wäre eine Option, sagt die Psychologin

Arbeiten wir in Jogginghose wirklich unproduktiver?

Zehn Jahre vor der Pandemie fand ein Team von US-Psychologen heraus, dass es sich in weissen Laborkitteln am konzentriertesten arbeitet. Nun arbeiten viele immer noch teilweise im Home Office – und die meisten sind dabei weit entfernt von offizieller Arbeitskleidung. Heisst das jetzt, wir sind unproduktiver?

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A woman sitting on a sofa, feeling depressed, looking for a job.Reading bad news.

Schreibtisch – was war das noch mal?

Getty Images

Kleider machen Leute, heisst es ja. Nicht umsonst dürfen sich die Schulterpolster im Blazer auch heldenhaft Power Shoulders nennen: Ein bisschen aufgestockt spürt man Macht ohne die Ellbogen ausfahren zu müssen. Ein Anzug lässt uns automatisch kompetent wirken. Eine Bluse spiessiger als wir sind. Aussenwirkung und Selbstwahrnehmung verzahnen sich da zu einer grossen, seriösen Blase. Die platzt, sobald man in Leggings oder Jogginghose vom Bett aus arbeitet? Mit dem Laptop auf der Kuscheldecke und dem Kaffee auf der Armlehne des Sofas? 
Viele von uns stecken pandemie-bedingt noch teilweise im Home Office. Droht die komplette Verwahrlosung, wenn wir von Zuhause arbeiten? Wer nicht auf seinen Look achtet, nimmt auch den Job nicht ernst? Gilt: Wer sich nicht richtig anzieht, arbeitet nicht richtig? Wir haben bei Psychologin Felizitas Ambauen nachgefragt, wie böse die Jogginghose ist und wie wir uns trotz allem dennoch motivieren.

Style: Sind wir produktiver, wenn wir uns so anziehen, als würden wir ins Büro gehen? Was macht ein seriöser Look mit uns?
Felizitas Ambauen: Auch in Nicht-Corona-Zeiten empfehle ich in Therapien, mit der Kleidung eine Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit zu schaffen, um besser zwischen den Rollen zu switchen. Normalerweise bedeutet das: Wenn man heimkommt, gleich die Arbeitskleidung ausziehen und sich in «Zuhause-Klamotten» werfen. Es kann also helfen, die Rollen zu wechseln. Routinen tragen dazu bei, in den Arbeitsmodus zu kommen und nicht im Chiller-Modus zu verweilen.

Aber wenn wir uns doch wohler fühlen in Jogginghose – lohnt es sich tatsächlich, sich aus dem Pyjama zu schälen?
Empfehlen tu ich das nur, wenn die Person äussert, dass es ihr schwerfällt, dass ihr die Decke auf den Kopf fällt. Einige schminken sich sogar fürs Home Office oder machen sich eine aufwändige Frisur. Wenn jemand sagt, er geniesst es, in Jogginghose zu arbeiten und sich produktiv und gut dabei fühlt: super! No need to change. 

So ein Glück ...
Deshalb gilt: wenn die Motivation schwächelt, kann es ein Hack sein. Sonst: Feel free. Man kann auch nackt arbeiten, wenn einem das gefällt und die Produktivität und Motivation stimmt. Vorteil: Home Office.

Klingt fantastisch. Hast du dennoch einen Tipp für uns, wie man sich im Home Office selbst austricksen und motivieren kann, um sich nicht komplett gehen zu lassen?
Ich empfehle, den Computer dort aufzustellen, wo es sich in der Wohnung am meisten nach Arbeit anfühlt. Einige wählen die Küche, andere das Wohnzimmer, idealerweise hat man sogar ein abgetrenntes Büro. Das Schlafzimmer empfehle ich nicht, das sollte Rückzugsort bleiben. Und: Wenn möglich, wenn Feierabend ist, die Türe zumachen, hinter der der Computer steht oder ihn und die Unterlagen wegräumen. Auch das können wichtige Rituale sein. So schaut man in der Freizeit nicht auf die Arbeit und hilft sich wieder, die Rollen zu wechseln. 
Zweiter Tipp: noch mehr Rituale schaffen. So empfehle ich auch einigen, dass sie die Zeit, die sie sonst für den Arbeitsweg verwendet haben, nutzen, um trotzdem rauszugehen und eine Runde zu drehen. Ebenso unbedingt in der Mittagspause rausgehen! Also die Struktur des Arbeitstages beibehalten. Eine Liste mit Vorteilen, die das Home Office bringt, anzulegen, kann ausserdem helfen, die Perspektive zu wechseln und zu merken, dass es nicht nur doof ist.

Von Style am 14. Februar 2023 - 09:00 Uhr