Reden ist simpel. Es braucht lediglich eine funktionstüchtige Stimme und einen Wortschatz, dem man sich bedient. Gleichermassen banal verläuft ein Gespräch – mit dem Unterschied, dass dabei zusätzlich von aussen agiert wird. Jemand spricht, jemand antwortet. Actio und Reactio auf verbaler Ebene. Nach «Hallo» folgt vermutlich ein «Hallo» zurück. Bei einem «Wie geht es dir?» könnte man mit «Gut, danke. Und dir?» rechnen.
Small Talk ist mühelose Plauderei. Das könnte er zumindest sein, wären da nicht die vielen Gedanken über die eigene Wahrnehmung auf andere. Oder die peinliche Stille. Was wird gesprochen? Wohin sollen die Hände? Und wie kommt man aus der Sache wieder raus? Antworten darauf hat Catherine Tenger.
Seit über 20 Jahren leitet sie Seminare für Auftritts- und Kommunikationskompetenz. Die wichtigsten Punkte hat sie in ihrem neuen Buch «Format» gesammelt, das ein Kapitel über Small Talk beinhaltet. Wie die hohe Kunst des lockeren Laberns gelingt? Die Expertin nennt drei Schritte:
Schritt 1: Die Vorbereitung
Allgemeine Recherche
Catherine Tenger rät, sich über den Durchführungsort zu informieren. Manche Locations bieten interessante Hintergründe mit spannenden Geschichten. Liegt der Einladung ein Rahmenprogramm bei, lohnt es sich ausserdem Fakten zu den Rednern, Performern, Autoren oder dem Eventthema zu sammeln. Für Geburtstage eignen sich Anekdoten.
Worüber möchte man sprechen, worüber nicht?
Wollt ihr ein Thema meiden? Bereitet dafür Sätze vor, die den Gesprächsverlauf auf einen anderen Fokus lenken. Als möglichen Ausweichsatz nennt Tenger: «Ja, das ist ein Thema, das uns alle beschäftigt. Mich hat aber noch ein anderes Thema in letzter Zeit beschäftigt; ich habe so ein gutes Buch gelesen...».
Ansprechen
Es gilt: Einfach bleiben und das Gegenüber nicht mit originellen Sätzen überfordern. Anknüpfungspunkte wären das servierte Essen, die Location, die Verbindung zum Gastgeber oder der Anwesenheitsgrund.
Sich gekonnt dazugesellen
Falls ihr jemanden aus der Runde kennen solltet, stellt euch vorerst mit einem leisen Gruss zu ihm oder ihr. Der Rest ergibt sich meistens. Ansonsten: «Holt euch etwas zu trinken und beobachtet die Gruppe. Hat jemand im Moment einen grösseren Redeanteil? Steuert so auf die Gruppe zu, dass diese Person euch von vorne sehen kann.», empfiehlt die Expertin. Achtet auf eine freundliche Mimik und signalisiert über die Körpersprache euer Vorhaben. Der Redner nimmt euch bei der Annäherung dadurch wahr und anschliessend auf. Und dann? Den Mund aufmachen. «Das Gesagte muss zur eigenen Person passen und sollte etwas mit der Gruppe oder der Situation zu tun haben.»
Schritt 2: Das Gespräch
Sympathie gewinnen
Gemeinsamkeiten schaffen Nähe. «Gleiche Vorlieben, Lebensstile, Werte, verwandte Interessen oder äusserliche Ähnlichkeiten können für Sympathie sorgen», sagt Tenger. Lassen sich keine Gemeinsamkeiten finden, bewahrt ein freundliches Gesicht und bleibt aufmerksam. Nur beiläufig am Gespräch teilzunehmen, löst beim Gegenüber negative Gefühle aus. Solange der Gesprächspartner das Wort hat: Nicht uninteressiert umher schauen oder anderen zuwinken.
Die richtige Körperhaltung
Seid locker – aber nicht nachlässig! Wohin mit den Händen? Catherine Tenger unterscheidet dafür zwischen Redner- und Zuhörer-Position. Als Redner ist die Sache unkompliziert: «Wenn ihr selber sprecht, gestikuliert.» Komplizierter ist die Zuhörer-Position – vor allem bei förmlichen Anlässen, an denen beispielsweise ranghöhere Personen involviert sind. Eine eingeübte Zuhörer-Handstellung schafft Abhilfe. Vor dem Spiegel wird geübt: «Haltet die Ellbogen weg vom Körper und bringt die Hände auf Nabelhöhe, dort wirken sie am besten. Probiert verschiedene Varianten aus. Hände falten, in- oder aufeinander legen, die Merkel-Raute, einen Daumen festhalten, eine Faust mit der anderen Hand umschliessen, mit aufgerichteten oder abgelegten Daumen.» Merkt euch eure Lieblingshaltung und verinnerlicht diese bei kommenden Small-Talk-Gelegenheiten.
Höflich unterbrechen
Jemandem ins Wort zu fallen, wirkt bei uns Schweizern unhöflich. Unterbrecht deshalb nur, wenns dringlich ist und kündigt die Unterbrechung nonverbal an: «Luftholfen, sich vorlehnen oder die Hand in Richtung des Gesprächspartners halten, so als wolle man dessen Arm berühren – ohne das tatsächlich zu tun.»
Das Gespräch spannend halten
Ein gemeinsamer Nenner muss her. Hört aufmerksam zu und klinkt an der richtigen Stelle ein. «Spannende Gesprächsthemen finden sich oftmals leichter in persönlichen Erlebnissen als im Job.» In geschäftlichen Situationen lohnt es sich deshalb zu versuchen, das Gespräch auf persönliche Themen zu lenken. Übrigens: «Peinliche Stille entsteht nur, wenn man nicht im Gespräch drin ist, sondern abgelenkt.» Bei guten Gesprächen bedeutet eine Pause meistens, dass nachgedacht wird.
Dont’s!
- Sätze des anderen beenden
- Das Gespräch an sich reissen
- Ablenkung
- Belehrend sein
- Gossip
Schritt 3: Der Abschluss
Ankündigung vor dem Abgang
Nonverbale Kommunikation hilft auch hier, nicht überstürzt zu wirken: «Je nach Situation kann man die Distanz vergrössern, den Blickkontakt abbrechen oder sich dem Gegenüber nähern. Auch eine Handbewegung in dessen Richtung deutet eine Verabschiedung an.»
Die richtigen Worte finden
«Wartet nicht ab, bis das Gegenüber beim Sprechen Luft holt – es funktioniert am besten, wenn man selbst gerade das Wort hat», sagt Tenger und listet verschiedene Moves auf:
- In die Zukunft schauen: «Was hast du diese Woche noch vor?» [...] «Dann wünsche ich dir viel Erfolg dabei! War nett, dich kennenzulernen, ich wünsche dir noch einen schönen Abend.»
- Oder zurückblicken: «Es war nett, mit Ihnen zu sprechen. Ich fand besonders spannend, was Sie über diese Netflix-Doku ‹Explained› erzählt haben. Dem werde ich definitiv nachgehen. Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend.»
- Wenn es angebracht ist und der Gesprächspartner sympathisch wirkt, nehmt ihn einfach mit: «Ich habe gerade einen Berufskollegen gesehen, den ich begrüssen will. Kommen Sie mit? Ich stelle Sie vor!»