Zugegeben: So richtig getroffen haben mich die Anschuldigungen nie. Das lag aber nicht daran, dass ich mich als im Jahr 1983 Geborene nur noch ganz knapp zu den Millennials zählen darf. Angesprochen fühlte ich mich vor allem deshalb nicht, weil mir die Meckereien der grummligen Alten so haltlos erschienen. Millennials wollen sich nicht binden, Millennials übernehmen keine Verantwortung, Millennials wollen nur Spass. Mimimimi!
Wenn ich mich in meinem Freundeskreis umschaue, dann haben es die meisten von uns ganz gut geschafft, sich eine erfolgreiche Karriere aufzubauen, ein schönes Zuhause einzurichten und glückliche Partnerschaften zu führen. Wir haben es aber auch geschafft, uns genügend Freizeit zu bewahren, die Welt zu sehen und weniger glückliche Partnerschaften zu beenden. Eben genau weil wir uns gut überlegen, mit wem wir uns binden, wofür wir uns einsetzen und wie wir unsere Zeit verbringen.
Das althergebrachte Hamsterrad aus Schlafen-Essen-Arbeiten – sorry, nicht gut genug für uns. Denn ja, wir wollen Spass! Bei der Arbeit, in der Liebe, in der Freizeit. Klingt illusorisch? Ist doch eigentlich nur vernünftig. Von den vielen Optionen, die uns offen stehen, entscheiden wir uns für die, die uns glücklich machen. Wenn das ein Matcha Flat White für drölfundzwanzig Franken ist, dann kaufen wir uns den eben. Und wenn das ein halbes Jahr Auszeit in Indien ist, dann gönnen wir es uns halt. Im vollen Wissen, dass Geld nicht an den Bäumen wächst und wir dafür anderswo Abstriche machen müssen.
Ob wir nicht lieber auf ein Auto sparen möchten? Nein, danke, das können wir teilen. Aber ein Eigenheim – das wärs doch? Eigentlich ein schöner Gedanke. Aber erstens brauchen wir nicht so viel Platz und zweitens habt ihr die Preise derart in die Höhe getrieben, dass sie für uns sowieso unerschwinglich sind. In unsere dritte Säule zahlen wir natürlich trotzdem ein. Wir sind ja keine Hippies! Ach, und arbeiten können wir übrigens auch von unterwegs (Hallo, Indien!) – digitale Revolution sei Dank.
Dass das alles gar nicht so schlecht funktioniert, wird langsam klar. Jetzt, wo wir Millennials in den Dreissigern angekommen sind, dürfen wir allenthalben lesen, wir seien besser als unser Ruf. Könnten ja doch Beziehungen führen, hätten ja doch Ziele und Pläne, seien ja doch belastungsfähig. Welch positive Überraschung! Vielen Dank für die Rehabilitierung, liebe Babyboomer und Gen-Xler. Aber das hätten wir euch auch schon vorher sagen können. Wenn ihr uns nur zugehört hättet.
Aber vielleicht wart ihr zu beschäftigt damit, euch ein neues Feindbild auszumalen. Denn allmählich tritt die Generation Z ins Arbeitsleben ein. Und auf dem Fusse folgen in minimal abgeänderter Form die gleichen Vorwürfe, die wir uns schon anhören mussten. Einfach nur, weil auch diese jungen Leute die Dinge etwas anders anpacken als ihre Vorgänger. «Sie hängen ständig am Smartphone, kümmern sich nur um sich» – bla bla bla!
Wenn ich mir diese nachwachsende Generation betrachte, dann sehe ich idealistische Menschen, die ihre eigenen Wünsche erst nehmen, die mit Leichtigkeit die Klaviatur der digitalen Welt bespielen, die sich um das Überleben unseres Planeten sorgen und die mit offenen Armen auf andere Erdenbürger zugehen.
Klingt illusorisch? Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor.