Endlich ist der Moment da: Nach wochenlangem Schwärmen lernen wir den neuen Partner oder die neue Partnerin eines Freundes oder einer Freundin kennen. Doch dann stellt sich heraus, der oder diejenige ist zu plump, redet zu viel, hat die falsche politische Einstellung oder die Witze gehen unter die Gürtellinie, kurz – der oder die Neue ist gar nicht so toll, wie man es sich aus den Erzählungen der Freundin oder des Freundes ausgemacht hat.
Diese Situation kann zum echten Freundschaftskiller werden. Was tun? Beziehungspsychologe Wieland Stolzenburg erklärt, ob und wie man ansprechen sollte, dass man den neuen Partner oder die neue Partnerin nicht leiden kann, ohne die Freundschaft zu gefährden.
Es gibt viele Gründe, warum einem der neue Partner eines Freundes oder einer Freundin unsympathisch sein kann. Wann sollte man das ansprechen?
Wieland Stolzenburg: Grundsätzlich ist es wichtig, die Partnerwahl von Freunden zu akzeptieren und im besten Fall Frieden damit finden. Selbst wenn wir den anderen oder die andere unsympathisch oder unpassend finden, ist unsere Freundin oder der Freund erwachsen und sollte seine Entscheidungen frei treffen können.
In meiner Erfahrung gibt es dabei zwei verschiedene Blickwinkel: Entweder machen wir uns Sorgen um unseren Freund oder unsere Freundin, weil uns Verhaltensweisen des neuen Partners auffallen, welche Alarmzeichen sein könnten. Oder wir selbst sind getriggert. Beispielsweise ruft eine Verhaltensweise oder eine Aussage des neuen Partners oder der neuen Partnerin in uns eine emotionale Reaktion oder Erinnerungen hervor, die mit vergangenen verletzenden Erfahrungen in unserem eigenen Leben zusammenhängen. In diesem Fall finden wir die Lösung vor allem in uns.
Diese unterschiedliche Ursache sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir einen anderen Menschen bewerten: Berührt dieser in mir etwas, was mit mir zu tun hat. Oder ist es tatsächlich ein ungesundes Verhalten des anderen. Die Grenzen sind natürlich schwimmend, und mir müssen offen und ehrlich mit uns sein, um die Antwort darauf zu finden.
Hilfreich kann ein Gespräch sein, wenn es nicht unsere eigenen Triggerpunkte sind, sondern wir objektiv Warnzeichen erkennen.
Wie geht man das am besten an, ohne die Freundschaft zu gefährden oder die Freundin oder den Freund vor den Kopf zu stossen?
Wenn ich Alarmzeichen erkenne, kann und sollte ich das kommunizieren. Es ist es ratsam, einen geeigneten Moment abzuwarten, in dem ihr beide offen für ein Gespräch seid. Am besten sollte dieses mit einer Frage eingeleitet werden, wie etwa: «Mir ist etwas aufgefallen bei deinem neuen Partner, möchtest du das hören?» In diesem Fall hat meine Freundin oder mein Freund die Freiheit, «Ja» oder «Nein» zu sagen.
Wenn derjenige es hören möchte, dann beschreibe dabei deine Beobachtung, ohne diese als allgemeingültig darzustellen oder den neuen Partner damit abzuwerten. Konzentriere dich stattdessen auf deine eigenen Gefühle und versuche, sie auf eine sachliche und freundliche Art und Weise zu kommunizieren. Du kannst auch hinzufügen, warum es dir wichtig ist, dein Erleben zu teilen: »Ich mag dich sehr und möchte, dass es dir gut geht. Und ich weiss, dass man in der Verliebtheitsphase manche Dinge nicht sieht oder sehen möchte. Daher wollte ich mit dir meinen Eindruck teilen«. Diese wertfreie und defensive Haltung ist hilfreich für die Beziehungsebene zwischen dir und deiner Freundin oder deinem Freund.
Zeige gerne auch Verständnis für die Situation deiner Freundin oder deines Freundes und betone, dass du nur das Beste für sie oder ihn möchtest. Zum Beispiel könntest du sagen: «Ich weiss, dass du gerade glücklich bist und ich möchte dich nicht verletzen. Aber ich mache mir Sorgen und möchte sicherstellen, dass du in dieser Beziehung wirklich langfristig glücklich bist.»
Hilfreich ist es zudem, Raum für eine offene und ehrliche Diskussion zu lassen, in der dein Freund oder deine Freundin sich ebenfalls äussern kann. Beispielsweise könnte das etwas in dieser Richtung sein: «Ich möchte, dass du weisst, dass ich immer für dich da bin und dir zuhöre, egal welche Entscheidungen du triffst. Wenn du etwas mit mir besprechen möchtest oder Fragen hast, stehe ich dir gerne zur Verfügung.»
Eine Freundschaft sollte immer ein Team sein, bei der es auch bei verschiedenen Ansichten immer ein Ziel gibt: die gegenseitige Unterstützung und die langfristige Zufriedenheit des anderen.
Welche Möglichkeiten gibt es, das Verhältnis zum neuen Partner oder der neuen Partnerin zu verbessern, selbst wenn anfangs keine Sympathie da ist?
Eine Möglichkeit, das zwischenmenschliche Verhältnis zu verbessern, besteht darin, den oder die andere*n besser kennenzulernen. Wir können uns offen und neugierig zeigen, indem wir uns wirklich für den neuen Partner und sein Leben interessieren. Manchmal hilft es, wenn wir uns bewusst vornehmen, nur nach den positiven und schönen Seiten an dieser Person zu suchen.
Wenn wir von Anfang an eine negative Meinung haben, wird unser Verstand genau danach suchen, um diese Meinung zu bestätigen. Wenn wir jedoch versuchen, all die kleinen und grossen positiven Aspekte zu entdecken, geben wir dem anderen eine Chance, aus der vorgefertigten Schublade herauszukommen und wir können auch andere Seiten an ihm kennenlernen. Vielleicht entdecken wir dann etwas, was wir an ihm oder ihr mögen. Auch, wenn es nur eine Kleinigkeit ist.
Eine weitere Möglichkeit ist es, nach gemeinsamen Interessen oder Aktivitäten zu suchen. Vielleicht ist das ein verbindendes Element und verändert möglicherweise unseren ersten Eindruck. Generell kann es auch einfach nur Zeit brauchen, um eine Verbindung zu anderen Menschen aufzubauen. Uns und dem neuen Partner oder der neuen Partnerin Zeit dafür zu geben, ist grundlegend hilfreich.
Wie kann es überhaupt sein, dass man nichts mit dem Partner oder der Partnerin einer guten Freundin oder eines guten Freundes gemeinsam hat?
Wir alle haben unterschiedliche Vorlieben und Abneigungen, ob bei Nahrungsmitteln, der Musik und auch bei Menschen. Manche mögen beispielsweise keine lauten Menschen, andere keine ruhigen und zurückhaltenden. Häufig liegen diese unterschiedlichen Präferenzen an unserer eigenen Lebensgeschichte. Wenn wir beispielsweise einen Vater hatten, der wenig Empathie besass und wir darunter litten, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass wir andere Menschen mit ähnlichen Verhaltensweisen weniger mögen beziehungsweise erstmals skeptisch gegenüber treten. Unser gesamtes System möchte uns dabei vor einer wiederholenden verletzenden Erfahrung schützen.
Oder wir hatten zum Beispiel einen Vater, der einen tollen Humor hatte und uns mit seiner Leichtigkeit und positiven Art viel Freude bereitete. Dann fühlen wir uns vielleicht im Erwachsenenleben zu Menschen hingezogen, die dieses schöne Gefühl in uns ebenfalls auslösen können.
Das heisst, dass wir alle in uns einen Radar haben, der uns beschützen möchte. Uns darüber bewusst zu werden, dass die alte verletzende Erfahrung die Ursache von Abneigung sein kann, kann viel verändern. Weil wir in diesem Fall erkennen, dass heute keine Gefahr droht. Unser System reagiert einfach sensibel, wenn sich jemand ähnlich verhält wie die Person, die uns früher bewusst oder unbewusst verletzt hat.
Zudem kann es sein, dass der neue Partner von seinen Werten, der politischen Einstellung oder dem zwischenmenschlichen Umgang überhaupt nicht mit übereinstimmt, wie wir sind oder es mögen. Vielleicht interessiert er sich ausschliesslich fürs Motorradfahren, versucht jeden von einer veganen Ernährung zu überzeugen und wir für können damit nicht viel anfangen. Und andersherum findet er keinen Zugang zu unserer Liebe fürs Philosophieren, Bierbrauen und Grillen. Was kann da helfen? Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Werten und die Offenheit, die Welt des anderen kennen und akzeptieren zu lernen.