Kürzlich durfte ich am Familientisch eine Sternstunde erleben. Nach vielen Mittagessen, die mich ziemlich ratlos zurückliessen: Die Grosse isst kaum etwas, der Mittlere nur, wenn aufgetischt wird, was er angeordnet hat, und der Kleine schmeisst sein Essen lieber herum, als es überhaupt zu probieren … langsam begann ich, mir die Freude am Kochen verderben zu lassen.
Doch dann startete ich wiedermal einen Versuch mit Lasagne, weil ich dachte: Welches Kind kann dieses Gericht nicht mögen? Unkommentiert tischte ich es einfach auf, erzählte dazu irgendetwas von meinem Morgen – und siehe da: Die Grosse griff begeistert zu, mit dem Kommentar «ist das Lieblingsessen meiner Lehrerin», der Mittlere motzte zuerst noch herum, die Oma mache das sicher besser – ass dann aber den ganzen Teller leer. Und sogar der Kleine steckte sich ein paar Gabeln voll in den Mund, wahrscheinlich, weil er sah, wie es den grossen Geschwistern schmeckte. Zudem stritten sie sich fast um den Gemüsedip, ich musste sogar noch Nachschub schnippeln. Ich konnte mein Glück kaum fassen! Und stiess in der selben Woche zufällig auf einen Beitrag auf Instagram, der genau dieses Vorgehen als bewusste Taktik empfiehlt.
Auch gut gemeintes Zureden verstärkt wählerisches Essverhalten
Die beiden Autorinnen des Instagram-Blogs «biglittlefeelings» schreiben in ihrem Beitrag, Studien würden aufzeigen, dass eine hohe Elternbeteiligung während der Mahlzeiten tatsächlich das wählerischere Essverhalten der Kinder verursache. Und zwar nicht nur Druckversuche à la «wenn Du das Rüebli nicht isst, gibts auch keinen Dessert», sondern auch gut gemeinte Zusprüche oder Lob, zum Beispiel wenn das Kind nach mehrmaliger Aufforderung endlich mal ein halbes Brokkoliröschen probiert hat. «Wenn wir das Kind beim Essen beobachten und sein Verhalten kommentieren, lenkt das unnötig viel Aufmerksamkeit darauf, und es fühlt sich dazu gedrängt.»
Sie empfehlen also genau das Gegenteil dieser Bemühungen besorgter Eltern.
Nichts sagen ist sogar besser als loben
«Play it cool», schreiben die beiden amerikanischen Kleinkindexpertinnen, «Gebt die Gelassenen». Sprich: Wir sollten einfach den Teller servieren und «guten Appetit» wünschen – und sonst gar nichts. Damit die Kinder völlig unvoreingenommen auf Erkundung gehen können – darin sind die Kleinen ja Meisterinnen und Meister. Zudem sollten wir eine gute Stimmung am Tisch schaffen: vom Tag reden, einen Witz erzählen – aber keine Vorträge über gesundes und ungesundes Essen halten. Und: Die Kinder sollten selber entscheiden dürfen, wie viel sie wovon essen. Dies auch darum, weil sie manchmal extreme Phasen durchmachen: Mal bringen sie tagelang kaum einen Bissen hinunter, dann essen sie eine Zeit lang wie ein Mähdrescher.
Die Autorinnen von «biglittlefeelings» empfehlen zudem, zu jeder Mahlzeit etwas aufzutischen, das die Kinder sicher mögen.
Was bei mir also aus purer Desillusion passierte – ich war es einfach satt, jeden Mittag drei nörgelnde Knirpse zum Essen zu motivieren –, entpuppte sich als Erfolgsmethode. Das Essen völlig ohne Erwartungen – und damit völlig ohne Druck für die Kinder – auftischen, es neben dem lustigen Gespräch fast zur Nebensache zu degradieren. Oder wirkte bei uns vielmehr die Tatsache, dass es das Lieblingsessen der neuen Lehrerin war, welche die Grosse zum Essen motivierte und die Jüngeren sie nachahmen liessen? Egal, Hauptsache, sie essen, und ich bin wieder motiviert, für sie zu kochen.
Falls bei euch diese Taktik nicht wirken sollte, gibts hier noch viel mehr Tipps, wie ihr bei wählerischen Kindern den Appetit auf Neues fördern könnt, wie wichtig unsere Vorbildrolle auch am Esstisch ist, welche Kommentare wir uns verkneifen sollten, um das gesunde Essverhalten der Kinder nicht zu gefährden, und was Schweizer Promis und Spitzenköche ihren Kindern auftischen.