Ist die Erziehung wirklich so schlecht geworden, dass Kinder zuhause nicht mehr die Grundregeln des Anstands lernen?
Das ist immer die erste Frage. Lernen die das nicht mehr zu Hause? Aber ich kann Sie beruhigen. Die Kinder kommen meist mit guten Manieren. Wir wollen und müssen nicht eine ganze Erziehung aufholen. Man könnte sowieso nicht alles in 3.5-Kursstunden erlernen.
Wieso schicken Eltern ihre Kinder dann in einen Knigge-Kurs?
Sie erhoffen sich neue Impulse. Die Kinder hören zu Hause immer dasselbe. Wir erklären Altbekanntes auf neue Weise. Und liefern Kontext und Geschichten zu den Regeln. Das führt dazu, dass die Kinder den Plausch haben am Lernen.
Was ist denn eigentlich die Geschichte der Knigge-Regeln?
Es beginnt schon damit, dass man wissen muss, dass Herr Knigge keine Regeln aufgestellt, sondern lediglich Empfehlungen dazu ausgesprochen hat, wie man miteinander umgehen könnte, so dass sich alle wohl fühlen. Er lebte im 18. Jahrhundert. Damals war es Gang und Gäbe, dass ein Graf einen Bauern nicht grüsste. Das störte Herrn Knigge. Ihm ging es um den Respekt. Wie gehe ich mit anderen Menschen um. Wie mit anderen Religionen, Kulturen und so weiter. Über Tischmanieren hat er kein Wort verloren - das hat man später dazu gedichtet.
«Anstatt zu kritisieren, sollten Eltern als Vorbilder funktionieren.»
Sind Tischmanieren eigentlich für Kinder lockerer geregelt, als für Erwachsene?
Ganz allgemein ist alles lockerer geworden. Früher haben Kinder ihre Eltern ja noch gesiezt. Aber was mir auffällt ist, dass es bei den Tischmanieren rasant bergab geht. Haltung und Sprache am Tisch haben sich in den letzten 15 Jahren massiv verändert. Ich beobachte bei unseren Kursen, dass 80 Prozent der Kinder grosse Mühle haben, das Besteck richtig in der Hand zu halten.
Woran liegt das?
Die Familienstrukturen haben sich verändert im letzten Jahrzehnt. Viel mehr Kinder werden auswärts betreut. In den Kitas fehlt oft einfach auch die Zeit, Tischmanieren zu kommunizieren. Das könnte man verbessern.
Stichwort Kommunikation: Wie kann ich meinem Kind Tischmanieren beibringen, ohne es permanent zurechtzuweisen und damit für schlechte Stimmung am Tisch zu sorgen?
Eltern sollten als Vorbilder funktionieren. Sie sollten statt die Haltung der Kinder ihre eigene Haltung am Tisch anschauen. Und ihren eigenen Umgang mit Besteck hinterfragen. Wenn man aufs Kind fokussiert, kann man ihm auch erklären, wieso gewissen Regeln Sinn machen. Zum Beispiel, weil das Essen weniger von der Gabel rutscht, wenn man sie richtig hält.
«Der Besuch eines Knigge-Kurses macht erst ab dem 8. Geburtstag Sinn.»
Das heisst, eigentlich sollten die Eltern Ihren Kurs besuchen.
Wissen Sie was, das ist immer mein Einstieg in den Kurs. Als erste Regel lernen wir, wie Kinder ihre Eltern am Tisch korrigieren können. Bestecksprache, Besteckhaltung, Handy am Tisch… darauf schauen Kinder wie Heftlimacher. Und sind dann auch erpicht darauf, es selber besser zu machen als ihre Eltern.
Was meinen Sie zum bei Kindern sehr beliebten Schweinetag?
Oh, das würde ich unbedingt tun. Ein Schweinetag, an dem man alles mit der Hand isst und Mama von mir aus eine Plastikplane auslegen muss, damit der Boden nicht kaputt geht, ist wundervoll. Und das Beste daran: so lassen sich auch die Königstage besser durchsetzen, an denen man gerade am Tisch sitzt und königlich darauf achtet, nicht zu kleckern.
Wieso dürfen Kinder erst ab 8 Jahren ihren Kurs besuchen?
Wir schauen uns das Grüssen an, den Augenkontakt, das Wahrnehmen und Wertschätzen des Gegenübers. Auch Körpergeräusche. Es macht schlicht für jüngere Kinder noch keinen Sinn, sie sind weder mental noch motorisch soweit, ihre Aussenwirkung anpassen zu können.
Lust, Tischmanieren und gutes Benehmen zu lernen? Hier gehts zu den Knigge-Kursen für Kinder von Katrin Künzle.