Frau Botta, was halten Sie vom Trend, vegan zu essen?
Dass man zumindest vegane oder vegetarische Tage einlegt, finde ich absolut sinnvoll. Nicht nur für Umwelt und Nachhaltigkeit, sondern auch für die eigene Gesundheit. Im Moment essen wir Schweizer pro Kopf rund 50 Kilo Fleisch im Jahr. Das ist viel zu viel.
Zwei Ihrer Kinder ernähren sich vegan. Wie kam es dazu?
Vor einiger Zeit habe ich für Greenpeace einen Atlas über pflanzliche Proteine verfasst. Diese Arbeit hat die Kinder natürlich geprägt, ich bin also ein wenig selber schuld. Vor allem mein Sohn ist recht strikt. Es fing an mit einem Jahr, in dem er sich vegetarisch ernährte, was mittlerweile rund die Hälfte meiner acht Kinder tut. Das empfand ich nicht als grosse Herausforderung im Alltag. Vor einem Jahr schliesslich hat mein Sohn auf vegane Ernährung umgestellt und mich vor vollendete Tatsachen gestellt.
Wie haben Sie reagiert?
Ich fragte ihn, was ihn dazu bewegt, vegan zu essen und informierte ihn darüber, welche Nahrungsmittelergänzung nötig ist und kaufte ihm die notwendige Supplementierung.
«Man muss ja nicht an jedes Gemüse Butter tun.»
Marianne Botta, Ernährungscoach
Welche Supplementierung ist nötig, wenn sich Teenager noch im Wachstum befinden?
Ganz sicher das Vitamin B12. Sicherheitshalber auch Eisen, wobei das bei jungen Männern nicht zwingend nötig ist, ausser sie befinden sich in einem starken Wachstumsschub und zeigen Symptome eines Eisenamngels wie Müdigkeit, depressive Verstimmung oder Kurzatmigkeit. Bei Frauen, die menstruieren, macht es Sinn, den Eisenspiegel einmal pro Jahr ärztlich kontrollieren zu lassen. Man kann das Thema beim nächsten Kinderarzt- oder Gynäkologen-Besuch ansprechen. Schlussendlich beeinflussen auch Faktoren wie Wachstum oder die körpereigene Eisenaufnahme, ob eine Supplementierung nötig ist. Man kann die Aufnahme von aus pflanzlichen Quellen stammendem Eisen auch natürlich fördern, etwa durch Vitamin C, welches man in der veganene Ernährung zu sich nimmt. Was ich noch kaufte waren Omega3-Fettsäuren. Für meinen Sohn aus Mikroalgen statt Fisch, weil es ja vegan sein muss.
Isst Ihr Sohn noch mit am Familientisch?
Natürlich. Meine vier grösseren Kinder leben in einer WG und essen nicht mehr täglich zu Hause. Aber ich koche sowieso meistens etwas Veganes mit. Man muss ja nicht an jedes Gemüse Butter tun.
Also raten Sie Eltern, keine unterschiedlichen Menüs zu kochen?
Nein, das würde ich nicht tun. Gewisse Speisen sind ja von Natur aus vegan. Zum Beispiel Hummus oder Salate. Was Eltern auch tun können, ist, dem Kind das Geld, das seine tierischen Produkte kosten würden, mitzugeben und es damit selber einkaufen oder kochen zu lassen. Sowieso finde ich, dass Kinder, wenn sie Forderungen stellen, auch ihren Beitrag dazu leisten müssen.
«Eine vegane Ernährung gibt meiner Meinung nach nicht mehr zu tun.»
Marianne Botta, Ernährungscoach
Konkret: Wie können Eltern am besten reagieren, wenn ihr Kind sich plötzlich vegan ernähren will, sie aber nicht?
Druck erzeugt Gegendruck. Das gilt für beide Seiten. Statt sich quer zu stellen, können Eltern mit offenen Fragen reagieren. Warum hast du das entschieden? Wie stellst du dir das vor? Was erwartest du von mir? Welchen eigenen Beitrag bist zu bereit zu leisten. Ich bin bereit dazu, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und wenn ich das mache, bin ich froh, wenn du mir hilfst. Wollen wir gemeinsam einkaufen? Wollen wir zusammen kochen? Man sollte das Ganze als Chance sehen, sich weiterzuentwickeln und jung zu bleiben. Davon profitiert die ganze Familie, es gibt viele sehr gut schmeckende vegane Gerichte.
Ist vegane Ernährung per se gesünder?
Es gibt katastrophale vegane Produkte, die vor E-Nummern triefen und Palmfett dran haben, oder Käseersatz aus Stärke, wo man kaum zusätzliche Nährstoffe hat. Frischkäse aus Nüssen finde ich toll. Auch bei der Milch schauten wir, wie sie ersetzt werden kann: Kalziumreiches Mineralwasser und Nüsse, die haben auch Kalzium. Es gibt pflanzliche Ersatzgetränke wie Hafermilch oder Mandelmilch. Fakt ist, man kann auch sehr ungesund vegan essen. Es gibt schlechte Fertigprodukte in allen Bereichen.
Stimmt das Vorurteil, dass vegane Ernährung mehr zu tun gibt als Mischkost?
Man muss sich umgewöhnen. Veganismus braucht mehr Planung. Hülsenfrüchte muss man schon am Vorabend einweichen, während man ein Plätzli um zehn vor Zwölf in die Pfanne hauen kann. Aber mehr zu tun gibt es meiner Meinung nach nicht.
Die achtfache Mutter Marianne Botta ist als Autorin und Personal Trainerin eine renommierte Expertin für Ernährung und Bewegung. Infos unter:
www.mbfit.ch