Unglaubliche 85 Weltcuprennen hat Mikaela Shiffrin (27) bisher gewonnen – damit fehlt ihr noch ein Sieg, um den bisherigen Allzeit-Rekord von Ingemar Stenmark zu egalisieren. Dass sie diesen gar überholen wird, ist ziemlich wahrscheinlich, zumal die US-Amerikanerin im März erst 28 Jahre alt wird. Zum Vergleich: Unsere Vreni Schneider (58) gewann 55 Weltcuprennen.
Immer an der Seite der Ausnahmeathletin: ihre Mutter Eileen Shiffrin. Und die beteuert im Interview mit der NZZ am Sonntag, es habe nie einen Masterplan für die aussergewöhnliche Karriere ihrer Tochter gegeben. Skifahren sei bei ihnen einfach ein Familiensport gewesen. Warum die kleine Mikaela trotzdem schon früh allen um die Ohren fuhr, dafür findet sie verschiedene Erklärungen.
Mehr als Talent und Ausdauer
Zunächst hat es natürlich mit dem Talent, der Freude und Ausdauer von Mikaela zu tun, mit guten körperlichen Voraussetzungen und der Fähigkeit, sich ganz auf etwas zu fokussieren. «Sie konnte schon früh den Ski auf die Kante stellen und einfach eine Kurve ziehen», sagt Mutter Eileen im Videogespräch mit der NZZ am Sonntag. Sie sei aber trotzdem nie zufrieden gewesen, habe immer noch besser werden wollen. Manchmal wollte die kleine Mikaela sogar auf Rennen verzichten, um noch mehr trainieren und sich weiter verbessern zu können.
Aber natürlich trug auch die Unterstützung der Eltern – der 2020 nach einem Unfall verstorbene Vater Jeff war Arzt, Mutter Eileen Pflegefachfrau – zum erfolgreichen Verlauf ihrer Karriere bei. Statt ins Sommerlager gingen Mikaela und ihr Bruder, der auf nationalem Niveau ebenfalls erfolgreich Ski fuhr, ins Sommer-Skilager. Das soziale Erlebnis sei dabei genau so wichtig gewesen wie der Sport, betont die Mutter. Und statt auf einem üblichen Velo pedalte die kleine Mikaela auf einem Einrad mit Bällen jonglierend durchs Quartier – und schulte so auf spielerische Weise ihr Gleichgewicht.
Sie könne sich nicht daran erinnern, jemals gedacht zu haben, was sein könnte, wenn es mit dem Sport nicht klappte, erzählt Eileen Shiffrin. «Denn es klappte ja. Die Kinder fuhren Ski, und darum ging es.» Der Weltcup sei für sie immer weit, weit weg gewesen. «Ich dachte, dass meine Kinder einfach zwei Fische in einem grossen Teich waren.»
Die Bescheidenheit eines Wunderkindes bewahren
Als der Vorsprung auf die Gegnerinnen in den Kinderrennen immer grösser wurde, sagten die Eltern Mikaela, sie solle nicht bei den anderen hocken und warten, bis sie wisse, wie gross der Abstand diesmal war. Sie wollten ihr früh beibringen, sich nicht zu viel einzubilden auf die Rolle des Wunderkindes, als das sie in der «New York Times» einst betitelt wurde.
Später sagte Mikaela Shiffrin denn auch in einem Interview, sie sei kein Wunderkind. «Was ich erreicht habe, ist vor allem das Produkt von viel Arbeit und Unterstützung.»
Eileen Shiffrins Rat an alle Eltern
Eltern müssten gut aufpassen, sagt Eileen Shiffrin. «Ich habe Geschichten gehört von Menschen, die ihren Sport nicht mehr liebten, weil sie zu sehr gepusht wurden.» Die Kinder müssten die Motivation in sich selbst finden. «Dann können wir Eltern sie unterstützen.»
Und das gilt nicht nur im Spitzensport. Auch Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm betont in unseren Interviews, wie wichtig die Eigenmotivation aller Kinder für ihre Laufbahn ist. Wie wir Eltern sie im Schulalltag unterstützen können, ohne sie zu sehr zu pushen, erklärt sie hier.