Will ein Kind ein Musikinstrument spielen lernen, sind die meisten Eltern erfreut. Will es einen Malkurs besuchen, ebenso. Äussert es von sich aus den Wunsch, eine neue Sprache zu erwerben – wow! Die gezielte Förderung der Stärken ihrer Kinder und eine gute Grundbildung haben bei vielen Eltern berechtigterweise einen hohen Stellenwert.
Äussert ein Kind jedoch den Wunsch, eine Kampfsportart zu erlernen, so wie dies offenbar kürzlich der britische Prinz George (9) getan haben soll, reagieren manche Eltern skeptisch. Gerade wer sich noch nie mit Kampfsport auseinandergesetzt hat, assoziert damit schnell negative Begriffe wie Gewalt, Verletzung, Aggression.
Zu Unrecht. Kampfkunst-Experte Michael Waldmeier von der Kampfsportschule Aarau erklärt im Interview, worauf Eltern bei der Auswahl des Kampfsports für ihr Kind achten sollen und wie Kinder und Jugendliche durch das ganzheitliche Training auch ihre Seele stärken und fürs Leben lernen können.
Michael Waldmeier, welche Kampfsportarten eigenen sich für Kinder?
Viele Kampfsportarten sind gut geeignet für Kinder. Besonders die traditionellen asiatischen Disziplinen wie Karate, Aikido, Judo, Wushu/Kung-Fu oder Taekwondo.
Was macht diese Disziplinen kinderfreundlich?
Die traidtionellen asiatischen Kampfkünste bauen alle auf einer Philosophie auf. Es geht nicht nur ums Kämpfen, sondern vor allem auch darum, Tugenden zu entwicklen. Das Fördern guter Eigenschaften und die Charakterbildung stehen im Zentrum.
In welchen Kampfsport würden Sie kein Kind schicken?
Grundsätzlich würde ich Boxen, Kickboxen, Thai Boxen, Mixed Martial Arts (MMA) oder Krav Maga nicht empfehlen. Denn sie bergen eine gewisse körperliche Verletzungsgefahr. Bei Kindern, die sich noch im Wachstum befinden, kann ein falsches Training Schäden anrichten. Nicht nur körperlich, sondern auch an der Seele.
Wie?
Gerade Kinder mit wenig Selbstvertrauen oder Kinder mit Gewalterfahrung können im Vollkontakt-Kampfsport traumatisiert werden.
«Kinder werden durch das Ausüben einer Kampfkunst nicht nur körperlich kräftiger, sondern auch mental stärker.»
Michael Waldmeier, Kampfsportschule Aarau
Beim Karate, Judo, Aikido, Taekwondo und anderen kinderfreundlichen Kampfkünsten nicht?
Nicht in einer seriösen Schule, die Wert auf Qualität legt.
Woran erkennen Eltern die Qualität des Kampfsport-Unterrichts?
Man sollte sich online aber auch vor Ort ein Bild machen von der Philosophie und dem zwischenmenschlichen Umgang in der Schule. Wenn man ein Probetraining besucht, sieht man schnell, ob eine Lehrperson den Umgang respektvoll gestaltet. Wenn eine Kampfsportschule der Tradition der Disziplinen Beachtung schenkt und versucht, auch die dahinter stehende Philosophie im Unterricht zu vermitteln, ist das sicher ein Qualitätsmerkmal. Dann profitieren Kinder vom Kampfsport-Unterricht fürs ganze Leben.
Was lernen Kinder vom Kampfsport für Leben?
Kinder werden durch das Ausüben einer Kampfkunst nicht nur körperlich kräftiger, sondern auch mental stärker. Gerade in der heutigen Zeit, in der auf den Kindern ein starker Druck lastet, wo ihnen durch digitale Medien suggeriert wird, sie müssten irgendwelchen Idealvorstellungen entsprechen, passiert es schnell, dass man sich selbst aus den Augen verliert. Traditionelle Kampfkünste sind ein Weg, um zu sich selbst zurückzukehren. Es geht hier nicht um andere, nicht ums Gewinnen oder Verlieren. Man beschäftigt sich mit sich selbst. Es geht darum, sich selbst weiterzuentwickeln. Darauf legen wir an der Kampfsportschule Aarau grossen Wert.
«Ich würde behaupten, beim Fussball verletzen sich mehr Menschen.»
Michael Waldmeier, Kampfsportschule Aarau
Wie wirkt sich dies auf die Kinder aus?
Gerade ängstliche Kinder oder Kinder mit einem schwachen Selbstvertrauen erleben durch die Kampfkunst eine Selbstwirksamkeit und entwickeln Respekt gegenüber sich selbst. Kampfkunst sorgt für eine natürliche Balance. Sie enthält viele Elemente, die Entspannung und Konzentration fördern. Atemübungen beispielsweise. Oder den Kampfschrei, der wie ein Ventil für Emotionen wirkt.
Was antworten Sie Eltern, die sich Sorgen machen wegen der Verletzungsgefahr?
Da kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Ich bin seit über 20 Jahren in der Kampfsportschule Aarau. Ich habe im Jugendalter angefangen und in dieser ganzen Zeit nie eine Verletzung erlebt. Man geht die Übungen mit grossem Bewusstsein an und wendet gefährliche Schläge nie zum Spass an. Ich würde behaupten, beim Fussball verletzen sich deutlich mehr Menschen.