Fleisch, Fisch, Butter, aber auch Obst und Gemüse - in den vergangenen Monaten sind die Preise für Lebensmittel extrem gestiegen. In Folge achten die Menschen mehr auf Sonderangebote, aber stellen auch ihre Einkaufs- und Essgewohnheiten um, wie der aktuelle «HelloFresh 2023 Food for Thought Report» zeigt. Finanzexpertin Lisa Hassenzahl erklärt im Interview, wie Lebensmittelpreise und -verschwendung zusammenhängen und gibt Tipps, wie man mit dem richtigen Einkaufsverhalten Geld sparen kann.
Die Inflation hat sich zuletzt ein wenig abgeschwächt, aber noch immer sind die Lebensmittelpreise sehr hoch. Konsumieren die Menschen dadurch bewusster oder weniger?
Lisa Hassenzahl: Die hohen Preise bei den Lebensmitteln haben das Einkaufsverhalten vieler Konsumenten verändert - das bestätigt auch die gerade veröffentlichte Studie: 68 Prozent der Konsumenten gehen vorsichtiger mit dem Einkaufsbudget um, seit die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Generell ist der Trend zu einem bewussteren Einkaufen gut zu beobachten. Hierbei geht es vielen natürlich vor allem darum, die Ausgaben für Lebensmittel trotz der gestiegenen Preise insgesamt in dem jeweiligen Budgetrahmen zu halten. Aber gleichzeitig ist es den Konsumenten auch immer wichtiger, nur die tatsächlich benötigten Waren einzukaufen, um weniger wegwerfen zu müssen. Das stärkere Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die gestiegenen Preise gehen hier oft Hand in Hand.
Welche Produkte sind überdurchschnittlich von Preissteigerungen betroffen - und auf welche Alternativen können Konsumenten derzeit aus finanzieller Sicht ausweichen?
Hassenzahl: Besonders starke Preisanstiege gab es zunächst vor allem bei Produkten wie Fleisch und Fisch. Hier haben viele Konsumenten bereits reagiert und ihren Verzehr deutlich reduziert. Seltener und bewusster Fleisch und Fisch zu essen und gleichzeitig häufiger vegetarische Gerichte zu kochen ist eine gute Alternative, um das Budget zu schonen. Aber auch bei Obst und Gemüse sind die Preise zuletzt teilweise stark angestiegen. Hier können Konsumenten auf saisonale und regionale Produkte zurückgreifen. Diese sind günstiger und obendrein nachhaltiger.
Oft liest man Ratgeber mit Titeln wie «Eine vollwertige Mahlzeit unter x Euro». Ist es sinnvoll, schon vor dem Einkauf die Menüs nach dieser Logik zusammenzustellen - und wie kann man das vernünftig in den Alltag integrieren?
Hassenzahl: Den Einkauf zu planen, ist auf jeden Fall sehr sinnvoll. So lassen sich Impulskäufe vermeiden und die benötigten Mengen deutlich besser abschätzen. Tatsächlich reduzieren Konsumenten zum Beispiel schon zu 31 Prozent spontane Einkäufe, um Geld zu sparen. Am besten ist es natürlich, sich für die Woche einen Speiseplan aufzustellen und danach den Einkaufszettel zu schreiben. So können Zutaten optimal genutzt werden, um möglichst wenig wegwerfen zu müssen und man spart Geld.
Laut aktuellen Studien können höhere Preise dazu führen, dass die Konsumenten Lebensmittel besser verwerten und weniger wegschmeissen. Ist das auch ihre Einschätzung?
Hassenzahl: Definitiv ja! Viele Konsumenten versuchen ohnehin bereits, möglichst wenig Lebensmittel wegzuwerfen, aber die höheren Preise stellen natürlich eine zusätzliche Motivation dar, hier noch besser zu werden und erreichen auch Gruppen, die hierauf bislang nicht geachtet haben. Die gestiegenen Preise haben auch dazu geführt, dass in den Supermärkten die Angebote an reduzierten Produkten mit kurzer Haltbarkeit deutlich mehr Beachtung finden und viele Konsumenten hinterfragen das Haltbarkeitsdatum auf Produkten inzwischen kritisch.
Zu diesem Ergebnis kommt auch eine weitere HelloFresh-Studie, laut der sich 87 % der Befragten ein neues System wünschen, um besser einschätzen zu können, ob Lebensmittel noch geniessbar sind. Denn gerade bei tierischen Produkten ist der Wunsch, nichts wegzuwerfen, bei vielen sehr gross, aber gerade Fleisch und Fisch werden oft wegen gesundheitlicher Bedenken entsorgt, sobald das Haltbarkeitsdatum überschritten ist. Eine Möglichkeit, diese Bedenken zu entgehen, sind Kochboxen: Hier wird nur geliefert, was zum Kochen benötigt wird. So entgeht man Lebensmittelverschwendung und gibt gleichzeitig kein Geld für Lebensmittel aus, die dann im Müll landen.
Viele Supermärkte bieten mittlerweile Produkte mit (fast) überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum oder «hässliches» Obst zu vergünstigten Preisen. Sind das echte Schnäppchen oder landet dafür am Ende mehr Essen im Hausmüll, weil die Produkte doch nicht mehr verwertet werden?
Hassenzahl: Immer mehr Supermärkte bieten Waren in separaten Bereichen an oder kennzeichnen sie gut sichtbar in den regulären Regalen. Hier kann man wirklich sparen, wenn man ein bestimmtes Produkt ohnehin auf dem Einkaufszettel hat und es zeitnah verbraucht wird. In dem Fall gerne auch bei nicht ganz perfektem Obst und Gemüse und bei Lebensmitteln mit kürzerer Haltbarkeit zugreifen, sofern es in den Speiseplan passt. Das spart Geld und reduziert die Lebensmittelverschwendung bei den Supermärkten. Grundsätzlich gilt aber auch hier: Vorsicht vor Impulskäufen! Denn die günstigeren Produkte sind natürlich nur dann ein Schnäppchen, wenn sie am Ende nicht trotzdem im Müll landen, weil sie zusätzlich zu den eigentlich geplanten Waren gekauft wurden.
Welche allgemeinen Tipps neben der «Preis pro Portion»-Methode für Verbraucher gibt es, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und so unterm Strich «mehr fürs Geld» zu bekommen?
Hassenzahl: Niemals hungrig und im Optimalfall mit Einkaufszettel in den Supermarkt zu gehen, ist und bleibt ein wichtiger Tipp. Das vermeidet Impulskäufe, die zum einen teuer werden können und zudem oft dazu führen, dass man am Ende zu viel in den Einkaufswagen packt. Übrig gebliebenes Essen kann man am nächsten Tag auch in einer Dose mitnehmen, anstatt sich etwas in der Kantine oder unterwegs zu kaufen. Ein weiterer Tipp: sich ein Budget für seine Ausgaben im Supermarkt setzen.
Und ganz wichtig: Lebensmittel richtig lagern! Manche Gemüsesorten gehören in den Kühlschrank, andere auf keinen Fall und Obstsorten vertragen sich nicht alle in einer Obstschale. Online gibt es tolle Tipps für die richtige Lagerung. Zudem gilt natürlich: Abgelaufene Lebensmittel nicht blind wegwerfen, sondern prüfen, ob sie noch geniessbar sind. Das ist meist noch deutlich länger der Fall.
Viele Kostenfaktoren bei Lebensmitteln können Verbraucher nicht steuern - gibt es dennoch Möglichkeiten, durch die Kaufentscheidung auf die Preisentwicklung bzw. -stabilität Einfluss zu nehmen?
Hassenzahl: Wer saisonal kauft, kauft oft günstiger. Das ist ein Grundsatz, bei dem die Konsumenten nicht nur gute Qualität kaufen, sondern vor allem auch Geld sparen können. Saisonalität geht im Lebensmittelhandel oft auch mit Regionalität einher. Gerade im Bereich von ultrafrischen Lebensmitteln wie beispielsweise Obst und Gemüse entscheidet der Saisonverlauf über regionale und gar lokale Verfügbarkeit von Produkten. Dies hat natürlich auch einen Einfluss auf die Beschaffungswege und sorgt beispielsweise für geringere Transport- und Dienstleistungskosten innerhalb der Lieferkette.
Ein einfacher Trick zur Stärkung eines saisonalen Einkaufsverhaltens: Ist es draussen warm, essen wir automatisch etwas Leichteres wie Blattsalate, Grillgemüse wie Auberginen, Zucchini, etc. Steinobst und Melonen sind typische saisonale Klassiker im Sommer. Wird es draussen etwas kühler und steht der Herbst vor der Tür, stehen Kohlsorten, Kürbisse und Kartoffeln höher im Kurs.
Wie schätzen Sie die weitere Preisentwicklung vor allem im Lebensmittelbereich ein? Sinken die Preise wieder auf das Niveau vor Corona und dem Ukraine-Krieg oder handelt es sich eher um eine kurze Erholungspause vor weiter steigenden Preisen?
Hassenzahl: Eine Preisentwicklung zurück auf das Jahr 2019 wird es in Summe nicht geben, das erlaubt unsere Marktwirtschaft schon aus Prinzip nicht, denn in der Lieferkette werden Preisrückgänge dann durchaus auch zur Vergrösserung der Margen genutzt. In einzelnen Warengruppen sind im Monatsvergleich jedoch bereits wieder Preissenkungen zu beobachten. Zum Beispiel sind die in 2022 stark angestiegenen Preise für Butter wieder gesunken (um 23 %) und auch bei Obst und Gemüse entspannt sich die Lage etwas. Allerdings wirken hier natürlich saisonale Schwankungen weiter, wie Statistiken zeigen.
Die Preisentwicklung hängt jedoch von sehr vielen Faktoren ab und ist daher sehr schwierig zu prognostizieren. Die Corona-Pandemie, der blockierte Suezkanal, der Ukrainekonflikt und nicht zuletzt die immer häufiger eintretenden Wetterextreme sind nur einige Beispiele. Insofern lohnt es sich für Verbraucher zum einen saisonal und möglichst regional einzukaufen und gleichzeitig auch ein wenig das grosse Ganze im Blick zu halten. Extreme Trockenheit in Italien kann zum Beispiel zu steigenden Tomatenpreisen führen und in der Folge auch zu steigenden Preisen bei Produkten wie Dosentomaten und Tomatenmark. Hier lohnt sich dann vielleicht ein kleiner Vorrat.