Eine Berufsbezeichnung für Kanye West, 43, zu finden, ist schwierig. Einst war er einfach Rapper. Mittlerweile ist er Mode-Ikone und -Designer, Musikproduzent, vierfacher Vater und der Mann an der Seite von Kim Kardashian, 39. Und nun könnte sich bald noch eine weitere Tätigkeit dazugesellen: Wie West am Samstag auf Twitter verkündet hat, steigt er ins Rennen um das Amt des US-Präsidenten.
Seine Kandidatur machte Kanye gewohnt mysteriös publik. «Wir müssen jetzt die Verheissung Amerikas verwirklichen, indem wir auf Gott vertrauen, unsere Vision vereinen und unsere Zukunft aufbauen», stand in seinem Tweet. Er werde für das Präsidentschaftsamt kandidieren, kündigte er weiter an. Falls er sein Versprechen hält, wird er gegen den Republikaner Donald Trump, 74, der sich zur Wiederwahl aufgestellt hat, und den Demokraten Joe Biden, 77, antreten. Und nun also Kanye West als möglicher unabhängiger Kandidat. Aber wofür steht der eigentlich und womit hat er bereits Aufmerksamkeit erregt?
Ein unbeschriebenes Blatt in Sachen Politik ist Kanye West nicht. Bereits 2015 kündigte er bei den MTV Music Awards an, sich für den Präsidentschafts-Posten 2020 zur Wahl zu stellen.
Und in der Zwischenzeit hat er seine Meinung zu vielem geäussert – und mit seinen teils konservativen Ansichten angeeckt. Abtreibungen heisst er nicht gut und sieht sich auf der Seite Gottes. Oder gar als Gott himself, rappt er in einem seiner Songs «I Am A God». Auch mit Aussagen zur Sklaverei sorgte er für Wirbel, erklärte er doch gegenüber «TMZ», dass es bei 400 Jahre andauernder Sklaverei «wirkt, als ob wir Schwarzen uns dafür entschieden hätten». Später entschuldigte er sich für die Aussage, gedruckt und gespeichert war sie dennoch.
Im Oktober 2018 sprach er sich des Weiteren für das «Second Amendment» aus, das US-amerikanische Recht, als Privatperson Waffen zu halten. West begründete, dass illegal gehaltene Waffen das Problem seien, «nicht legale Waffen».
Ein weiteres politisches Statement setzte der Rapper kürzlich gegen Rassismus, als er nach dem durch Polizeigewalt umgekommenen Schwarzen George Floyd an einer Black-Lives-Matter-Demonstration teilnahm und zwei Millionen US-Dollar spendete, um Opfer von Polizeigewalt zu unterstützen.
Im Rahmen eines Konzertes offenbarte West, bei den Präsidentschaftswahlen 2016 keine Stimme abgegeben zu haben. Hätte er das getan, hätte er aber Donald Trump gewählt, sagte er.
Im Oktober 2018 stattete West dem US-Präsidenten schliesslich einen Besuch im Weissen Haus ab, wo er sich mit einer «Make America Great Again»-Kappe, Trumps Wahlspruch, deutlich zum radikalen politischen Programm Trumps bekannte. Mit Sprüchen à la er «liebe diesen Typen hier» und Umarmungen verstärkten die beiden den Eindruck, eine enge Bindung zu haben.
Dass Kanye sich nun selber als Präsidentschafts-Kandidat aufstellen lässt, erachten manche Twitter-User als eiskalte Berechnung, um seinem Kumpel Donald zu helfen. Sie denken, dass West als Afroamerikaner die Stimmen junger schwarzer Wähler bekommen könnte – und damit diejenigen, die eher an Joe Biden als an Donald Trump gehen dürften, was Letzterem einen Vorteil verschaffen könnte.
Seit 2012 ist Kanye West mit Kim Kardashian liiert, seit Mai 2014 sind der Musiker und die Reality-TV-Darstellerin verheiratet. Gemeinsam haben sie vier Kinder: North, 7, Saint, 4, Chicago, 2, und Psalm, 1.
Ihre Liebe ist nicht nur gefundenes Fressen für die Klatschspalten, sondern findet immer wieder Einzug in die Reality-Show «Keeping Up With the Kardashians». Auch in den sozialen Medien sorgen die teils schrägen Arrangements des Paars immer wieder für Aufsehen. Erst kürzlich posierte das Ehepaar West im Allover-Leder-Look und in aussergewöhnlicher Aufstellung fürs Instagram-Profil.
Ebenso legendär: Der Auftritt an der Met Gala 2019. Kims nudefarbener Dress mit Wassertropfen-Applikationen sorgt noch heute für Furore. Dass Kanye neben dem Wow-Dress wortwörtlich in den Hintergrund rückte? Fast genauso.
Ein Garant für gute Laune ist er nicht wirklich, der Kanye. Oder ob es einfach zum Image eines Rappers gehört, ernst dreinzuschauen? Kanye jedenfalls hat den betont genervten Gesichtsausdruck perfektioniert. Cool? Kann er.
Da ist es fast schon eine Schlagzeile wert, posiert er mal lachend für die Kameras. Da muss man glatt zweimal hinschauen, um hinter den strahlend weissen Zähnen den normalerweise grummelnden Musiker zu erkennen.
Im Alter von 39 Jahren wurde bei Kanye West eine bipolare Störung diagnostiziert. Er habe immer wieder schlimme Schübe, in denen er alle Menschen um sich herum als Schauspieler empfindet, erklärte er in der «Letterman»-Show. Sein Kopf sei jeweils «wie ein verstauchtes Gehirn». Während der Schübe kann er nicht mehr klar denken. «Ich bin dann überzeugt, die Regierung implantiert Chips in deinen Kopf. Ich bin überzeugt, dass man mich filmt und überwacht. Ich rede mir dann ein, dass alle mich töten wollen. Ich vertraue niemandem mehr.»
«Ich rede mir ein, dass alle mich töten wollen»
Kanye West
Die psychische Störung verleihe ihm aber auch «Superkräfte». Er sei froh, könne er Musik machen, während viele andere Betroffene nicht dieselben Möglichkeiten hätten. Er sei «gesegnet und privilegiert».
Sehen wir Kanye also bald schon als Nachfolger von Donald Trump? Die Präsidentschaftswahl ist zwar erst für den 3. November 2020 vorgesehen. Dennoch sind die Chancen, überhaupt noch zur Kandidatur zugelassen zu werden, relativ gering. Mit Trump und Biden haben die beiden grossen Parteien bereits ihre Kandidaten ins Rennen geschickt. Kanye könnte sich also nur noch als Unabhängiger auf die Liste setzen lassen.
Aber auch das dürfte schwierig werden: In vielen Bundesstaaten ist die Frist bereits abgelaufen. In Florida hat West theoretisch noch Chancen. Wie das «Handelsblatt» berichtet, müsste West bis am 15. Juli mehr als 132'000 gültige Unterschriften sammeln, um im Sunshine State als Kandidat geführt zu werden.
Es bleibt spannend, wie es um Kanye Wests Ambitionen steht. Denn wenn wir eines aus der Wahl 2016 gelernt haben, dann, dass mit Überraschungen immer gerechnet werden muss. Ob es im Westen bald was Neues gibt? West stünde dafür bereit.