Ewig hin- und herüberlegen ist nicht die Art von Anja Leuenberger, 29. «Ich bin ein Bauchmensch», gibt sie offen zu. So fackelt die Aargauerin nicht lange, als sie nach zwölf Jahren in New York im Sommer beschliesst, ihre Zelte im angesagten Stadtteil Chelsea abzubrechen und heimzukehren. Sie wohnt jetzt am Zürcher Stadtrand: Sihl statt East River, Spaziergang über die ruhige Buchenegg statt Gehetze durch den lauten Grossstadtdschungel. Anja teilt sich die neue Drei-Zimmer-Dachwohnung mit ihrer grossen Liebe: Shadow, 2. Ein Dackel. Anja nennt ihn Dachshund. Er ist ein kleiner Frechdachs.
Noch ists ein bisschen leer in der Wohnung im vierten Stock, direkt unterm Dach. Das Container-Frachtschiff mit Anjas Sachen legt in ein, zwei Wochen in Amsterdam an, dann wird alles auf einen Lkw umgeladen und zu ihr in die Schweiz geliefert. «Es sind vor allem Kleider, Dokumente und ein paar persönliche Dinge.» Die Einrichtungsgegenstände aus ihrem New Yorker Apartment hat das Topmodel verkauft. «Ich hänge nicht so sehr an Dingen.» Ausnahme: ein kleines Bänkli. «Ein Vintage-Teil, das ich quer durch New York schleppte. Es ist das einzige Möbelstück, das ich eingepackt habe und das mich in der Schweiz fortan an meine beste Freundin erinnern wird.»
Anjas beste Freundin ist Ronja Furrer: 29 Jahre alt, Model und Schweizerin – wie Anja. Der Abschied der beiden am JFK-Airport ist sehr emotional ausgefallen, sogar Tränen sind geflossen. «Wir verstehen uns auf so vielen Ebenen, sind immer füreinander da.» Doch auf dem rund achtstündigen Flug in die Schweiz weicht schliesslich Anjas anfängliche Traurigkeit und macht der Freude über die Rückkehr in die Heimat Platz. Ein bisschen sei sie auch aufgeregt gewesen, ob wohl alles glatt laufen werde.
Die Zügelei läuft mehr als glatt. Eine einzige Wohnung schaut sich Anja in ihren Ferien im vergangenen August in der Schweiz an. «Da wars noch eine Baustelle, das Dachgeschoss wurde erst ausgebaut.» Überhaupt sei ihr der Gedanke der Rückkehr sehr spontan gekommen. Corona war nur ein Grund. «Mit Beginn der Pandemie konnte ich meine Familie anderthalb Jahre nicht mehr besuchen.» Zwar hält Anja in dieser Zeit regelmässig via Facetime und Whatsapp-Videocall Kontakt zu ihrer Mutter, zur Schwester und zum Vater, aber es gibt Momente, wo sie sagen möchte, dass es ihr gerade nicht so gut geht, sie aber lieber den Mund hält, um ihre Liebsten nicht zu sehr zu belasten. «Am Ende weinten meine Mutter und ich dann aber gemeinsam am Telefon.»
Das «Corona-Timeout» hat für Anja auch gute Seiten gehabt. «Die letzten sieben Jahre konnte ich fast nie Ferien machen.» Ihr Leben bestand aus Shows der grossen Modedesigner und Fotoshootings. «Während der Pandemie aber hatte ich erstmals Zeit nur für mich.» Anja belegt Kurse als Yoga-Lehrerin, lernt beim Reiki verschiedene Formen sogenannter Energiearbeit kennen und lässt sich in Techniken des Handauflegens einarbeiten. «Das alles machte ich, um mich und meinen Körper besser kennenzulernen, weniger, um selbst als Yoga-Lehrerin zu arbeiten.» Modelaufträge nimmt sie weiter wahr, bleibt aber gern in Europa.
Kommendes Jahr im August wird Anja 30. Vielleicht ist es für sie der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. «30 ist zwar nur eine Zahl, und ich fühle mich manchmal eigentlich noch wie 19 oder 20. Aber da ist jetzt schon der Gedanke, irgendwann vielleicht Mutter zu werden.»
«Eine schöne Familie, zwei Kinder, happy, gesund, vier Dackel» – so kann sich Anja, die im Moment noch Single ist, ihr Leben in der Schweiz in einigen Jahren durchaus vorstellen. Früher sei sie der Ansicht gewesen, ein Kind reiche. «Aber mein Astrologe meint, ich werde zwei haben», sagt sie schmunzelnd. Er sagte ihr auch voraus, dass Shadow in ihr Leben tapsen werde. Alle sechs, sieben Monate sucht Anja einen Wahrsager oder Sterndeuter auf. «Ich bin halt ein kleines Feelein.» Schon früh kommt sie mit spirituellen Dingen in Verbindung – durch ihre Mutter. «Ich finde es spannend, und es passt zu mir. Ich bin sehr feinfühlig, entscheide viele Dinge in meinem Leben aus dem Gefühl heraus.»
Da ist es wieder, Anjas Bauchgefühl. Es hat sie zurückgeführt in die Heimat. Wer weiss, wohin es sie noch führt?