Stefan Gubser, 64, steht unter Strom. Lange Zeit war der Schauspieler zum Nichtstun verdammt. Jetzt kann es der langjährige ehemalige Luzerner «Tatort»-Kommissar kaum erwarten, zusammen mit seiner Bühnenpartnerin Regula Grauwiller, 50, für ihre szenische Lesung mit dem Titel «Beltracchi – ‹Unverfälscht›» endlich wieder auf einer Theaterbühne zu stehen. Premiere feiern sie in einer Woche – am 20. November – in der Zürcher Tonhalle. Für das Interview mit der Schweizer Illustrierten schlägt Stefan Gubser denn auch den frisch renovierten Gebäudekomplex mitsamt Kongresshaus vor. Die Vorfreude ist Gubser anzumerken, er ist eine Viertelstunde früher als seine Frau Brigitte, 60, am Treffpunkt, und er will gleich zu Beginn des Gesprächs etwas klarstellen ...
... nach über zwei Jahren Nichtstun ...
Stefan Gubser: Halt! Es ist nicht so, dass ich nichts getan habe in den vergangenen Coronamonaten. Ich konnte zwar nicht auf der Bühne stehen und drehte keine Filme. Aber ich nutzte die Zeit, Projekte zu entwickeln – und mit denen trete ich jetzt endlich auf. In Hamburg feierten wir gerade mit «Die Deutschlehrerin» an den Kammerspielen Premiere. Und nächste Woche wird hier in Zürich unser Stück über Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi und dessen Ehefrau Helene erstmals aufgeführt. Die beiden sitzen im Publikum, und es gibt eine kleine Ausstellung mit einigen seiner Bilder.
Brigitte, wie war es während Corona, als Ihr Mann plötzlich ständig zu Hause war?
So gross war die Umstellung gar nicht. Stefan arbeitete zuvor schon viel von daheim aus, war nur für Dreharbeiten weg. Im Lockdown, als er keine Engagements hatte, arbeitete er einfach mehr an seinen Projekten, während ich in Zoom-Meetings war und meine Arbeit tat. Wir haben zudem spontan eine Art Corona-WG mit lieben Freunden und Nachbarn gegründet ...
Stefan: ... mit TV-Moderatorin Sandra Studer und ihrem Mann Luka.
Brigitte: Wir haben jede Woche zusammen gekocht und gegessen und dabei viel geredet und Zeit miteinander verbracht. Für andere Nachbarn gingen wir einkaufen oder machten kleine Botengänge. Trotz allen Einschränkungen war es auch eine schöne Zeit.
Gabs nie verzweifelte Momente?
Stefan: Als zweimal kurz hintereinander unsere Inszenierung an den Kammerspielen Hamburg abgesagt wurde, hatte ich schon meine liebe Mühe damit: zweimal aufs Stück vorbereitet, zweimal geprobt – und dann zwei Tage vor der Premiere wegen Corona abgesagt. Ich bin halt auch in einem Alter, wo ich Texte nicht mehr ein Jahr bei mir behalte. Von daher fand ichs sehr, sehr mühsam.
Brigitte, merkten Sie ihm das an?
Ja, schon, wenngleich Stefan nicht derjenige ist, der in Depressionen verfällt. Aber nach diesen Absagen kurz vor der Premiere war er sehr geknickt.
Stefan: Ich kann sonst mit solchen Situationen locker umgehen, aber irgendwann ging es mir ans Eingemachte, und ich dachte nur: Jetzt muss doch mal was passieren.
Ist das mit ein Grund dafür, dass Sie sich jetzt für die Impfkampagne des Bundes einsetzen?
Natürlich! Ich bin schliesslich nicht der Einzige, der unter den Folgen der Pandemie leidet, sie betrifft viele Menschen aus anderen Berufsgruppen ebenfalls. Für mich hat der Piks deshalb auch einen sozialen Aspekt.
Woraus schöpften Sie in der harten Zeit Kraft?
Stefan: Wir waren oft in den Bergen, liefen bei uns daheim stundenlang auf dem Pfannenstiel. Die Natur ist unsere Kraftquelle. Zudem lasen wir viel. Bücher sind eine wunderbare Quelle, um zu entspannen und auf andere Gedanken zu kommen ...
Brigitte: ... und du hast viel meditiert.
Stefan: Stimmt!
So mit Klangschalen und Räucherstäbchen?
Nein, für mich hat das nichts mit Esoterik zu tun. Ich meditiere jeden Morgen um sechs Uhr für eine halbe Stunde. Für mich ists ein Mentaltraining mit dem Ziel, mein Leben genau so zu akzeptieren, wie es ist, ohne ständig ändern zu wollen, was ohnehin nicht zu ändern ist. Corona war ein zusätzliches Übungsfeld, nicht zu zweifeln oder zu verzweifeln.
Apropos verzweifeln: Wenn Sie nicht gerade in der Corona-WG waren, wer hat bei Ihnen während des Lockdowns gekocht?
Brigitte: Da wir meinen 60. Geburtstag leider nicht mit der Familie und Freunden gross feiern konnten, schenkte mir Stefan einen Thermomix. Wobei, er kaufte ihn für mich und für sich ...
Stefan: Brigitte wünschte sich schon immer, dass ich mal mit Kochen anfange. Und als ich plötzlich mit dem Thermomix in unserer eher kleinen Küche stand ...
Brigitte (lacht): ... wünschte ich mir, dass er wieder aufhört damit.
Stefan: Aber es hat Spass gemacht, und ich überwand eine Hemmschwelle, die ich früher hatte. Meine Frau kocht extrem gut und extrem schnell. Ich kann beides nicht. Sie guckt kurz in den Kühlschrank und zaubert aus dem, was sie findet, ein superfeines Essen auf den Tisch.
Aber haben Sie jetzt was gelernt in der Küche?
Stefan: Ja, schon.
Brigitte: Sein Broccoli-Rohkost-Salat mit Pinienkernen ist grandios, er hat eine gute Fischsuppe hinbekommen, selber Frischkäse gemacht und als Dessert ein echt leckeres Bananenglace. Nur die Bolognesesauce war ... na ja.
Stefan: Das lag am Rezept.
Brigitte: Stimmt – ich bin stolz auf dich!
Zwölf Jahre löste Stefan Gubser als «Tatort»- Kommissar Reto Flückiger Mordfälle – zuerst am Bodensee, nach seiner Versetzung nach Luzern am Vierwaldstättersee. Ende 2019 wurde er ersetzt. Er hat inzwischen eine Firma gegründet – Wortspektakel –, zusammen mit Schauspielkollegin Regula Grauwiller. Mit ihr verbinde ihn die Freude an anspruchsvollen Texten. «Drehbücher fürs TV sind oft schon sehr leichte Kost», sagt Gubser. Eigentlich kehre er jetzt zu seinen Wurzeln zurück. «Denn viele Jahre vor meiner ‹Tatort›-Zeit produzierte ich bereits Theaterstücke. Jetzt bin ich wieder unabhängiger, auch wenn das mehr Arbeit und Verantwortung mit sich bringt.»
Werden wir Sie künftig nur noch auf Theaterbühnen sehen?
Im Moment ja. Aber ich möchte mich nicht festlegen. Wenn mir ein interessantes Drehbuch vorliegt, werde ich der Letzte sein, der Nein sagt. Es ist aber auch so, dass man mit einer Rolle wie dem «Tatort»-Kommissar in eine Schublade gesteckt wird. Nur: Ich passe nun mal in keine Schublade, habe immer verschiedene Sachen gemacht. Und im Moment interessiert mich wieder mehr das Unternehmerische am Künstlerberuf.
Nächstes Jahr werden Sie 65 und bekommen AHV-Rente.
(Lacht.) Vor zehn Jahren dachte ich: Wie schön wird es, wenn ich pensioniert bin. Jetzt ist das überhaupt keine Option für mich. Sicher werde ich etwas weniger machen, aber ich bin wie meine Frau: Ich muss immer etwas Neues anreissen. Das hält mich jung, es hält uns beide jung.
Haben Sie eigentlich letzten Sonntag «Tatort» geschaut im TV?
Nein!
Wieso?
Das Thema ist durch. Abgehakt. Ich habe andere Interessen.
Höre ich da Groll heraus?
Nein, überhaupt nicht! Ich habe sehr positive Gefühle, es war eine gute Zeit, und die Rolle hat mir auch finanziell Sicherheit gegeben. Ich möchte es auf keinen Fall missen, auch wenn ich im ersten Moment etwas enttäuscht war, zumal ich eine andere Abmachung mit dem Schweizer Fernsehen hatte. Aber im Nachhinein betrachtet wars das Beste, was mir passieren konnte, weil es mich aus meiner Komfortzone herausgeholt und mich dazu gebracht hat, wieder selber aktiv zu werden und eigene Dinge auf die Beine zu stellen.