Die Entscheidung zu seinem Rücktritt erklärt der schnellste Schweizer Marathonläufer aller Zeiten so: «Angenommen, dein Lieblingsessen ist Spaghetti Carbonara. Du füllst dir den Bauch damit. Bist zufrieden. Dann schöpfe ich dir nochmals nach. Wirst du noch essen?»
Tadesse Abraham beendet seine Karriere Ende 2024 entschlossen. Zuvor stellt er aber nochmals klar, dass er auch mit 42 Jahren mit den Weltbesten mithalten kann. Beim Marathon von Valencia läuft «Tade» im Dezember mit einer Zeit von 02.40.40 Stunden als Fünfter über die Ziellinie. Schweizer Rekord! Danach nimmt er noch an kleineren Wettkämpfen teil, etwa am Escalade-Lauf in Genf, der Stadt, in der er wohnt, und am Zürcher Silvesterlauf.
Tadesse Abraham ist beim Marathon von Valencia im Dezember 2024 der erste Schweizer, der unter 02.05 Stunden läuft.
EPA«In Zürich habe ich meine Laufkarriere begonnen und die Saison jedes Jahr mit diesem Rennen beendet», erklärt er. Doch dieses letzte Mal ging ihm der Auftritt nahe: «Ich wollte mich vom Publikum verabschieden, das mich zwanzig Jahre unterstützt hat. Das Rennen war kein Problem. Der Abschied tat weh.» Warum also auf dem Höhepunkt der Karriere gehen? «Ich möchte selbst entscheiden, wann ich aufhöre. Das kann nicht der Sport für mich tun.»
Tadesse Abraham wurde in Eritrea geboren. Dort musste er jeden Tag bis zu 20 Kilometer zu Fuss zur Schule gehen. Schnell fiel sein Lauftalent auf, er schaffte es in die Nationalmannschaft seines Landes. Doch 2004 musste er fliehen und kam, 22-jährig, in die Schweiz, nach Uster ZH. «Ich war jung. Es war schwierig, Kultur und Sprache zu lernen», erinnert er sich vergangenes Jahr in einem Interview. «Aber wenn du weisst, dass du keine Wahl hast, tust du es. Der Sport hat mir geholfen, mich zu integrieren.»
«Ich möchte meiner Familie etwas zurückgeben.» Tadesse Abraham gibt Frau Senait einen herzhaften Kuss.
Nicolas RighettiVier Schweizer Rekorde, Europameister im Halbmarathon, Siebter bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 – auf seine Erfolge ist Abraham stolz. Gleichzeitig meint er bescheiden: «Ich möchte die Menschen inspirieren. Ob es gelingt, muss die Öffentlichkeit beurteilen.» Und: «Ich will dem Land, das mich aufgenommen hat, einen Dienst erweisen.»
Erfahrungen weitergeben
Nun warten neue Ziele, neue Träume auf den Spitzenläufer. Abraham will als Manager durchstarten. «Ich habe schon einige Athletinnen und Athleten, die ich begleiten werde», erzählt er, während er daheim in Genf das Essen zubereitet. Seine Frau Senait, die danebensteht, sagt: «Ich freue mich darauf, ihn nun öfter zu Hause zu haben.» Auch Tadesse Abraham freut sich auf die Zukunft. «Meine Frau und mein Sohn haben mich immer unterstützt. Es ist eine grosse Ehre, eine solche Familie zu haben. Nun möchte ich ihnen etwas zurückgeben.»