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Skirennfahrer Niels Hintermann nach Krebsdiagnose

«Ich war sofort im Kampfmodus»

Krebs! Die Diagnose trifft den Skifahrer Niels Hintermann völlig unvorbereitet. Nun hat er Chemotherapie und Bestrahlung hinter sich und spricht über die schwere Zeit. «Es sieht positiv aus, vom Tumor kann man nichts mehr fühlen.»

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Der zweite Zyklus der Chemotherapie war happig. Trotzdem sagt Skirennfahrer Niels Hintermann: «Ich will mich nicht beklagen.»

Der zweite Zyklus der Chemotherapie war happig. Trotzdem sagt Skirennfahrer Niels Hintermann: «Ich will mich nicht beklagen.»

Sven Thomann

Es ist ein Schock, als Abfahrts-Crack Niels Hintermann (29) am 9. Oktober letzten Jahres vor die Medien tritt und erklärt, warum er die bevorstehende Skisaison verpassen wird: Er hat Lymphdrüsenkrebs. Der Tumor wird kurz zuvor in einem Trainingslager von einem Physiotherapeuten entdeckt. Inzwischen hat der Zürcher seine Behandlung abgeschossen und erzählt, wie er die schwere Zeit erlebt hat.

Zwei Zyklen Chemotherapie und Bestrahlungen liegen hinter dir. Wie sieht es gesundheitlich aus? Kannst du einen grünen Haken setzen?

Niels Hintermann: Für mich sicher. Ich habe aber noch keine definitiven Resultate. Man muss nach Ende der Bestrahlung sechs Wochen warten mit der Computertomografie. Es sieht aber sehr positiv aus, man kann vom Tumor nichts mehr fühlen. Das ist ein gutes Zeichen. Die Ärzte erwarten, dass die Scans gut aussehen, aber wir wissen es noch nicht genau.

Wie läuft so eine Chemo ab? Nimmst du uns mit auf diese Reise?

So etwas wünscht man wirklich niemandem. Ich hatte das Glück, dass ich körperlich extrem fit war, als ich startete. Das hilft. Ich hatte zwei Zyklen, ein Zyklus bestand aus zwei Infusionen. Etwa vier Stunden lang liefen verschiedene Medikamente in meinen Körper. In diesem Moment spürt man noch nicht so viel, ich wurde einfach kreideweiss. Nach den ersten beiden Infusionen fühlte ich mich sehr gut. Ich war nur sehr müde, bekam Schlafprobleme. Ich hatte überhaupt keine Schlafqualität mehr. Der Ruhepuls lag zwischen 70 und 85, normalerweise liegt er bei 46. Der Körper hat permanent gearbeitet. Doch das war noch harmlos. Bei den Infusionen des zweiten Zyklus ging es mehr zur Sache.

Inwiefern?

Die Nebenwirkungen traten bei mir erst so zwei, drei Tage später auf. Schon beim Aufstehen war mir kotzübel, ich hatte Gliederschmerzen. Die Chemo bekämpft nicht nur die Tumore, sondern auch das Knochenmark, das dafür verantwortlich ist, dass sich Blut bildet, wir Abwehrkräfte haben. Mein Immunsystem war inexistent in dieser Zeit. Ich hatte nur schon Mühe, aus dem Bett zu kommen. Ich will mich aber nicht beklagen, ich hatte in den zwei Monaten der Chemo sieben oder acht schlechte Tage. Es hilft wirklich, wenn man fit ist.

Der Spitzensportler in der Chemo­the­rapie. Niels musste zwei Zyklen absolvieren, ­danach folgte die Bestrahlung.

Der Spitzensportler in der Chemotherapie. Niels musste zwei Zyklen absolvieren, danach folgte die Bestrahlung.

Instagram/nielshintermann

Was passiert bei einer Bestrahlung?

Das ist eine krasse Maschine. Man liegt auf einem Tisch in einer Maske, die eigens für einen angefertigt wird, damit man immer gleich liegt und sich nicht bewegen kann. Dann fährt eine Art Arm um einen rum und bestrahlt. Das alles dauert nicht lange, zehn Minuten alles in allem, die Bestrahlung alleine nur zwei Minuten. Da merkte ich wirklich gar nichts, keine Nebenwirkungen.

Hast du den Willen nie verloren?

Nein. Ich habe im Mentaltraining daran gearbeitet, an dieser Akzeptanz für schlechte Tage. Das werde ich auch mit in die Zukunft nehmen. Ich darf mich nicht vergleichen mit dem Niels von vor drei Monaten oder mit dem in drei Monaten. Ich darf nur den Tag zuvor als Vergleich beiziehen. Und dann akzeptieren, dass es schlechte Tage gibt und es diese geben darf. Privat, konditionell, schulisch oder auf dem Schnee. Das konnte ich bisher nicht annehmen, und das hat mir jetzt die Augen geöffnet.

«Was ich mir wünsche? Gesundheit. Alles andere wird sich zeigen»

Niels Hintermann

Jetzt musst du warten, bis du weisst, ob die Behandlung erfolgreich war. Du sagtest, du hast die Erkrankung in Südamerika in einem Trainingscamp bemerkt?

Ja, ich fuhr ganz normal Riesenslalom und absolvierte dann ein Speedtraining. Danach hatte ich das Gefühl, dass mein Nacken «zu» ist. Ich ging zum Physio. Er erklärte mir, dass meine Lymphknoten sehr gross seien, und bat mich darum, das abzuklären, einfach, um sicher zu sein. Ich machte das Trainingscamp ganz normal fertig, ich hatte ja keine Symptome. Auch keine Panik zu diesem Zeitpunkt. Als dann die ganzen Untersuchungen losgingen, fing es schon an zu rattern in meinem Kopf. Die Ärzte versuchten, mich zu beruhigen, da sei sicher nichts. Und dann war da doch etwas.

Dieser Moment …

Der war nicht schön. Ich hatte zwei Tage lang jeden Untersuch, den es gibt. Der Chefarzt von Swiss-Ski, Walter Frey, bekam die Resultate und konnte sofort sehen – da war nicht alles gut. Er rief den Onkologen an, doch der war in den Ferien. Wir haben dann nach Ärzten gesucht, die uns die Diagnose erklären können. Ich war Anfang Oktober auf dem Weg nach Dübendorf zu den Skitagen, als Walter Frey mich anrief und sagte, es ist so, du hast Krebs. Ich hatte überhaupt keine Berührungspunkte dazu in der Familie oder bei Freunden, und man assoziiert das Thema sehr schnell mit dem Tod. Das war richtig hart. Ich musste ein paar Tage warten bis zur Besprechung. Aber ich wusste relativ schnell – mein Krebs ist gut heilbar, es geht nicht um Leben und Tod. Der Sport geriet sofort in den Hintergrund.

Hast du gegoogelt wie blöd?

Nein. Walter Frey sagte mir und meiner Frau Lara, wir sollten nicht googeln, sondern die Fragen aufschreiben. Die Ärzte nahmen sich dann am Tag der Besprechung lange Zeit, um alle unsere Fragen zu beantworten. Danach war es sehr klar. Ich wusste, es gibt zwei, drei schwierige Monate. Doch ich war sofort im Kampfmodus. Er ist sehr gut heilbar. Ich werde keine Folgen davon haben. Ab da war alles gut für mich.

«Das Feuer brennt noch», sagt Niels Hintermann. Nach Val Gardena ist er auch in ­Adelboden am ­Pistenrand ­dabei.

«Das Feuer brennt noch», sagt Niels Hintermann. Nach Val Gardena ist er auch in Adelboden am Pistenrand dabei.

Sven Thomann

Die Erklärung der Ärzte war wie eine Befreiung?

Wenn man mit Onkologen zu tun hat, gibt es ein grosses Spektrum an Diagnosen. Meine war mit Abstand die Best-Case-Situation. Es waren keine Organe befallen, der Tumor war an einer isolierten Stelle, am Hals, weit weg von allem, was kaputtgehen könnte, auch in Zukunft. Klar war die Diagnose ein Schock, doch meine Frau und ich waren zuversichtlich. Das hat es einfacher gemacht, für sie, für mich, für meine Familie. Wir konnten auf einmal auch viel Zeit miteinander verbringen, Qualitätszeit. Ich habe einige Spiele des Hockeyklubs ZSC live gesehen, viel gekocht, Brettspiele gespielt. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille, und es kommt darauf an, welche Seite man anschaut. Während des ersten Zyklus konnte ich auch noch etwas trainieren. Während des zweiten hatte ich da keine Chance mehr.

Wir haben uns ja in Val Gardena getroffen. Ist es hart für dich, während der Skirennen an der Seitenlinie zu stehen? Brennt das Feuer noch?

Klar, das Feuer brennt. Die abgesperrten Pisten, das Kaiserwetter. Ich freue mich, dort wieder dabei zu sein. Im Moment aber stört es mich nicht so, nicht fahren zu können. Ich bin körperlich zu weit weg. Ich habe mich mega gefreut für Marco Odermatt, Franjo von Allmen, Lars Rösti, das ganze Team. Es war schön, mal wieder dabei zu sein. Alle Athleten kamen zu mir, aus allen Nationen, alle schüttelten mir die Hände, die Anteilnahme war riesig, von Anfang an.

<p>Niels Hintermann stand Marco «Büxi» Büchel, selber bis 2010 Skirennfahrer, Red und Antwort.</p>

Niels Hintermann stand Marco «Büxi» Büchel, selber bis 2010 Skirennfahrer, Red und Antwort.

ZVG

In Adelboden wirst du auch dabei sein.

Ja, aber das ist mehr für die Sponsoren und den Verband. Sie haben sehr viel für mich gemacht und mir die nötige Ruhe gegeben. Ich war in der Saison 2017/18 zuletzt dort, als ich verletzt war. Es ist schon richtig krass, Adelboden ist relativ klein, aber es hat so viele Leute. Ich freue mich wirklich, dort wieder dabei zu sein.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Gesundheit. Ich kann mit Floskeln kommen wie eine Weltcupkugel, ein Olympiasieg, Weltmeister zu werden. Klar will ich das. Aber Stand jetzt ist es wirklich Gesundheit. Alles andere wird sich zeigen.

Von Marco Büchel am 11. Januar 2025 - 18:00 Uhr