Ein Läufer will vor allem eines: laufen. So verwundert nicht, dass Julien Wanders (27) am Tag nach seiner Hochzeit bereits am Mittag 15 Kilometer in den Beinen hat. Nach kurzer Pause spult er weitere zehn Kilometer ab. Es gehe ihm «super bien», sagt er und strahlt.
Der frisch getraute Ehemann hat seine Freundin Kolly (31) in Kenia gleich zweimal geheiratet: in einer afrikanischen Zeremonie in Iten und in grösserem Rahmen mit Gästen aus der Schweiz am Naivashasee. «Wir wollten beide Kulturen einbinden, aber in aller Einfachheit feiern.» Seit über sechs Jahren sind Kolly und Julien zusammen. Kennengelernt hat er die Tochter eines kenianischen Leichtathletikfunktionärs über gemeinsame Freunde. «Sie schenkt mir Lebensfreude und Stabilität», so der Europameister und Rekordhalter im Halbmarathon. Und sie habe ihn auch viel über die afrikanische Lebensart gelehrt. Die Familie seiner Frau hätte ihn sofort und herzlich aufgenommen.
Seit zehn Jahren lebt der Genfer in Kenia. Im Dorf Iten, dem internationalen Läufermekka mit zahlreichen Trainingszentren, hat er vor Kurzem ein Haus errichtet. «Ein etwas atypischer Bau», meint er lachend, «wie ein grosses Chalet, halt im Herzen Afrikas.»
Dass Julien Wanders – aufgewachsen in der fünften Etage eines Wohnblocks in Genf – die Weltstadt gegen dieses afrikanische Dorf tauscht, war schon fast vorbestimmt: Seine Maturaarbeit handelte von der Überlegenheit kenianischer Athletinnen und Athleten in den Langstreckenläufen!
«Hier gibt es keinen Stress»
Nach seinem ersten Besuch in Iten vor rund zehn Jahren wusste er, dass dies seine Heimat ist. «Hier bleibt die Zeit stehen, es gibt keinen Stress, die Menschen sind freundlich und zuvorkommend. Trifft man jemanden auf der Strasse, nimmt man sich Zeit und trinkt einen Tee.»
Seit seinen Erfolgen 2020 stagnieren seine Leistungen, ein Trainerwechsel erwies sich als Fehler. Nun ist er zu seinem «alten» Trainer Marco Jäger zurückgekehrt, der ihm als Erstes sechs Wochen Pause verordnete. Seitdem gehts wieder aufwärts. Juliens Ziel sind die Olympischen Spiele diesen Sommer in Paris und dann eine Zukunft im Marathon. Kein Zweifel: Der Jung-Ehemann ist in jeder Hinsicht auf Kurs.