Sonntag ist Spieltag und Familie Meichtry auf Achse. Statt eines gemütlichen Frühstücks gibt es Fahrdienst, früh aufstehen inbegriffen. Um halb sieben treffen Patrick Meichtry, 38, und sein Sohn Nayel, 5, auf dem Parkplatz beim Sportzentrum Wallisellen ein. Die Jüngsten im Klub, die Bambini, müssen als Erste aufs Eis. Rundherum laden die anderen Hockey Mums und Dads Taschen und Kinder aus den Autos. Ohne Mama und Papa läuft im Kinder-Hockey nichts. Die Eltern backen für die Heimspiele Kuchen und sind Speaker. Sie bedienen während des Spiels die Match-Uhr, öffnen das Türli bei der Strafbank und jubeln ihren Kindern bei jedem Wetter von der Tribüne aus zu. Dazu kommt der ständige Fahrdienst – mit der sperrigen Ausrüstung kann kein Kind mit dem Bus oder dem Velo selbständig ins Training fahren. Und so beginnt der Sonntagmorgen halt auf der Eiskunstbahn. Es ist noch dunkel, richtig reden mag niemand. Man hört vor allem die ratternden Rollen der rot-gelben Sporttaschen. Sie sind so gross, dass locker ein Bambini darin Platz hätte.
Patrick und Nayel Meichtry
Turnier im Morgengrauen
In der Garderobe sind plötzlich alle wach. «Wart ihr auf der Toilette?», ruft der Trainer in das laute Geplapper der Kinderschar. Dass die Kinder die Frage gehört haben, ist eher unwahrscheinlich. 25 Jungen und ein Mädchen montieren wie kleine Ritter ihre Hockey-Ausrüstung. Der Goalie liegt bäuchlings auf dem Boden, ruft nach Hilfe, um seine Schoner zu schliessen. Nayel schaut bei jedem Teil, das er aus dem Bauch seiner Tasche zieht, leicht fragend. Links, rechts, drunter, drüber? Unterstützung kommt von den älteren Kindern. Und da ist zum Glück auch noch der Papi. Patrick Meichtry, der seine Karriere beim EHC Dübendorf gestartet hat, ist Hilfstrainer bei den Bambini. Als bei allen Kindern die Schlittschuhe geschnürt sind und jedes seinen Stock in der Hand hält, atmet er tief durch. Der Gegner ZSC ist pünktlich eingetroffen, draussen wird es langsam hell, das Turnier kann beginnen.
Währenddessen machen sich zu Hause Tanja Meichtry, 39, und Yanis, 12, bereit für sein Spiel mit den Moskitos. Die Familie hat vier Buben, drei spielen Eishockey. Ihr altes, selbst umgebautes Riegelhaus in Wallisellen ist sorgfältig und liebevoll eingerichtet. Im Wohnzimmer stehen frische Blumen, auf dem Sofa liegen arrangiert karierte Kissen mit Quasten. Den einzigen Hinweis, dass hier eine Hockey-verrückte Familie lebt, liefert Yanis mit seiner Pittsburgh-Penguins-Mütze, die wie auf seinem Kopf festgewachsen wirkt. Bruder Lyan, 9, schaut an diesem Morgen noch ziemlich verschlafen drein. Sein Spiel mit den Piccolos wird erst am Nachmittag stattfinden. Fehlt nur noch der dreijährige Nevyn: Er hat bei den Grosseltern übernachtet und wird mit der Oma direkt zu Yanis’ Spiel kommen.
Eishockeyjunior Lyan Meichtry
Hockeyfans
Gegen neun Uhr treffen Tanja Meichtry und Yanis in Urdorf ein. Während er sich umzieht, trinkt sie einen Kaffee im Klublokal. Kunsteisbahnen sind für sie wie ein zweites Zuhause, Tanja war früher Eiskunstläuferin. «Meine Kindheit bestand aus Essen, Schlafen, Schule, Training und Wettkämpfen», erzählt sie. «Das habe ich selber so gewollt.» Patrick und sie lernten sich als Teenager an den Banden kennen. Er hatte jeweils nach ihr Training. Mit zwanzig bekam Tanja bei «Holiday on Ice» einen Vertrag und tourte während zwei Jahren mit der Show um die Welt. Patrick spielte bei Klubs wie den ZSC -Lions oder dem HC Thurgau. Heute arbeitet er als Verkaufsingenieur. Tanja ist Eislauftrainerin – und managt den Familienalltag.
Yanis, Lyan und Nayel stehen unter der Woche dreimal auf dem Eis, dazu kommen die Spiele am Wochenende. Unter dem Jahr gibt es Trainingscamps. Das wichtigste sei, dass ein Kind richtig gut Schlittschuhlaufen lerne, sagen Tanja und Patrick Meichtry. Und natürlich zu nichts gedrängt würde: «Unsere Kinder sollen vor allem Freude am Eishockey haben.»
«Für eine Profikarriere braucht es neben Talent viel Glück»
Patrick Meichtry
Inzwischen ist es Mittag. Patrick Meichtry hat Pasta gekocht und ein Glas Pesto aufgeschraubt. Die Familie trifft sich kurz zu Hause. Nach dem Essen drängt Lyan zum Aufbruch, bald ist sein Spiel, und er will einen guten Platz in der Garderobe. In seinem Jahrgang ist er einer der Besten. Ob er es einmal bis zum Profispieler schaffen wird? Patrick Meich-try ist realistisch. «Davon träumt wohl jeder Bub. Doch neben Talent braucht es vor allem auch sehr viel Glück.»
Ziemlich sicher hingegen ist, dass bald eine vierte Hockey-Ausrüstung in der Garage hängen wird. Nevyn, der Jüngste der Familie, besucht diesen Winter einen Eislaufkurs.