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Sprintstaffel

Rennen, siegen, lachen, kämpfen

Sie sind der krönende Abschluss von Weltklasse Zürich und das Aushängeschild der Schweizer Leichtathletik: Die 4x100-m-Staffel mischt seit Jahren an der Spitze mit, ist WM-Fünfte. Ein Sprint-Fragebogen für das Stamm-Quartett aus drei Sprachregionen.

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Portrait of Kora Salomé, Atcho Sarah, del Ponte Ajla & Kambundji Mujinga

Starke Einzelläuferinnen, starkes Team: Mujinga Kambundji, Salomé Kora, Sarah Atcho und Ajla Del Ponte (v. l.) im Leichtathletik-Stadion Wankdorf in Bern.

Anoush Abrar
Eva Breitenstein

Die Leistungsträgerin
Mujinga Kambundji

27 | Bern | PB über 100 m: 10,95

Sie ist ganz klar die schnellste Sprinterin der Staffel und die erste Schweizerin, die über 100 Meter unter der 11-Sekunden-Marke geblieben ist. Seit dieser Saison trainiert die
Bernerin blockweise in London und zu Hause in Bern, hat einige Trainerwechsel hinter sich. Seit die 4x100-Meter-
Staffel 2011 den Uralt-Rekord von 1979 geknackt hat, stand Kambundji bei acht von neun Schweizer Rekorden auf
der Bahn. Aktuell steht die Bestzeit bei 42,29 Sekunden. 

An welcher Disziplin hätten Sie Freude oder Talent dazu?
Ich machte Mehrkampf und mochte den Hochsprung. Ich würde gern wissen, wie hoch ich hätte springen können. Für ein hohes Niveau wäre ich nicht gut genug gewesen, aber
ich sprang mit 15 Jahren 1,65 m, das war nicht so schlecht.
Ihr perfekter Lauf war …
Nahe dran waren die 60 Meter in 7,03 in Magglingen 2018. Das war das Perfekte zu diesem Zeitpunkt. Über 100 Meter war mein Schweizer Rekord von 10,95 gut, aber keinesfalls das optimale Rennen.
Welche Macken haben Ihre Staffel-Kolleginnen?
Sie sind alle energiegeladen, aufgedreht, anders als ich. Für mich ist das eine gute Abwechslung, da ich immer wieder allein trainiere. Es ist laut, es läuft viel, es wird viel gelacht.
Warum laufen Sie gern in der Staffel?
Ich bin immer sehr nervös vor einem Staffel-Auftritt, aber ganz anders als bei einem Einzelstart. Du hoffst, dass du es gut machst, dass es die anderen gut machen. Es kann mehr schiefgehen. Dafür fägt es sehr, wenn du eine gute Zeit gelaufen bist und dich gemeinsam freuen kannst. 
Ist es im Vergleich zum Einzelstart einfacher, als Team zu gewinnen oder zu verlieren?
Schon zusammen zu gewinnen. Aber gemeinsam zu verlieren, hat auch etwas sehr Starkes, Bindendes. 
Was bringen Sie in die Staffel mit?
Ich bin die Erfahrenste, am längsten dabei und beschwere mich wohl als Erstes, wenn es etwas gibt, das alle stört, aber sich die anderen vielleicht nicht zu sagen getrauen. Sonst habe ich aber nicht unbedingt die Captain-Rolle. Aus meiner Sicht haben wir keine grosse Hierarchie. 
Hatten Sie einen Liebling in der Leichtathletik?
Wenn, dann war es Mireille Donders. Dann lange Allyson Felix. Ich finde ihre Ausstrahlung eindrücklich. Heute gibt es mehrere Athleten und Athletinnen, bei denen ich Dinge bewundere. Bei Iwet Lalova zum Beispiel, dass sie seit so langer Zeit auf so hohem Niveau ist und dabei sehr sympathisch.

Portrait of Kambundji Mujinga
Anoush Abrar

«Gemeinsam zu verlieren, hat auch ­etwas ­starkes, ­bindendes»

Der Ruhepol
Ajla Del Ponte

23 | Losone | PB 100 m: 11,21

Die Jüngste des Stammquartetts hat an der Universiade eben ihre erste internationale Medaille gewonnen – Silber über 100 Meter. Die Tessinerin studiert in Lausanne Geschichte und Italienisch, lebt seit diesem Jahr aber immer wieder wochenweise in den Niederlanden. Dorthin ist sie gemeinsam mit Lea Sprunger und Kariem Hussein ihrem Trainer Laurent Meuwly gefolgt. 

Weswegen laufen Sie gern in der Staffel?
Es ist völlig anders, wenn du nicht nur für dich läufst, sondern auch für die anderen. Ich mag es auch, Emotionen zu teilen. 
Ist es im Vergleich zum Einzelstart einfacher, als Staffel zu gewinnen oder zu verlieren?
Es ist schön, zusammen zu gewinnen. Und hart, zu verlieren. Aber dann kann man sich wenigstens gegenseitig trösten, das ist wieder cool.
An welcher Disziplin hätten Sie Freude oder Talent dazu?
Vor dem Sprint habe ich ein bisschen Stabhochsprung gemacht. Ich war kein grosses Talent, aber ich mochte es sehr. Höher als 3,30 Meter bin ich nie gekommen, die Technik fehlte mir. Ansonsten schaue ich gern Eishockey, spiele aber nicht. Mein Bruder Karim spielt bei Ambri-Piotta. 
Welche Macken haben Ihre Staffel-Kolleginnen?
Salomé schläft immer. Sarah lacht immer. Und Muji ist oft zu spät (lacht). Sie sind alle sehr fröhlich. Das ist schön, denn die Atmosphäre ist dadurch immer gut, wenn wir zusammen sind. Wir lachen viel. Und alle versuchen, das Positive zu sehen. 
Welches ist der schönste Moment im Sprint?
Das Gefühl während des Rennens, wenn man es schafft, an nichts zu denken, nur zu rennen, und man im Ziel dann eine gute Zeit sieht. Das ist genial. Du fühlst dich so glücklich, wenn du gewinnst und direkt deine Zeit siehst. Das heisst, dass du einen guten Job gemacht hast.
Was hätten Sie gern von den anderen dreien?
Die Positivität, die Sarah in jeder Situation hat. Von Salomé auch ihre positive Einstellung und wie sie andere ermutigen kann. Sie sieht immer das Gute in dem, was die anderen machen. Das schätze ich sehr. Und von Mujinga die innere Stärke, die sie in jedem Lauf zeigt.
Haben Sie einen Liebling in der Leichtathletik?
Ich mochte Allyson Felix immer. Aber vielleicht auch, weil alle sie liebten, als ich jünger war. Nun schätze ich eine polnische Sprinterin sehr, Anna Kielbasinska. Ich lernte sie kennen und mag ihre Persönlichkeit sehr. 

 

Portrait of del Ponte Ajla
Anoush Abrar

«Wenn man es schafft, an nichts zu denken, nur zu rennen, das ist der schönste Moment»

Die Stimmungsmacherin
Sarah Atcho

24 | Lausanne | PB 100 m: 11,20

Zu Sarah Atchos Leben gehört seit dieser Saison eine richtige Tour de Suisse: Sie trainiert vier Tage pro Woche
in St. Gallen, wohnt drei Tage in Lausanne bei ihren Eltern und studiert dazu in Genf Kommunikation und Management. Die 1,80 Meter grosse Romande hat ihre Stärke eigentlich über die 200 Meter, gehört aber seit 2015 zum festen
Inventar der 4x100-Meter-Staffel und war seither bei allen Schweizer Rekorden dabei. 

Welches ist der schönste Moment im 100-Meter-Sprint?
Die zweiten 50 Meter. Dort macht man den Unterschied, dort muss man stark im Kopf sein.
Was hätten Sie gern von den anderen drei?
Von Ajla hundertprozentig ihre Begabung in allem, was sie macht. Und sie ist bescheiden, das ist eine sehr schöne
Qua-lität. Salomé ist sehr sachlich und ehrlich. Sie hat kein Problem damit, Komplimente zu machen, aber auch zu
sagen, wenn etwas nicht gut ist. Sie ist sehr professionell.
Von Mujinga würde ich natürlich ihre Schnelligkeit nehmen.
In welcher anderen Disziplin hätten Sie Talent oder Freude?
Talent? Null. Freude? An den 100 oder 400 Meter Hürden. Ich wollte eigentlich später einmal auf die 400 m Hürden wechseln, wie Lea Sprunger, aber mein Körper ist leider zu fragil dafür. Ansonsten hätte ich Volleyball geliebt. Die Spielerinnen sind sehr feminin und athletisch, es gibt viel Bewegung.
Was bringen Sie in die Staffel mit?
Vielleicht etwas Spass. Ich bin sicher die, die gerne lacht. Ich versuche auch in die Trainings etwas Spass reinzubringen, damit wir uns auch amüsieren. 
Warum laufen Sie gern in der Staffel?
Es ist ein so anderes Gefühl. Wir laufen wirklich für die Schweiz, nicht nur für uns. Es gibt hinter der Staffel eine lange Geschichte, wir sind stolz, Teil des Teams zu sein. Man muss zusammenarbeiten, zusammen trainieren. Der Erfolg ist von so vielen Parametern abhängig. Es gibt Ups und Downs. Das ist cool. 
Welches war Ihr perfekter Lauf?
Der ist noch nicht passiert. Ich hatte noch nie den perfekten Lauf, auch noch nie das perfekte Gefühl. Oft hatte ich körperliche Probleme, Verletzungen und so. Nun hoffe ich, dass ich endlich einmal ohne Schmerzen rennen kann. 
Haben Sie einen Liebling in der Leichtathletik?
Eine Athletin, die mich beeindruckt, ist Allyson Felix. Sie hat alles gewonnen, und nun versucht sie sogar, nach der Babypause zurückzukommen.

Portrait of Atcho Sarah
Anoush Abrar

«Hinter der Staffel steht eine lange Geschichte, wir sind stolz, Teil des Teams zu sein»

Pfeilschnelle Frohnatur
Salomé Kora

25 | St. Gallen | PB 100 m: 11,13

Trotz langwieriger Fussverletzung im Winter stürmt die Ostschweizerin Ende Juni in La Chaux-de-Fonds in 11,13 Sekunden ins Ziel. Das macht sie hinter Kambundji zur zweitschnellsten Schweizerin der Geschichte. Kora hat ihr Studium an der Pädagogischen Hochschule als Oberstufenlehrerin abgeschlossen – ab Winter folgt für die Sprinterin noch die Masterarbeit.

 

Haben Sie einen Liebling in der Leichtathletik?
Caterine Ibargüen, die kolumbianische Drei- und Weitspringerin. Ich mag einfach, wie sie auftritt: Sie zeigt einen solchen Kampfgeist, bringt solche Stimmung. Und natürlich bewundere ich auch ihre konstant gute Leistung. 
An welcher Disziplin hätten Sie Freude oder Talent dazu?
Am ehesten an Weitsprung oder Hürden. Auch dort braucht man Schnelligkeit. Bei anderen Sportarten wäre
es sicher Basketball, das fände ich sehr cool. 
Welches war Ihr perfekter Lauf war?
Den hatte ich noch nicht. Der kommt hoffentlich dieses oder nächstes Jahr. An Olympia wäre doch perfekt (lacht). 
Weshalb laufen Sie gern in der Staffel?
Wegen des Teamgeists. Wenn man als Gruppe erleben darf, dass man gemeinsam etwas geschafft hat. Als Staffel repräsentieren wir den Verband und zeigen, dass auch gemeinsam etwas möglich ist. Nicht nur Einzelleistungen. 
Ist es im Vergleich zum Einzelstart einfacher, als Team zu gewinnen oder zu verlieren?
Ganz klar zusammen zu gewinnen. Zu verlieren finde ich allein einfacher, weil du die Schuld nur bei dir suchen kannst. Bei der Staffel überlegt man sich bewusst oder unbewusst immer, an was es gelegen hat. Wenns an einem selbst lag, ist es ziemlich blöd. Wenn es an jemand anderem lag, aber irgendwie auch! Darum ist das Gewinnen cooler. 
Was können Sie mit der Staffel 2019 erreichen?
Es wäre sicher cool, nochmals einen Schweizer Rekord zu laufen. Denn ich glaube, wir haben uns alle individuell nochmals gesteigert. An der WM würden wir gern den 5. Platz von der letzten WM unterbieten. Das ist aber ein hoch gestecktes Ziel, die anderen Nationen schlafen nicht. 
Was bringen Sie in die Staffel mit?
Oh, schwierig. Ich überlege oft weit im Voraus. Wie wir dieses oder jenes machen. Und bespreche es dann im Team. 
Was hätten Sie gern von den anderen drei?
Von Mujinga die Coolness in Bezug aufs Rennen. Von Sarah die Lockerheit. Und Ajla ist für mich die Ruhe in Person. 

Portrait of Kora Salomé
Anoush Abrar

«An der WM wollen wir den 5. Platz vom letzten Mal verbessern. ein hoch gestecktes Ziel»

Portrait of Kora Salomé, Atcho Sarah, del Ponte Ajla & Kambundji Mujinga

In dieser Zusammensetzung bereits drei Schweizer Rekorde gebrochen: Salomé Kora, Sarah Atcho, Ajla Del Ponte und Mujinga Kambundji (v. l.), seit drei Jahren das Stammquartett.

Anoush Abrar
Von Eva Breitenstein am 23. August 2019 - 16:18 Uhr