Die Hosenträger sind für ihn ungewohnt. Normalerweise nimmt er einen Schuhbändel als Gürtel. «Einfach so und schon immer», sagt der zweifache Ski-Freestyle-Weltmeister Fabian Bösch und zuckt mit den Schultern.
Dann hüpft er zweimal. Zack – ein Salto mitten auf der Strasse! Die Kappe, sein Markenzeichen, fliegt davon. Der 21-Jährige landet in sicherem Stand. Danach verschwinden seine Hände wieder in den Hosentaschen.
Er ist einfach so: cool und furchtlos
Das Spezielle bei Fabian Bösch ist nicht gesucht oder inszeniert, die Lockerheit nicht aufgesetzt. Er ist einfach so: cool und furchtlos. So war er schon immer. Als Neunjähriger in den Ferien im Tessin will er von einer 13 Meter hohen Brücke ins Wasser jumpen. Vater Markus ist besorgt und rennt ihm hinterher.
Fabian wagt den Sprung. Sein Vater folgt ihm hinterher, weil er sich keine Blösse geben will – und zieht sich dabei eine Leistenzerrung zu. Ein Jahr später springt nur noch der Sohn von der Brücke, dafür im Rückwärtssalto. «Wir wissen wirklich nicht, woher er das hat», sagt Mutter Michèle, lacht und rollt die Augen.
Mama kann fast nicht zusehen
Bis heute kann sie fast nicht zusehen, wenn ihr Sohn seine verrückten und gefährlichen Ideen in die Tat umsetzt. Die sportliche Karriere startet Fabian Bösch als Eishockeyspieler und Skirennfahrer. In den Jugendjahren liefert er sich mit Skistar Marco Odermatt spannende Duelle.
Zwei von seinen drei Schwestern bleiben bis heute dem Skirennfahren treu, Fabian reizen mit 13 Jahren jedoch Kicker statt Kurven. Eishockey spielt er auch jetzt noch zum Plausch. Im Freestyle-Ski findet das Leichtgewicht Bösch – er wiegt 57 Kilo – seine Bestimmung.
2015 wird er als 16-Jähriger überraschend Weltmeister im Slopestyle. Damit ist er der jüngste Schweizer Weltmeister in einer olympischen Disziplin. Ein Jahr später gewinnt er im Big Air die X-Games – den in der Freestyle-Szene fast noch wichtigeren Wettkampf.
Berühmt durch ein Instagram-Video
Danach folgen für Bösch schwierige Jahre, die von Verletzungen, Krankheiten und fragwürdigen Bewertungen geprägt sind. An Olympia in Südkorea muss er, geschwächt vom Noro-Virus, an den Start.
Aus Pyeongchang schafft er es dennoch zu weltweiter Bekanntheit. Mit einem Instagram-Film! Darin lässt er sich am Handlauf –einhändig und nach aussen hängend – eine Rolltreppe hochziehen. Das Video verbreitet sich blitzschnell. Innert Stunden verdoppeln sich seine Follower auf Social Media auf über 50 000 – mittlerweile folgen ihm mehr als 100 000 Personen.
Grosse Zeitungen wie «The Guardian», «L’Équipe» oder «Bild» berichten. Skistar Lindsey Vonn tweetet. Und der TV-Sender Pro Sieben besucht ihn später in Engelberg.
«Einfach verrückt, was alles abging, damit hätte ich nie gerechnet», sagt Bösch, der es locker nimmt, dass im Ausland sein Name oft falsch ausgesprochen wird: Er nennt sich online gleich selber «buhsch».
Mein Ziel ist nicht, möglichst berühmt zu werden
In der Schweiz kann er sich trotz grossem Hype fast unerkannt bewegen. «Mein Ziel ist nicht, möglichst berühmt zu werden. Ich will mich nicht ständig filmen und mich extrem vermarkten, sondern einfach spontan sein und Spass haben!»
Tatsächlich hat er auf viel Geld verzichtet, indem er viele Anfragen für Marketing auf sozialen Medien ablehnt und vor allem für seine langjährigen Sponsoren wirbt. Und das Smartphone nimmt er beim Besuch der Schweizer Illustrierten nicht ein einziges Mal in die Hand.
Auch im Schnee bleibt Bösch lange seiner Linie treu, seinem eigenen Style mit hohem Wiedererkennungswert. Er ist bekannt für seine akrobatischen Tricks wie den Quad Cork 1980 – einen vierfachen Salto mit fünfeinhalb Schrauben –, die sonst niemand beherrscht. Diese kommen beim Publikum gut an, doch nicht gleichermassen bei den Wertungsrichtern.
Er beugt sich dem System
«Das war manchmal frustrierend», gibt Bösch zu. Lange bleibt er stur. Bis zu den Weltmeisterschaften Anfang Februar in Utah. Er beugt sich dem System. «Ich dachte: Jetzt zeige ich, dass ich die mehr auf Style ausgerichteten Tricks auch kann.» Von seinem Triple Cork 1620 sind die Judges begeistert: 96 von 100 möglichen Punkten.
Bösch ist erneut Weltmeister, diesmal im Big Air – und mindestens so überrascht wie beim ersten Mal. Nach dem grossen Triumph gehts weiter mit dem Weltcup. Ein paar Tage zu Hause mit Familie und Kollegen müssen reichen.
Bösch ist aussergewöhnlich
«Ich geh eh nie in die Ferien. Wenn ich Trainingspause habe, unterrichte ich in Camps oder gehe freeriden», sagt der Tüchtige, der in der Nebensaison auch in einer Engelberger Autogarage aushilft. Bösch ist aussergewöhnlich. Nicht nur wegen des Schuhbändels als Gürtel.