Der Curlingstein bleibt auf halber Strecke zum Ziel stehen, Xherdan Shaqiri, 22, liegt platt auf dem Bauch, und seine Entourage hält sich die Bäuche vor Lachen. Am Ball macht der Dribbelkünstler eindeutig die bessere Figur als auf dem Eisfeld in Arosa GR. «Nicht so mein Ding, dieses Curling», urteilt der Fussballstar im Gespräch mit der «Schweizer Illustrierten». «Zu wenig Action.»
Langlaufen, Schlitteln, Schneeschuhwandern - eine ganze Palette an Wintersportarten probiert «Shaq» an diesem Tag im Schanfigg aus. Doch das, worauf er am meisten Lust hätte, verbietet ihm der Vertrag mit Bayern München wegen der Verletzungsgefahr strikt: Skifahren und Snowboarden. «Dabei wär ich glaub so der Slalom-Typ», sagt der Basler mit kosovarischen Wurzeln. Klar, das übt er schliesslich das ganze Jahr lang an seinen Gegenspielern auf dem Rasen. Aber auch was die schnelle Kurve auf Schnee betrifft, ist Shaqiri nicht ganz ahnungslos. «Meine älteren Brüder Erdin und Arianit, meine Schwester Medina und ich haben alle in den Schullagern Ski fahren gelernt. Ich erinnere mich etwa an eines in Saas-Fee. Am Lagerleben hatte ich immer viel Spass.» Und wann ist er letztmals auf Ski gestanden? «Das muss so vier, fünf Jahre her sein.» Durfte man denn als Spieler beim FC Basel auf die Ski? «Äh, nein, eigentlich nicht …»
Ich bin jetzt ganz oben
Eine Verletzung wär das Letzte, was Xherdan Shaqiri brauchen könnte. Jetzt, da er gerade eben den Fussball-Olymp erklommen hat. Seit Oktober, seit er die Schweiz mit seinem Tor in Albanien faktisch an die WM 2014 geschossen hatte, pausierte er wegen einer Oberschenkelverletzung. Erst kurz vor Weihnachten kehrte er auf das Spielfeld zurück - und holte sich in Marokko mit den Bayern gleich den Sieg bei der Klub-Weltmeisterschaft. Es ist der fünfte Titel für die momentan beste Fussball-Mannschaft der Welt in diesem Jahr - Rekord! Und mittendrin der 1.69 Meter kleine Schweizer, den sie in Deutschland liebevoll Zauberzwerg nennen. «Mehr geht nicht - es sei denn, wir würden mit der Schweiz Weltmeister.» Shaqiri sagt es mit seinem typischen Lausbuben-Lachen. Doch ganz unernst scheint es ihm nicht zu sein. Auf dem Gipfel des Aroser Weisshorns auf 2650 m ü. M. stellt er fest: «Das passt schon hier. Ich bin jetzt ganz oben. Selbst wenn ich heute aufhören würde, bliebe mein Name in Verbindung mit einer der besten Fussball-Mannschaften, die es je gegeben hat.»
Dass «Shaq» indessen schon genug hat vom süssen Duft des Erfolgs, ist nicht zu befürchten. Stolz erzählt er von seinen 858'000 Fans auf Facebook und dass er bis zur WM die Millionengrenze knacken will. «Zudem ist mein Trikot hinter jenem von Ribéry das am meisten verkaufte Bayern-Shirt. Da profitiere ich davon, dass ich mit den Münchnern, den Schweizern und den Kosovaren drei Fangemeinden habe.»
Umso mehr geniesst er ein paar Tage Ruhe nach einem aufregenden Jahr. Dass er vor Weihnachten mit seinen Brüdern etwas Höhenluft in Arosa tanken möchte, stand schon länger fest. Der findige Aroser Tourismus-Direktor Pascal Jenny nutzte das zusammen mit Schweiz Tourismus zu einer PR-Offensive der besonderen Art: Die Secondos im Allgemeinen und besonders jene aus den Balkanstaaten sollen mit Shaqiri als Zugpferd zum Wintersport gebracht werden. Jenny wettete mit Shaqiri: Ist der Fussballer vom Wintersport-Angebot enttäuscht, muss ihm der Tourismus-Chef eine Woche Ferien mit Anhang am Strand finanzieren. Ist er aber überzeugt von den Möglichkeiten im Schnee, stellt er sich künftig als Botschafter zur Verfügung. «Ich habe die Wette klar verloren. Dieser Tag in den Aroser Bergen war super. Ich komme mit Sicherheit wieder!», sagt Shaqiri.
Die Festtage verbrachte der Klub-Weltmeister zu Hause in Kaiseraugst AG mit den Geschwistern und den Eltern Fatime und Isen. «Für uns als Muslime ist Weihnachten natürlich kein Feiertag, aber ein spezieller Tag schon. Meine Schwester Medina setzte früher stets durch, dass auch bei uns ein Baum in der Stube stand.» Auf Silvester reiste der Zauberzwerg in die Ferien nach Dubai und von dort am 5. Januar direkt per Auto weiter ins Bayern-Trainingscamp nach Doha (Katar).
Selbst wenn man sichs kaum vorstellen kann: Es gibt auch fussballerisch für Xherdan Shaqiri noch höhere Lagen zu erklimmen als das Weisshorn.