Derzeit treiben sich verdächtig viele Meerjungfrauen an Land herum. Sie leihen schimmernden Beautyprodukten ihren Namen, geben ihren Muschelbikini als Täschchen und Schmuck her und veranlassen eine Horde Wassernixen dazu, ihre Beine in Stoff-Flossen zu quetschen. Letzterer Meerjungfrauenschwanz für den grazilen Tanz durchs Wasser ist eng. So eng, dass sich die Oberschenkel berühren – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Sich freiwillig die Thigh Gap wegzuschnüren, ist im Grunde nur dann akzeptabel, wenn man im Gegenzug zum Disney-Fabelwesen Arielle mutieren darf. Dem bildschönen Disney-Fischweib mit den vollen roten Haaren und der kleinen Stupsnase. Natürlich hat Social Media einen fetten Fang gewittert und der omnipräsenten Meerjungfrauenliebe einen Hashtag aufgedrängt. Man tauchte die #mermaidthighs aus dem Meer der Unsicherheiten und gab der Thigh Gap so einen body-positiven Gegenspieler zur bedreizackten Hand: Von kräftigen Oberschenkeln, die sich berühren, ja sogar scheuern, ist die Rede. Dass man sich derer nicht schämen muss, ist eine tolle Sache. Aber die ständige Diskussion über den richtigen Schenkel nervt. Sehr.
Vom Wachtelschenkel bis zur Schweinshaxe
Die Thigh Gap war ja mal das Selbstverständlichste der Welt: Entweder du hast sie, oder eben nicht. Oder du führst sie durch Hungern (huch sorry, ausgewogene Ernährung) und Sport künstlich herbei und wenn du das Pech einer ungünstigen Knochenkomposition hast, schaffst du es unabhängig vom Gewicht niemals in den Club der coolen Mädchen. Nun ist die Elite auch hier nur eine dünne Schicht. Nur den Wenigsten kann man im Stehen einen Tennisball durch die Beine schiessen. Dass nun die Mermaids in den Kampf ziehen, soll entspannen. Hosen sehen auch an denen gut aus, bei denen sich im Schritt kleine Scheuer-Löcher bilden. Logisch, keine Frage. Das ist unumstösslich richtig. Aber warum muss man dem Körper ständig irgendwelche Schablonen aufdrücken?
Arielle muss sich leider Papas Dreizack leihen
Dass es Mermaid Thighs gibt, setzt voraus, dass sie sich zur Wehr setzen müssen. Ergo: Der Ansatz ist falsch. Kein Körper sollte sich zur Wehr setzen müssen. Vermutlich schärfen Hashtags löblicherweise das Bewusstsein, aber würde es nicht viel mehr helfen, den Körper an sich nicht zu so einem Riesending aufzublasen? Körperteilen und deren Beschaffenheit keine Namen zu geben? Und dadurch so sehr zu werten? Muss man denn ständig übers Aussehen reden? Wird das nicht langsam langweilig? Schönheit kommt von innen, hiess es ja mal. Aus einer Ab Crack heraus? Die Tatsache, dass selbst kurvige Köper-Queens wie Kylie Jenner und Kim Kardashian, die das Internet quasi beherrschen, sich auf den meisten Bildern noch immer halb das Kreuz brechen, um den Po so anzuheben, dass ein Hauch Luft zwischen die Beine passt, zeigt ja, dass sich da noch gar niemand so akzeptiert hat, wie er ist. Respektive nicht akzeptiert wird. Weil ein gewisser Look erwartet wird.
Gerade eben wurde hier am Schreibtisch in einem Nebensatz festgestellt, Gigi Hadid würde neuerdings so aufgequollen aussehen. Gute Frage. Durchaus berechtigt. Und zwar deshalb, weil es zeigt, dass davon ausgegangen wird, dass ein Model offensichtlich schlichtweg anders auszusehen hat. Herrje. Hoffen wir, ihre Schenkel bleiben schlank.
Peace out.