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Die Redaktion testet

EMS-Training: Was es ist, wie es funktioniert, was es bringt

Mit dem Training für die Bikinifigur kann man bekanntlich nie zu früh anfangen. Wie aber motiviert man Sportsbanausen, die zwar gesund leben, das Abo im Gym aber jedes Jahr wieder umsonst kaufen? Ganz genau: Mit einem Training, das im Flug vergeht und die gleichen Resultate wie Laufband, Hanteln & Co. verspricht. Ob's funktioniert? Wir liessen uns verkabeln – und das ist passiert.

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Mario Testino Karlie Kloss Bionic

Destination Detox: Karlie Kloss in der EMS-Trainingsweste. 

Mario Testino

Was es ist
Bionic setzt auf kurze Trainingseinheiten mit Elektromuskelstimulationen (EMS). Dabei werden im Vier-Sekunden-Takt elektronische Impulse in einzelne Muskelpartien geleitet, die diese intensiv belasten und eine zusätzliche Kontraktion in Gang setzen. Nahezu hundert Prozent aller Muskelfasern werden dabei aktiv, Kraft wird effektiv und nachhaltig aufgebaut. Was seinen Ursprung in der Sportmedizin hat und vor einigen Jahren vor allem Leistungssportler zu besseren Ergebnissen verhalf, wird nun auch von «Laien» angewendet – fit will schliesslich so mancher sein, ob Sportler oder nicht.

Was es verspricht
Das 20-minütige Ganzkörpertraining soll so effektiv sein wie eine herkömmliche, 90-minütige Sporteinheit: Muskelmasse wird aufgebaut, der Fettanteil reduziert und tief gelegene Muskelpartien erreicht, die mit «normalem» Training nur schwer zu trainieren sind. Das Programm wird vor dem ersten Training individuell angepasst, die Lektionen finden einzeln oder zu zweit statt. Konkret: Der Bauch soll straffer, die Beine definierter, die Arme muskulöser werden. 
«Wir hatten kürzlich eine Kundin, die in den drei Monaten vor ihrer Hochzeit mit zweimal wöchentlichem Training 5 Kilogramm verlor und am Ende einen richtig flachen, definierten Bauch hatte», erklärt meine Instruktorin vor dem ersten Training. Wenn das nicht vielversprechend ist, was dann?

Bionic

Übung macht den Meister: Eine betreute Bionic-Training-Session.

So funktioniert’s
Zugegeben, von aussen betrachtet sieht EMS-Training nicht wirklich anstrengend aus. Weshalb zuckt man alle paar Sekunden, verzieht das Gesicht und hat spätestens nach fünf Minuten ein errötetes Haupt? Verstehen tut das nur, wer selbst schon im hautengen Anzug und der verkabelten Weste drin steckte. So gross der Erklärungsbedarf sein mag – die gefühlte Anstrengung (oder besser: der Überraschungseffekt) ist grösser. In der ersten Session geht es demnach vor allem ans Herantasten und Erkunden – bis man realisiert, wie starke Impulse man wo aushält, vergehen einige Lektionen. Was sich erst anfühlt wie ein Kribbeln in den Armen, dem Rumpf und den Beinen, wird mit zunehmender Stärke zu einem Druckgefühl, als ob starke Wasserstrahlen auf verschiede Stellen des Körpers prallten. Alle vier Sekunden gibt es einen wiederum vier Sekunden langen Impuls, danach eine kurze Entspannungsphase, die zum Wechsel der Position, der Fortsetzung der Übung «im Trockenen» oder einer puren Einatmungsaktivität dient (nach einem tiefen Atemzug ringt man tatsächlich ganz oft). 

Sind die individuellen Impulsstärken mal eingestellt, geht es ans Eingemachte: Als Warm-up bewegt man sich wie beim Pfeilbogenschiessen; Bizeps- und Trizeps-Übungen folgen. «Geht noch ein wenig mehr?» ist übrigens die Frage, die man am häufigsten gestellt bekommt – gewöhnen Sie sich besser schon am Anfang daran (Zittern die Arme oder gelingt es einem nicht, die Rückbewegung der Übung zu machen, ist das Level zu hoch eingestellt; maximale Anstrengung soll aber sein!). Danach folgt ein rund fünfzehnminütiges Intensivprogramm ohne Stopp: Kniebeugen, Beine hoch und nach Hinten, Bewegungen wie beim Diskuswerfen (die toughste aller Übungen), am Schluss kurzes Joggen auf der Stelle, schnelle Sprints. Jedes Training wird mit einem Handschlag beendet, und zeigt sich der Instruktor zufrieden, sind wir es auch. 

Bionic Weste

Einmal verkabeln, bitte! Wie die Trainingsweste am Körper sitzt, ist das A und O.

Pro
Das beste an der EMS-Training-Session? Definitiv die kurze Dauer. 20 Minuten, nach denen man sich so fühlt, als wäre man eine Stunde lang im Fitnesstudio auf dem Laufband gerannt, hätte Hanteln gestemmt und Rumpfbeugen gemacht. Nach zwei Monaten habe ich am Rumpf (sprich: am Bauch) ca. 600 Gramm Muskelmasse aufgebaut, wie die Vorher-Nachher-Messungen zeigen. Im Armdrücken schlage ich meinen Vater, den Nachbar bringe ich immerhin zum Schwitzen. An den Beinen habe ich zwar weniger Muskelmasse als zuvor; das stört die Trainerin aber mehr als mich. Sie erklärt sich die Tatsache damit, dass ich im Sommer wohl mehr rumspaziert bin als jetzt, im kahlen Winter (Recht hat sie!). Und auch wenn der Sportwütige zum wöchentlichen Training optimalerweise noch eine Session der Ausdauer widmen sowie auf eine sehr gesunde und abwechslungsreiche Ernährung achten soll, um maximale Ergebnisse zu erzielen: Ich fühle mich fitter und kräftiger als vorher. Ausser dann, wenn man am Tag nach dem Training aufwacht, und alles schmerzt, man beinahe nicht mehr vom Bürostuhl aufstehen kann und vom Arbeitsplatz zur Toilette schlurft. Aber: Ist Muskelkater nicht die beste Bestätigung für die richtigen, sportlichen Aktivitäten? Eben!

Kontra
Neben dem Muskelkater? Die Kosten. Im Jahresabonnement kostet eine Session Fr. 49.–, für eine Einzelsession bezahlt man rund Fr. 99.–. Und da es für richtige Trainigserfolge laut Sportwissenschaftlern mindestens zwanzig Lektionen braucht, muss man ins grosse Portemonnaie langen. Ausserdem: Auf den richtigen Trainer kommt’s an. Sitzt die Weste nämlich zu tief oder sind die Riemen an Armen und Beinen zu locker, kann es einem auch mal den Atem verschlagen oder ruckartig in den Bauch stechen. Der Trainer muss ein klares Gefühl für den Praktizierenden und seine Kräfte haben, sonst tut’s nämlich ganz schön weh.

Happy Workout!

Von Charlotte Fischli am 9. Februar 2015 - 17:15 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:29 Uhr