Bikram, Ashtanga, Hatha, Iyengar, Vinyasa, Kundalini, Jivamukti – haben wir etwas vergessen? Yoga ist längst nicht gleich Yoga. So vielfältig das Angebot, so breit auch das Publikum: Vom topfitten Profiathleten bis zur rüstigen Seniorin findet jeder die passende Stunde. Dementsprechend ist Yoga auch längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. «Seit im Yoga der kommerzielle Imperativ regiert, ist ein harter Wettbewerb unter Schulen und Lehrern entbrannnt», schreibt «New York Times»-Wissenschaftsjournalist William J. Broad in seinem Buch «The Science of Yoga».
Immer mehr Anbieter drängten in den Markt. «Und zu viele sind nicht dafür ausgebildet, Schüler umsichtig und achtsam, auch unter Berücksichtigung körperlicher Einschränkungen, zu unterweisen», findet Broad. Er spricht folglich von einer «versteckten Epidemie der Verletzungen».
Natürlich soll das nicht heissen, dass Yoga per se schlecht ist für uns. Jeder, der regelmässig Asanas praktiziert, kennt die positive Wirkung, die sie auf Körper und Geist haben. Aber was wir dabei manchmal vergessen: Auch Yoga, das gemeinhin mit einem gesunden Lebensstil assoziiert wird, birgt gewisse Gefahren.
«Yoga ist gut für alle, die einen gesunden Rücken haben. Andere, die einen schwachen Rumpf haben, müssen aufpassen. Es gibt Figuren, die viel Kraft erfordern und somit den schwachen Rumpf überfordern», sagt Physiotherapeutin Beatrice Rechsteiner. Wer allgemeine Probleme mit dem Rücken oder der Wirbelsäule habe, sollte aufpassen. Vorwärtsbeugen wie oben im Bild sind beispielsweise eine Herausforderung für Bandscheiben und Ischiasnerv.
«Nicht alle Übungen sind schlecht und nicht alle Rücken sind gleich», gibt Rechsteiner zu bedenken. Wichtig sei, die möglichen Gefahren zu kennen und das Training dementsprechend anzupassen. «Grundsätzlich empfehle ich bei Problemrücken eher Pilates als Yoga.»
«Wenn sie schmerzfrei mobilisiert werden, freuen sich die Gelenke über Bewegung. Man muss aber auf seinen Körper hören», sagt Beatrice Rechsteiner. Wer zum Beispiel bereits Knieprobleme hat, sollte die Finger lieber von der Kamelpose (unten im Bild) lassen. Ausserdem ist laut Rechsteiner bei anstrengenden Stützübungen Vorsicht geboten: «Bei eher feingliedrigen Menschen können sie zu belastend für Handgelenk oder Wirbelsäule sein.»
Manche Yoga-Stile – Vinyasa Flow zum Beispiel – verbinden die einzelnen Asanas auf dynamische Art und Weise, was die Herzfrequenz ganz schön in die Höhe treiben kann. Beim Sonnengruss etwa wird der gesamte Körper in einer Wellenbewegung aus dem Stand über den Stütz eine Umkehrhaltung am Boden schliesslich über eine Dehnung von Rücken und Beinen wieder aufgerichtet.
Besonders in geheizten Räumen wie beim Bikram oder Hot Yoga kann das den Körper schnell einmal überfordern. Die Atmung wird flacher und der Kreislauf kann absacken. Die Lösung: Das Tempo drosseln oder eine kurze Pause einlegen.
«Ein Hauptproblem beim Yoga ist sicher, dass manche ihrem Körper zu viel abverlangen», sagt Beatrice Rechsteiner. «Sie dehnen ihren Körper bis ins Unermessliche und ignorieren den Schmerz. Danach haben sie Probleme.» Zerrungen und Risse sind die Folge. Auch hier muss man besonders bei Bikram und Hot Yoga gut auf sich und seine Grenzen hören, da die erhöhten Temperaturen eine grössere Beweglichkeit zulassen und damit das Risiko, Muskeln und Sehnen zu überdehnen, fördern.