Dass etwas nicht in Ordnung ist, merkt Zaklina Bäbler zum ersten Mal in der Corona-Pandemie. Während die Ex-Bachelorette früher nie auf Lebenmittel reagiert, leidet sie plötzlich unter Sodbrennen. «Nachdem ich Bananen oder Eier gegessen oder auch Alkohol getrunken habe, hatte ich Sodbrennen», erzählt die Dreifach-Mama im Gespräch mit schweizer-illustrierte.ch.
Am schlimmsten war es, wenn sich Zaklina einen Schluck Šljivovica (Zwetschgen-Schnaps) gönnte. Innert wenigen Sekunden entwickelte Bäbler brennende und stechende Schmerzen. Am Anfang macht sich die Schweizerin mit serbischen Wurzeln keine grossen Sorgen. «Ich dachte, dass mein Magen etwas empfindlich wird und ich gewisse Sachen einfach nicht mehr so gut vertrage.» Daran, dass mit ihrer Speiseröhre etwas nicht stimmen könnte, denkt Zaklina nicht.
Der Weg zur Diagnose war speziell
Zaklina, die mit ihren zwei kleinen Töchtern Lily (3) und Stella (1) zu Hause ist, leidet zu dieser Zeit unter Stress. «Ich war ständig in der Überatmung. Deswegen habe ich chronisch hyperventiliert beim Atmen.» Zaklina landet zwei Mal im Notfall. Zwei Mal finden die Ärzt:innen nichts.
«Als es wieder akut war, ging ich zum Asthma- und Heuschnupfen-Spezialist», erzählt Zaklina. Dieser habe ein paar Fragen gestellt und gemeint, dass Bäbler stillen Reflux haben könnte. Dabei steigt Säure in Form von Gas hoch und löst deswegen Atemnot aus. Der Arzt schickt Zaklina zu einer ersten Magenspiegelung. Die Untersuchung schafft Klarheit: Anhand der Vernarbungen in der Speiseröhre sowie einer Gewebsprobe kam heraus, dass Zaklina unter Eosinophile Ösophagitis, kurz EoE, leidet. «Danach musste ich über ein Jahr auf den ersten Beratungstermin bei den Spezialisten im Unispital Zürich warten.»
Für Zaklina eine Zeit der Ungewissheit. Die 37-Jährige, die bereits unter Endometriose leidet, nimmt die Diagnose aber dennoch gut an. «Dass EoE unheilbar ist, ist natürlich doof, aber es bleibt einem nichts anderes übrig, als einfach akzeptieren und das Beste daraus zu machen.»
Die Herausforderung für Zaklina liegt nun darin, herausfinden, welche Lebensmittel ihre EoE auslösen. Das geht, wenn überhaupt, nur mittels Auslassdiät. «Zuvor habe ich drei Monate auf Milch und Milchprodukte verzichtet. Jetzt verzichte ich auf Weizen und alles Glutenhaltige.» Zaklina sieht die positiven Aspekte der Umstellung: «Ich probiere es mit Humor zu nehmen und sage dann jeweils: hey, die perfekte Diät vor dem Sommer 2025, dann kann ich noch paar Schwangerschaftspfunde loswerden.»
Zaklina lässt sich nicht ausbremsen
Wie aber geht es Zaklina im Alltag mit der Krankheit? «Manchmal habe ich trotz Medikamenten Schmerzen. Auch bleibt mir hie und da das Essen stecken und es dauert sehr lange, bis es endlich im Magen landet. Das ist sehr unangenehm und schmerzhaft. Auch Trinken nützt nichts weil ich dann jeweils nur innehalten und gar nicht trinken kann.»
Im Alltag lässt sich Zaklina aber nicht einschränken. Sie nimmt zurzeit ein Medikament, das einen Schutzfilm auf der Speiseröhre bildet. Damit kommt Bäbler gut klar. Dass sie jährlich zur Magenspieglung muss, macht ihr auch nicht viel aus. Im Gegenteil: «Ich arbeite aktuell als Tagesmutter und habe viel Spass und Freude an dieser Aufgabe.»
Prof. Dr. Alex Straumann: «Ausgelöst wird die EoE fast immer durch eine allergische Reaktion auf Lebensmittel»
Der Spezialist Prof.Dr. Alex Straumann gilt als international ausgewiesener Experte im Gebiet der eosinophilen Entzündungen des Magendarm-Traktes.
ZVGAlex Straumann, was genau ist eine Eosinophile Oesophagitis?
Die Eosinophile Oesophagitis ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Speiseröhre. Charakterisiert ist diese Entzündung durch das Einwandern sogenannter eosinophiler Granulozyten, einer Untergruppe von weissen Blutkörperchen (Leukozyten) in die Wand der Speiseröhre. Eosinophile Entzündungszellen kommen hauptsächlich bei allergischen Entzündungen vor. Da der Name 'Eosinophile Oesophagitis' recht kompliziert ist, wird die Krankheit oft als 'EoE' bezeichnet oder als 'Asthma der Speiseröhre'. Ausgelöst wird die EoE fast immer durch eine allergische Reaktion auf Lebensmittel, und zwar auf deren Proteine. Die EoE ist somit eine Lebensmittel-Allergie.
Am häufigsten sind Milchproteine Auslöser der Entzündung. In rund 40 Prozent der Betroffenen führt eine absolut milch-freie Ernährung zu einem Abklingen von Beschwerden und Entzündung ohne Einsatz von Medikamenten. Aber auch Weizen/Gluten und Eier können eine EoE verursachen. EoE-Patienten fühlen sich weitgehend gesund solange sie nicht schlucken müssen. Da wir aber täglich mehrmals Nahrung aufnehmen, leiden EoE-Patienten fast täglich. Sie müssen trockene und faserige Speisen vermeiden oder mit Zerkleinern, ausgiebigem Kauen und Trinken so zubereiten, dass sie gleitfähig werden.
Wann besteht Verdacht, dass jemand unter einer EoE leidet?
Die menschliche Speiseröhre ist ähnlich aufgebaut wie die eines Hundes. Ein Hund reisst und schlingt seine Nahrung runter, und das sollte auch bei uns Menschen möglich sein. Es ist zwar unhöflich, aber ein guter Test, dass die Speiseröhre gesund ist und richtig funktioniert. Sobald solide Speisen verzögert nach unten rutschen, kurze oder sogar längere Zeit in der Speiseröhre stecken bleiben, ist das ein untrügliches Zeichen, dass eine organische Krankheit der Speiseröhre vorliegt, im besten Fall eine EoE, im schlimmsten Fall ein bösartiger Tumor. Zusätzlich verursacht eine EoE oftmals unabhängig vom Schlucken Schmerzen hinter dem Brustbein, welche den Beschwerden von Reflux (Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre) ähneln.
Wie bestätigt man einen EoE-Verdacht?
Beim Auftreten von Beschwerden beim Schlucken fester, faseriger Speisen muss eine Magenspiegelung durchgeführt werden. Der Magendarm-Spezialist entnimmt im Rahmen dieses, in einem Kurzschlaf durchgeführten Eingriffs, auch Abstriche von der Speiseröhre. Beschwerden beim Schlucken solider Speisen, typische Veränderungen der Speiseröhre, zusammen mit der feingeweblich nachgewiesenen eosinophilen Entzündung, bestätigen dann die Diagnose.
Wer ist betroffen?
Vor allem jüngere, männliche Patienten, die bereits unter Allergien leiden. Aber auch Frauen, ältere Patienten und Nicht-Allergiker können an einer EoE erkranken. Erstmals aufgetreten ist die EoE vor 30 bis 40 Jahren. Seither nimmt sie massiv zu und heute lebt in der westlichen Welt 1 Patient mit diagnostizierter EoE auf etwa 800 Einwohner.
Wieso erkrankt man?
Weshalb eine Person letztlich befallen wird, aber auch die Gründe für das Neuauftreten sowie die massive Zunahme der EoE, sind noch nicht klar. Diskutiert werden erhöhte Allergenizität industriell hergestellter Speisen und eine erhöhte Durchlässigkeit der Speiseröhrenschleimhaut verursacht durch Umwelt-Chemikalien.
Trifft es mehr Männer oder Frauen?
Männer sind tatsächlich dreimal häufiger betroffen als Frauen. Dies liegt daran, dass ein Risiko-Gen auf dem männlichen Geschlechts-Chromosom lokalisiert ist. Aber man kann auch ohne Träger dieses Risiko-Gens an einer EoE erkranken.
Können schon Kinder erkranken?
Ja, eine EoE kann bereits im Kleinkindesalter auftreten. Allerdings sind dann die Beschwerden etwas anders und diffuser als bei Erwachsenen, da sich Kleinkinder schlechter ausdrücken können. Nahrungsverweigerung, Gedeihstörung mit fehlender Gewichts- und Grössenzunahme, diffuse Schmerzen über Brust und/oder Bauch, ja sogar Durchfall sind Symptome der EoE bei Kindern.
Ist Eosinophile Ösophagitis vererbbar?
Ja, es gibt eine genetische Komponente. Aus Familien-Studien wissen wir, dass das Risiko für einen ein-eiigen Zwilling an einer EoE zu erkranken gut 40 Prozent beträgt, wenn sein identisches Geschwister bereits an einer EoE leidet. Für zwei-eiige Zwillinge liegt das Risiko bei gut 20 Prozent. Trotzdem ist das Risiko, wenn ein Elternteil an einer EoE leidet, nicht so gross, dass den Ehepaaren abgeraten wird Kinder zu zeugen.
Die Krankheit gilt als unheilbar. Was heisst das für Betroffene?
Wie viele andere Allergien wird auch die EoE durch den regelmässigen Kontakt mit dem Allergen aktiv gehalten. Da wir das auslösende Grundnahrungsmittel praktisch täglich einnehmen, ist die Krankheit chronisch. Es gibt aber verschiedene Verlaufsformen, zum Beispiel solche, die über lange Zeit aktiv bleiben und andere, die tendenziell über die Jahre abnehmen. Zudem müssen wir bei einer Krankheit, die wir noch nicht länger kennen, vorsichtig sein mit Stellen von Langzeitprognosen wie 'unheilbar'.
Wie wirkt sich Eosinophile Ösophagitis auf die Ernährung aus?
Wenn eine EoE unbehandelt ist, passen die Patienten ihre Ernährung rasch an, das heisst sie vermeiden trockene und faserige Speisen – z.B. Trockenreis, faseriges Fleisch, hartes Brot – und sie kauen ausgiebig und trinken viel Flüssigkeit zu den Mahlzeiten. EoE-Patienten werden somit meistens zu sehr langsamen Essern. Insgesamt stellt die Kalorienaufnahme aber sehr selten ein Problem dar. EoE-Patienten können ihr Körpergewicht trotz diesen Einschränkungen meistens halten.
Was können Betroffene tun, um ihre Lebensqualität zu verbessern?
Da gibt es eine kurze und klare Antwort: Man soll die EoE behandeln! Unter einer Therapie verschwinden die Beschwerden und die Lebensqualität normalisiert sich.
Wie weit ist die Forschung in Sachen Therapiemöglichkeiten gegen Eosinophile Ösophagitis?
Da die EoE viele Gemeinsamkeiten mit dem seit Jahrzehnten bekannten Asthma der Lunge hat – beides sind chronische, allergische Entzündungen, die zu Engstellungen des betroffenen Organs (Bronchien, respektive Speiseröhre) führen – hat man rasch die Notwendigkeit einer Therapie erkannt. Konsequenterweise hat man in der Folge auch untersucht, ob wirksame Asthma-Medikamente ebenfalls bei der EoE wirken. Somit besitzen wir heuten zum Glück einige sehr gute Therapiemöglichkeiten.
Man kann sie unter dem Schlagwort 'DDD' zusammenfassen.
Das erste 'D' steht für Drugs (Medikamente). Medikamente, welche die sinnlose und organ-zerstörende Entzündung unterdrücken, sind zum Beispiel rein lokal wirksame Kortisonpräparate und einige Biologika, deren Wirksamkeit und Sicherheit sehr gut ausgetestet ist.
Das zweite 'D' steht für Diät. Da die EoE eine Lebensmittel-Allergie ist, kommt die Entzündung zur Ruhe, wenn das die Entzündung auslösende Lebensmittel konsequent weggelassen wird. Allerdings ist eine Diät aus verschiedenen Gründen recht aufwändig: So gibt es momentan noch keine allergologischen Tests mit deren Hilfe man die 'Täter-Speise' suchen kann. Die verdächtigen Speisen müssen probeweise für einige Monate weggelassen werden und dann muss man kontrollieren, ob die EoE zur Ruhe gekommen ist, oder eben nicht.
Das dritte 'D' steht für Dilatation. Wenn eine Speiseröhre durch die eosinophile Entzündung massiv verengt ist muss sie mechanisch dilatiert (aufgedehnt) werden. Dieser Eingriff wird ambulant durch den Magendarm-Spezialisten im Rahmen einer Endoskopie im Kurzschlaf durchgeführt. Eine Dilatation verbessert zwar die Beschwerden, wirkt aber nicht auf die ursächliche Entzündung. Die Dilatation wird deshalb immer in Kombination mit einer entzündungshemmenden Therapie – Medikamente oder Diät – und niemals isoliert durchgeführt.
Mit den heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gelingt es meistens Beschwerden und Entzündung weitgehend unter Kontrolle zu bringen. Allerdings erfordert die EoE eine Langzeit-Therapie, da nach Aufhören einer medikamentösen oder diätetischen Therapie die Krankheit praktisch immer rezidiviert. In Kenntnis der massiven Zunahme der EoE ist das Interesse der Pharma-Unternehmen an der EoE riesig geworden, was auch bedeutet dass wir in wenigen Jahren sicher noch wesentlich mehr therapeutischen Möglichkeiten haben werden.
Muss eine EoE behandelt werden oder soll ein Betroffener einfach sein Ess-Verhalten ändern?
Diese Frage ist berechtigt, denn solange sich ein EoE-Patient ausschliesslich von Suppe und Joghurt ernährt ist er weitgehend beschwerdefrei. Trotzdem, eine aktive EoE sollte aus folgenden drei Gründen unbedingt behandelt werden:
Erstens: Wie bereits erwähnt verbessert oder normalisiert sich die Lebensqualität unter einer wirksamen Behandlung.
Zweitens: Unbehandelt führt die Entzündung über Jahre zu einem Schaden an der Speiseröhre. Eine gesunde Speiseröhre ist ein dünnwandiger, elastischer und sehr widerstandfähiger Schlauch, der die Nahrung sehr effizient von der Mundhöhle in den Magen transportiert. Die eosinophile Entzündung führt zur Bildung von Narbengewebe, wodurch die Wand der Speiseröhre massiv verdickt, aber auch starr und brüchig wird. Das führt zu einer Beeinträchtigung des Speisetransports mit entsprechenden Beschwerden.
Drittens: Bei einer unbehandelten EoE kann jederzeit ein Bissen steckenbleiben und die Speiseröhre komplett verschliessen. Dieser Zwischenfall ist für den Betroffenen nicht nur sehr unangenehm, sondern auch gefährlich, denn die Speiseröhre kann verletzt werden oder Speisen und Speichel können in die Lunge gelangen und zu einer Lungenentzündung führen.
Alle diese Komplikationen und Einschränkungen lassen sich mit einer wirksamen Therapie idealerweise komplett, mindestens aber weitgehend verhindern.