Es ist die Euphorie der freien Tage: Zum üppigen Gelage aus drapiertem Käse, schnittig zerlegtem Baguette, der obligatorischen Trend-Avocado und einer selbst eingekochten Konfitüre mit Ingwernote schnellt plötzlich aus dem Küchen-Off eine Flasche mit sprudeligem Inhalt. Alle juchzen und jauchzen, weil Kribbeln vorprogrammiert ist und man auch eine Grenze überschreitet: Alkohol vor zwölf Uhr mittags – living on the edge. Was sonst dem gepflegten Alkoholismus vorbehalten ist, wird jetzt in Kristallgläser gefüllt und stilvoll als Sektfrühstück verpackt. Joa.
Das Hirn ist schnell vernebelt, man weiss kaum, ob kichern oder schlucken. Man mischt Espresso mit Prosecco, nimmt noch 'nen Schluck O-Saft und kippt wieder Prosecco hinterher. Das zerfrisst Magen wie Kopf. Sind Tisch und Flasche leer, stellt sich die Gretchenfrage: weitertrinken oder ausnüchtern? Den Tag durchsaufen macht irgendwie auch nur im Sommer Spass und ist selbst dann oft eher unangenehm – für alle Beteiligten. Noch kurz über den Flohmarkt flanieren? Ja, is halt eng da und man selbst bräuchte Platz zum Laufen. Junge Familien, verliebte Paare und ältere Leute geniessen das Anrempeln zwar weniger, aber immerhin einen herrlichen Tag, den sie ganz geistesgegenwärtig erleben. Da kommt Neid auf.
Wer das Prickeln im Bauchnabel der Esskultur – dem Brunch – nur auf den Event an sich beschränkt, merkt schnell: Eine überproportionale Menge an Nahrung in Kombination mit Alkohol führt zu einem komatösen Mittagsschlaf. Ja, schade. Man wollte doch noch so viel erledigen und erleben. So feiert man zwar mit ein, zwei Gläsern Champagner die schrecklich wertvolle Zeit ohne Arbeit, knickt dann aber ein. Schon löst sich das, worauf man ursprünglich mal angestossen hatte, in Luft auf: das Wochenende.
Was passiert im Körper, wenn wir morgens trinken?
Auf den weichen Kern können wir uns verlassen: Jedes Organ – und mit ihm natürlich die Funkzentrale Gehirn – und jede menschliche Zelle hat eine innere Uhr am anatomischen Handgelenk. Diese intuitiven Zeitmesser sorgen dafür, dass die Organe dann aktiv werden, wenn man sie braucht. Nach einer guten Mütze Schlaf müssen Magen und Hirn erstmal aufwachen, das Verdauungssystem erwartet morgens wie selbstverständlich Nahrung und ist dann so richtig schön durchblutet. Genau dieser Umstand ist entscheidend für das rasend schnelle Angeschickert-Sein, denn er transportiert den Alkohol ruckzuck zum Gehirn.
Und warum macht uns lustiger Morgen-Blubbber wie Mimosa so wahnsinnig schläfrig? Alkohol erhöht die Konzentration von Adenosin, eines Neurotransmitters, der berühmt-berüchtigt dafür ist, selbst den lautesten Hühnen auszuknocken. Bei wilden Brunch-Gelagen gilt also: Sleep or it didn't happen.