Hätten wir unserem 8-jährigen Ich erzählt, dass es sich morgens statt Cornflakes und Milch mal Sellerie, Spinat, Banane und Apfel mixen würde, vom Rosenkohl sogar freiwillig Nachschlag bestellt und dafür die Cola gegen frisch gezapftes Hahnenwasser tauscht, hätte es uns wahrscheinlich 'nen Vogel gezeigt und wäre mit in der Limo blubberndem Röhrli von dannen gezogen.
Nö, da kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner. Und das liegt nicht daran, dass wir mal jung und wild waren und heute alt und langweilig sind, sondern daran, dass wir im Laufe unseres Lebens lernen, mit bestimmten Geschmäckern neue Empfindungen zu assoziieren. Sind wir klein, ist alles Süsse der Himmel auf Erden. Von Geburt an werden wir schliesslich mit Mamas Milch versorgt – und die schmeckt? Richtig: süsslich. Genau wie übrigens das Fruchtwasser, in dem wir so vor uns hin waberten. Auch reife Früchte schmecken süss, dieses Wissen hat uns die Natur schon in die Gene gepflanzt. Ebenso wie die Info, dass alles, was schön salzig schmeckt, höchstwahrscheinlich einen gesunden Nährstoffgehalt hat. Schiebt man uns dagegen früh etwas Bitteres oder Saures in den Mund, schrillen die Alarmglocken: «Halt, stopp! Das muss verfault oder giftig sein!» Frei nach dem Motto «Deinen verdorbenen Rosenkohl kannst du mal schön selber essen», verschmähen wir also erst mal ALLES, was uns suspekt vorkommt.
Alt und weise – und experimentierfreudig
Je älter wir werden, umso neugieriger und mutiger werden wir aber. Und speichern natürlich irgendwann ab: Die bringen uns gar nicht um, die Oliven. Die verleihen der Pastasauce sogar noch das gewisse Etwas. Bier? Schmeckt eigentlich auch ohne süsse Streck-Limo ganz schön gut. Und was gibt es überhaupt Besseres als frischen, knackigen Rucola? Statt des schwarz-weissen «lecker – eklig»-Denkens entwickeln wir quasi unendlich viele Farbfacetten, die nach salzig, würzig, scharf, mild, orientalisch, fruchtig, erfrischend, wie bei Mama, aufregend, süss … schmecken können und realisieren, dass man alles nur gekonnt einsetzen oder mischen muss, um ein richtig gutes Endergebnis zu kredenzen.
Während wir so köcheln und experimentieren, erneuern sich heimlich einmal in der Woche unsere Geschmacksnerven, unsere Riechzellen einmal pro Monat. Apropos: Letztere spielen natürlich auch eine Riesenrolle in unserem Empfinden. Dass man kaum etwas schmeckt, wenn die Nase mal wieder verstopft ist, hat wohl jeder von uns schon erlebt.
Um das 60ste Lebensjahr rum, läuft das mit der Regenerierung von Nerven und Zellen nicht mehr ganz so rund und regelmässig. Habt ihr schon mal die Beschwerde «Früher hat das aber besser geschmeckt» gehört? Jap … Stimmt vermutlich gar nicht, früher waren einfach die Geschmacksnerven noch mehr auf Zack.
Nun sang Udo Jürgens damals «Mit 66 fängt das Leben an» – mag sein, man muss dann einfach noch ein bisschen nachwürzen.