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Generationenforscher weiss

«Jung und Alt müssen mehr miteinander reden»

Psychologe Rüdiger Maas ist Generationenforscher. Im Interview erklärt er, warum die Generationen stärker auseinanderdriften als bisher - und mit welchen einfachen Mitteln man dieser Entfremdung entgegenwirken kann.

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Back view of embraced grandparents enjoying while looking at their family on a field in autumn day.

Generationskonflikte?

Getty Images

Rüdiger Maas ist Psychologe und Generationenforscher. Im Interview spricht er über die Kluft zwischen Jung und Alt und wie man Missverständnissen und Reibungen vorbeugt. Sein Wunsch ist, «dass die Generationen wieder zueinander finden, miteinander sprechen und aufeinander eingehen».

Herr Maas, wo liegen aktuell die grössten Konflikte zwischen den Generationen?
Rüdiger Maas: Die Unterschiede zwischen den Generationen sind so alt wie die Menschheit. Dazugekommen ist ein neuzeitliches Phänomen: die Digitalisierung. Wir haben Menschen, die in einer analogen Welt aufgewachsen sind - fast alle Menschen, die vor 1990 geboren sind - und eben Menschen, die sehr stark digital geprägt aufgewachsen sind. Sie bewerten Sprache, Werte und Einstellung anders. Daran sehe ich, dass diese Generationen auseinanderdriften und wir hier viel mehr Dialog brauchen, mehr aufeinander eingehen, das Erfahrungswissen der Älteren mitnehmen, aber auch die digitale Welt integrieren müssen. Denn mehr Kommunikation und Miteinander sind förderlich für ein besseres Verständnis füreinander. Doch dafür müssen sie bzw. wir uns entsprechend Zeit nehmen.

Wo ziehen die Generationen dagegen an einem Strang?
Es gibt viele Gemeinsamkeiten: Essen, Kultur, Sport und Musik sind Themen, wo Generationen zueinander finden. In Sachen Geschmack sind mir beispielsweise keine klassischen Generationsunterschiede bekannt - nehmen wir nur Schokolade, die schmeckt doch jedem. Auch eine ähnliche oder sogar gleiche Wertevorstellung teilen die Älteren mit den Jüngeren: Junge Menschen orientieren sich an den Werten der Eltern und streben keine Gegenkultur oder Abgrenzung an. Diese aktuelle Entwicklung wird in der Soziologie als Neo-Konventionalismus bezeichnet.

Wie unterschiedlich gehen die Generationen mit den Herausforderungen unserer Zeit um?
Die Generationen nehmen Informationen verschieden schnell auf. Während die Älteren Nachrichten über «langsamere» Kanäle wie TV und Zeitung konsumieren, nutzen viele junge Menschen auch Social Media, um sich zu informieren. Informationen sind im Netz jederzeit abrufbar. Im Digitalen ist viel möglich und dadurch haben die Nutzer auch eine andere Form von Optionen und eine andere Wahrnehmung. Die Konsequenz: Viele leben zunehmend in ihrer eigenen Bubble. Im Zusammenspiel mit der technischen Geschwindigkeit nimmt deshalb auch die Isolation zu. Wir nehmen uns weniger Zeit für andere, gehen nicht mehr aufeinander zu. Es verwundert also nicht, dass 42 Prozent der Deutschen die Welt seit der Pandemie als weniger empathisch empfinden. Und diese Empathie brauchen wir, um in generationsübergreifenden Gesprächen wieder näher zusammenzurücken.

Welchen Einfluss haben die sozialen Medien auf den generationsübergreifenden Austausch?
Die Screentime steigt, die Aufmerksamkeitsspanne sinkt. In unserem digitalisierten Leben kommunizieren wir zwar gefühlt den ganzen Tag, doch wirklich Zeit zum Zuhören und für die Geschichten anderer bleibt kaum. Stattdessen stecken wir in unserer eigenen Bubble fest - der Austausch mit anderen Altersgruppen findet im Alltag wenig statt. Die Folge sind Missverständnisse und Reibungen zwischen den Generationen. Zudem treffen in den sozialen Medien oft Extreme aufeinander und das führt am Ende dazu, dass Generationen immer mehr in extremen Situationen verharren und gar nicht mehr aufeinander zugehen. So driften wir nach und nach auseinander.

Wie können wir einander noch mehr unterstützen?
Jung und Alt müssen in den Dialog gehen und erkennen, dass jede Generation von der anderen lernen kann. Empathie ist dazu der Schlüssel. Empathie hilft uns, die Perspektive unseres Gegenübers zu verstehen, Gemeinsamkeiten zu entdecken und uns generationsübergreifend zu unterstützen. Doch neben Einfühlungsvermögen und Mitgefühl braucht es auch Zeit, um aufeinander zuzugehen. Es müssen keine stundenlangen Gespräche sein. Schon ein kleines Lächeln oder eine kleine Geste können eine ganze Welle auslösen. Ich lächele jemanden an, jemand lächelt zurück. Wenn wir das alle machen würden, hätten wir eine lächelnde Gesellschaft, zumindest für einen Moment. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen. 

Welche Prognose haben Sie für die nächsten Jahre - wachsen die Generationen mehr zusammen oder driften Sie mit der Zeit weiter auseinander?
Tatsächlich ist es schwer, solche Prognosen vorherzusagen. Denn unsere Welt wird immer schnelllebiger. Aber wenn wir davon ausgehen, dass der technologische Fortschritt exponentiell wächst, werden wir entweder näher zusammenrücken oder komplett auseinanderdriften. Damit Letzteres nicht passiert, müssen wir wieder mehr miteinander sprechen und lernen, einander richtig zuzuhören, und die jeweilige Welt auch dem Gegenüber verständlicher machen.

Von spot am 25. April 2022 - 16:00 Uhr