Für Franziska Hess stehen der Genuss, der Spass am Essen und die gute Zeit am Familientisch im Vordergrund. Die diplomierte Ernährungsberaterin SVDE (Schweizerischer Verband Diplomierter ErnährungsberaterInnen), die sich zusätzlich auf die Ernährung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert hat, beantwortet für schweizer-illustrierte.ch Fragen, die sich früher oder später wohl alle Eltern mal stellen.
Liebe Frau Hess, wann und wie merke ich, dass mein Baby bereit ist für Breikost?
Wichtig ist, dass das Baby mindestens vier Monate alt ist und mit Unterstützung selber aufrecht sitzen und alleine den Kopf halten kann. Meist zeigen Kinder selber, dass sie bereit sind für den Brei. Sie greifen nach dem Essen, machen Kaubewegungen und öffnen den Mund, wenn der Löffel kommt.
Was können wir tun, wenn sich das Kind nicht für das Essen vom Tisch interessiert?
In diesem Fall können folgende Fragen abgecheckt werden:
1. Ist das Kind schon bereit dafür? Der optimale Beikost-Start ist individuell.
2: Ist das Kind hungrig? Ein gut gefüllter Magen schmälert in der Regel das Interesse am Essen. Derweil ist auch ein zu grosser Hunger ungünstig, weil dieser ungeduldig macht.
3: Ist das Kind zu müde? Dann ist Neues ausprobieren zu anstrengend.
Am besten ist es, wenn Eltern eine gute und entspannte Situation rund um das Essen schaffen und dabei auf die Signale des Kindes eingehen, sobald dieses Interesse zeigt.
Was tun, wenn das Kind plötzlich kein Gemüse oder keine Früchte mehr essen will?
Das Wichtigste: Entspannt bleiben! In den meisten Fällen handelt es sich nur um eine Phase, die in manchen Fällen auch Jahre dauern kann. Obst und Gemüse sind ein Teil des Nahrungsangebotes, das wir Kindern zur Verfügung stellen sollen. Das Kind soll und darf aber selber entscheiden, wieviel es davon essen mag.
In Gruppen übrigens, wenn sich Kinder nicht beobachtet fühlen, springen viele über den eigenen Schatten und probieren Neues. Ebenfalls bewährt haben sich kleine Degustationen am Familientisch: Man kann gemeinsam zum Beispiel Rüebli auf verschiedene Arten zubereiten, schön präsentieren und darüber diskutieren was einem besser und was weniger gut schmeckt.
Was kann man machen, wenn das Kind partout nichts Neues probieren will?
Auch hier rate ich dazu, entspannt zu bleiben. Gut ist auch, dem Kind das gewünschte Essverhalten vorzuleben und das Kind zum probieren einzuladen. Wenn es aber nicht will, dann soll man es auf keinen Fall zwingen, sondern einfach weiterhin als gutes Beispiel vorangehen und immer wieder Essen ohne Zwang anbieten. Wenn die Eltern aber das Gefühl nicht loswerden, dass etwas nicht gut ist oder der Zustand zu lange dauert, dann sollen sie sich unbedingt an ihre Kinderärztin/ihren Kinderarzt wenden.
Wie reagieren wir richtig, wenn es der Nachwuchs keine fünf Minuten im Tripp Trapp am Familientisch aushält?
Auch hier plädiere ganz klar für keinen Zwang. Nach einer Ermahnung aber soll man das Essen des Kindes wegräumen und ihm erst bei der nächsten geplanten Mahlzeit wieder etwas zu essen geben. Dazwischen soll es keine Extras bekommen.
Gibt es sowas wie eine Faustregel, wie viel Süssigkeiten es wirklich verträgt?
Gemäss Empfehlungen der Schweizer Gesellschaft für Ernährung ist gegen eine kleine Portion Süsses (oder salzige Knabbereien) pro Tag nichts einzuwenden.
Worauf müssen wir als Eltern in Sachen «No-Gos» achten, die wir Kindern bei der Ernährung und am Familientisch vorleben?
Grundsätzlich soll man sich bewusst sein, dass Kinder das Essverhalten hauptsächlich durch Nachahmung erwerben. Eltern sollen vorleben, was ihnen bei der Ernährung und beim Essen wichtig ist. Zusätzlich ist es wichtig, dass Eltern den Zeitplan, das Angebot und den Ort der Mahlzeiteneinahme bestimmen, das Kind aber soll und darf immer selber entscheiden, was und wieviel es essen will. Am Tisch selber rate ich von Ablenkungen wie Bücher, Spielsachen und Bildschirm ab. Auch sollen die Essensmengen nicht gelobt oder getadelt werden. Das Kind soll seinen Bedürfnissen entsprechend essen und nicht den Eltern zuliebe. In Bezug auf das Essen sollen auch keine Belohnungen oder Bestrafungen gemacht werden. Sätze wie 'Wenn du aufisst, gibts Dessert' sind kontraproduktiv. Ganz allgemein gilt am Familientisch: Keine Machtkämpfe und keine Zwänge.
Wie kriegt man es hin, dass der Familientisch ein schöner Ort wird, der Spass und Freude macht?
Eltern sollen Regeln für den Familientisch festlegen und diese gemeinsam durchsetzen. Daneben, ich betone es immer wieder, bewährt es sich, entspannt zu bleiben und die gemeinsame Zeit zu geniessen.
Gibt es Tipps oder Ratschläge, die Sie allen Eltern gerne mitgeben?
Man soll sich immer wieder bewusst machen, dass die Kinder unser Verhalten kopieren. Besonders auch das Unerwünschte. Und dann betone ich stets gerne, dass Kinder meist sehr gut spüren, wieviel sie benötigen. Die Sättigung wahr- und ernstzunehmen, ist der beste Schutz vor Überessen und somit ein Schutz vor Übergewicht.
In der Pubertät ernähren sich viele Teenager von Chips, Schoggi und Mc Donald’s. Ist das eine Zeit lang okay? Wann und wie sollten Eltern einschreiten?
Teenager können wir nicht mehr erziehen, sinnvoll ist es im Gespräch zu bleiben und ihre Sorgen sachlich und liebevoll zu verbalisieren.