Cornflakes zum Zmorge, ein Weggli zum Znüni, ein Guetzli zum Zvieri – das dürfen zwar die wenigsten Kinder täglich essen, aber immerhin ab und zu liegt es drin. Ariella (10) aus Hägglingen AG muss immer auf diese Leckereien verzichten. Sie leidet an Zöliakie. Sobald sie auch nur Spuren von Gluten zu sich nimmt, reagiert ihr Körper mit Erbrechen und Durchfall.
Die Krankheit wurde bei Ariella im Alter von drei Jahren diagnostiziert. «Mir fiel auf, dass sie zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr kaum gewachsen ist», sagt ihre Mutter Pia Bosshard. Wachstumsstörungen sind bei Kleinkindern ein häufiges Symptom von Zöliakie. Weitere Warnzeichen sind Durchfall, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Blässe und Übelkeit. Fachpersonen schätzen, dass in der Schweiz etwa eine von hundert Personen von Zöliakie betroffen ist.
Kompletter Verzicht ist die einzige Therapie
75 Prozent wissen allerdings nichts von ihrer Erkrankung. Ronia Schiftan, Ernährungspsychologin und Co-Präsidentin der IG Zöliakie, einer Patientenorganisation, die sich für die Anliegen von Betroffenen mit Zöliakie einsetzt, sagt: «Das Problem ist, dass viele Menschen die Komplexität und Spannbreite der Symptome bei Zöliakie nicht kennen.» Neben den bekannten Beschwerden wie Blähungen, Übelkeit und Bauchschmerzen können Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten, Gelenkschmerzen oder psychische Probleme auf Zöliakie hindeuten. «Selbst Fachpersonen denken oft zu wenig daran, bei ihren Patientinnen und Patienten eine Zöliakie auszuschliessen», sagt Schiftan.
Nach der Diagnose im Jahr 2017 begann bei den Bosshards die Ernährungs- und Lebensumstellung. Ariella ist das einzige der vier Kinder der Familie, das an Zöliakie leidet. Sie sagt: «Für mich ist es nicht schlimm, dass ich vieles nicht essen darf. Ich kenne es gar nicht mehr anders.» Die Mutter bestätigt, dass sich Ariella gut an die Umstellung gewöhnt habe. «Aber wenn ihre Geschwister feine Cornflakes kaufen, die sie nicht essen darf, ist sie natürlich schon frustriert.»
Bis anhin ist der komplette Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel die einzig mögliche Therapie bei Zöliakie. Gluten ist ein Klebereiweiss und in sämtlichen Getreidesorten enthalten. Nicht nur Brot und Teigwaren sind vom Speiseplan gestrichen, sondern auch gewisse Fertigprodukte wie Bouillon oder verarbeitete Fleischwaren. Selbst Linsen, die von Natur aus glutenfrei sind, können aufgrund des Herstellungsprozesses kleinste Weizenstücke enthalten. Für Menschen mit Zöliakie gibt es alternative Produkte auf Basis von Reis- oder Maismehl, die mit dem Glutenfrei-Symbol gekennzeichnet sind. Da sich Menschen mit Zöliakie ständig damit befassen müssen, was sie essen können und was nicht, kann ein Hyperfokus auf Ernährung entstehen. Das sei besonders bei Kindern schädlich, sagt Ronia Schiftan. «Zöliakie ist nur ein Teil des Lebens, der präsent, und manchmal auch frustrierend ist.» Das Thema dürfe Raum einnehmen, doch es sollte nicht das Einzige sein, worum es gehe. «Es ist wichtig, dass das Kind diese Krankheit nicht als einziges Identitätsmerkmal sieht, sondern seine vielen anderen Fähigkeiten und Eigenschaften ebenso anerkennt.» Abgesehen von der Weihnachtszeit sind auch Geburtstage, Restaurantbesuche oder Einladungen zum Essen mit Hürden verbunden.
Viel Kopfarbeit und Planung
Eine Herausforderung sei auch das Kochen, sagt Bosshard. «Hier können die meisten Fehler passieren, wenn man nicht vorsichtig ist.» Zum Beispiel, wenn man aus Versehen den Apfel mit einem Messer schneidet, das zuvor zum Brotschneiden verwendet wurde. Oder wenn man ein Stück Brot im Fondue schwingt anstatt ein Stück Kartoffel. Ebenso kann es passieren, dass Wasser von der Weizenpasta in die Pfanne mit den glutenfreien Teigwaren spritzt. Es sei alles mit Kopfarbeit und viel Planung verbunden, sagt Bosshard. «Aber ich achte darauf, Ariella nie das Gefühl zu geben, dass sie kompliziert ist.» Schiftan bestätigt, wie wichtig das ist: «Eltern sollten ihre Unsicherheit und Angst nicht ungefiltert auf das Kind übertragen.» Die Sorgen, dass das Kind etwas Falsches essen könnte oder ausgeschlossen werde, seien ganz normal, würden aber oft nicht der Realität entsprechen. «Kinder sind sehr resilient und gehen meist viel entspannter mit der Zöliakie um.» Für sie sei die Diagnose nicht per se etwas Schlimmes, sondern eine Möglichkeit, neue Dinge zu lernen. «Das kann sie stolz und neugierig machen.»